Boehringer-Ingelheim-CIO

Quantum Computing treibt die Arzneiforschung voran

19.04.2024
Von Markus Schümmelfeder
Markus Schümmelfeder, CIO bei Boehringer Ingelheim, wettet im CIO-Jahrbuch 2024, dass wir bis Ende der Dekade einen Quantensprung in der In-silico-Arzneimittelentwicklung erleben werden.
Quantum Computing wird die In-silico-Arzneimittelentwicklung massiv voranbringen, schreibt CIO Markus Schümmelfeder im CIO-Jahrbuch 2024.
Quantum Computing wird die In-silico-Arzneimittelentwicklung massiv voranbringen, schreibt CIO Markus Schümmelfeder im CIO-Jahrbuch 2024.
Foto: Boehringer Ingelheim

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Besuch bei besonders innovativen Startups in Berlin. Das war 2016, und ich war von dem, was ich sah, nachhaltig beeindruckt. Es wurde mir klar, dass wir als IT von Boehringer IngelheimBoehringer Ingelheim in einem besonders wichtigen Zukunftsfeld unseren Wertbeitrag in der Forschung und Entwicklung noch stärker vorantreiben müssen. Obwohl Boehringer Ingelheim zu Recht als eines der innovativsten forschenden Biopharmaunternehmen weltweit gilt, müssen wir stets am Ball bleiben und vielversprechende Zukunftstechnologien im Blick haben und anwenden. Ich spreche hier von der In-silico-Arzneimittelentwicklung und deren Revolution durch Quantum Computing bis zum Ende der Dekade. Top-500-Firmenprofil für Boehringer Ingelheim

Arzneimittelentwicklung wird digital

In den letzten 30 Jahren hat die In-silico-Arzneimittelentwicklung an Bedeutung gewonnen - aber was ist das eigentlich? Im Gegensatz zur traditionellen Entwicklung, bei der Wirkstoffe durch Versuche im Labor und an lebenden Organismen entwickelt werden, nutzt die In-silico-Entwicklung Computermodelle und Simulationen, um deren Wirkung vorherzusagen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden dadurch weniger Wet-Lab-Experimente, also Versuche an der Zelle (in vitro) oder dem lebendigen Organismus (in vivo) notwendig, und es benötigt nur einen Bruchteil der Zeit und Kosten.

Die DigitalisierungDigitalisierung hat hier ganze Arbeit geleistet, mit High Performance Computing, bildgebenden Technologien, Machine LearningMachine Learning, Big DataBig Data und 3D-Simulationen. Allerdings gibt es auch Grenzen! Eine der größten Herausforderungen ist die begrenzte Rechenleistung von herkömmlichen Computern. Die genaue Simulation von komplexen biologischen Systemen erfordert enorme Rechenkapazitäten, die bisher nicht verfügbar waren und teilweise niemals verfügbar sein werden. Allein die akkurate Beschreibung von Moleküleigenschaften, etwa deren Bindungskräfte oder Metabolisierung, überfordert bisherige Hardware und Algorithmen. Alles zu Big Data auf CIO.de Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Quantum Computing wird die In-silico-Arzneimittelentwicklung massiv voranbringen, da bis­herige Grenzen, wie etwa fehlende Rechenpower, überwunden werden. Diese bahnbrechende Technologie wird es ermöglichen, komplexe Berechnungen in kürzester Zeit durchzuführen. Damit werden wir die nötige Genauigkeit erreichen, um aus den bisher möglichen statistischen Vorhersagemodellen hin zu akkuraten Modellen von Molekülen oder Zellen zu kommen.

Diese Simulation komplexer biologischer Systeme können wir dann zu einer genaueren Vorhersage der Wirkung von Medikamenten nutzen. Therapien können so viel zielgerichteter auf die individuellen Bedürfnisse von Patienten zugeschnitten werden. Solche "Digital Twins" werden es den Wissenschaftlern dann erlauben, die Wirkung der Arzneimittel auf einzelne Zellen oder den gesamten Körper besser vorherzusagen. Bei aller Euphorie, die heutigen Quantencomputer sind noch vergleichbar mit den frühen Großrechnern der 1960er-Jahre. Bei dem rasanten Fortschritt jedoch wird die Entwicklung diesmal nur wenige Jahre statt Jahrzehnte benötigen.

Schnellere und bessere Therapien

Perspektivisch werden alle Patienten profitieren können. Sie werden noch schnellere, bessere und sicherere Therapien erhalten. Besonders Patienten mit Krankheiten, die bisher nur unzureichend therapiert werden konnten, dürfen auf neue Behandlungsmöglichkeiten hoffen. Vor allem für die Precision Medicine, also die personalisierte Medizin, sehen wir viel Potenzial.

Durch die Nutzung von weiterentwickelten Computermodellen und Simulationen können Arzneimittel gezielter auf die Bedürfnisse auch kleinerer Patienten­populationen und irgendwann des einzelnen Individuums zugeschnitten werden. Mit der genaueren Vorhersage der Wirkung werden auch ungewollte Nebenwirkungen reduziert und eine insgesamt bessere Behandlung von Krankheiten erreicht.

Für Pharmaunternehmen bedeutet die In-silico-Arzneimittelentwicklung eine enorme Kosten- und Zeitersparnis und hilft so, den exponentiell steigenden Forschungskosten und Anforderungen zu begegnen. Für Unternehmen, die in ihrer In-silico-Entwicklung kein Quantum Computing einsetzen, wird dies eine Heraus­forderung sein. Diese Unternehmen müssen möglicher­weise ihre StrategienStrategien überdenken und in neue Technologien investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Alles zu Strategien auf CIO.de

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Damit es zu diesem Quantensprung in der Arzneimittelentwicklung wirklich kommt, bedarf es unter anderem crossindustrieller sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit und eines inno­vationsfreund­lichen Umfelds. Die Zusammen­arbeit zwischen Politik, Regulierungsbehörden, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Pharma- und Technologieunternehmen wird für das Gelingen entscheidend sein.

Daher hat Boehringer Ingelheim ein eigenes Quantum Lab aufgebaut, als erstes Pharmaunternehmen überhaupt eine entsprechende Zusammenarbeit mit Google gestartet und ist eines der Gründungsmitglieder des "Quantum Technology and Application Consortium", in dem führende deutsche Unternehmen gemeinsam industrielle Anwendungsfelder für Quanten­computer erschließen möchten.

Die In-silico-Arzneimittelentwicklung wird durch Quantum Computing einen Quantensprung erleben. Das ist nicht nur für Pharma­unternehmen und Patienten von Vorteil, sondern auch für das gesamte Gesundheitswesen. Mit dieser bahnbrechenden Technologie werden wir innovative Arzneimittel schneller und effizienter entwickeln, was letztendlich zu einer besseren Behandlung von Krankheiten führen wird. Das ist nicht nur aufregend, sondern auch ein wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Gesundheitsversorgung für alle.

Zur Startseite