WERNER DOSTAL

Schreckgespenst für Schönrechner

01.04.2002
Im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg sitzt ein Mann, der Zahlen nie verbiegen würde: Werner Dostal ist wissenschaftlicher Direktor – IT-Fossil, Querdenker und allseits gefürchteter Kritiker.

DIE MEHR ALS 100 IAB-FORSCHER können für das im Februar offenbar gewordene Statistik-Desaster der Bundesanstalt nicht verantwortlich gemacht werden; sie liefern wissenschaftliche Erkenntnisse über den Arbeitsmarkt. Für das dynamische IT-Segment ist Werner Dostal prädestiniert, denn er kennt es aus eigener Erfahrung – fest angestellt und freiberuflich. Seine IT-Anfänge reichen bis in die Zeit der Lochkartenverarbeitung zurück. Vor seinem Wechsel ins Beamtenleben im Jahr 1973 arbeitete Dostal bei einem Unternehmensberater, nachdem er zuvor sieben Jahre lang als Ingenieur und Systementwickler in der IndustrieIndustrie tätig gewesen war.

Dass er als Berater viel reisen musste, gefiel seiner Frau nicht. Sie monierte, dass ihr Mann zu wenig Zeit für die Familie habe. Als das IAB einen Ingenieur für Untersuchungen zum Thema „Technischer Wandel“ brauchte, war das Anlass für Dostal, seine Zukunft neu zu planen. Zum einen, sagt er, hatte ihn das Thema Arbeitswissenschaft schon immer fasziniert, zum anderen lockte ihn die Aussicht auf mehr Freizeit.

Diese Aussicht war trügerisch, weiß Dostal heute. Aber immerhin bestimme nun er und nicht mehr sein Arbeitgeber Zeitpunkt und Dauer seiner Reisen. Der IAB-Direktor räumt ein, dass der Wechsel von der Wirtschaft in ein Forschungsinstitut krass war. Im ersten Jahr habe er oft nicht gewusst, was er überhaupt machen solle. Während Der Auftrag an den IAB-Neuling: „Nun forschen Sie mal schön, wie die Berufswelt sich verändert!“ er es in der freien Wirtschaft mit konkreten Aufgaben zu tun gehabt habe, habe es im Institut geheißen: „Nun forschen Sie mal schön, wie die Berufswelt sich verändert!“ Doch die Anfangsschwierigkeiten waren bald überwunden; schnell wurde der Name Dostal für diejenigen in der IT-Welt, die mit Schulung und Personalfragen zu tun haben, ein fester Begriff.

Dostal passt eigentlich nicht so recht in die Nürnberger Beamtenszene. Das liegt nicht nur an dem modischen Outfit des drahtigen Mitfünfzigers, sondern auch an seiner Eloquenz. Wenn der Wissenschaftler von seinen Lieblingsthemen Arbeitsmarkt und Qualifikation spricht, redet er schnell und eindringlich, mit oft bissigen Einsprengseln, die von trockenem Humor zeugen. Zu Hause ist Dostal dagegen mehr auf harmonische Töne aus: Zu seinen Hobbys zählt das Cello-Spiel.

Anfang der 80er-Jahre hat Dostal parallel zu seiner Tätigkeit beim IAB an der Universität Erlangen/Nürnberg Wirtschaftswissenschaften und Philosophie studiert und an der TU Berlin in Bildungsökonomie promoviert. Heute steht er oft selbst hinter dem Dozentenpult. So erhielt er in den letzten Jahren Lehraufträge in den Fächern Informatik, Soziologie und Arbeitslehre von den Universitäten in Erlangen und Frankfurt am Main. Darüber hinaus ist er in einer Reihe von nationalen und internationalen Gremien tätig, darunter dem Club of Rome.

Zur IT-Branche pflegt Dostal ein ambivalentes Verhältnis. Er betont immer wieder, dass sich seine Tätigkeit auf alle Berufe und Qualifkationen konzentriere und die IT-Berufe „sozusagen aus alter Affinität“ nur ein Randthema seien.Bei seinen Vorträgen oder in Podiumsdiskussionen schlägt diese Affinität indes regelmäßig voll durch. Das Thema IT-Jobs ist für ihn kein Randthema, sondern steht fast immer im Mittelpunkt.

Dostal spart dabei nicht mit Kritik an Arbeitgebern, Hochschulen und Gewerkschaften. Zu viel läuft nach seiner Überzeugung falsch bei den diversen Bemühungen, IT-Qualifikation in Deutschland aufzubauen. Hochschulvertretern erklärte er kurz und bündig, „Bindestrich- Studiengänge“ seien Unfug. Natürlich eckte er damit an, nicht zuletzt an der Universität, wo er selbst als Dozent wirkt. Den Gewerkschaften wiederum wirft er seit Jahren vor, sich zu wenig mit der künftigen Arbeitswelt inklusive virtueller und freiberuflicher Jobs auseinander zu setzen. Sein Urteil: Vordenker in Gewerkschaften seien die Ausnahme, traditionelle Funktionäre immer noch die Regel.

Ein Mann des unfreundlich scharfen Worts ist er trotz aller Neigung zur Kritik nicht. Aber er schafft es, seine Stiche deutlich und zielgenau zu setzen. Sie treffen auch die Arbeitgeber: IT- und Personalchefs, klagt Dostal, würden aus reiner Bequemlichkeit Adhoc- Lösungen wie die Greencard einer vernünftigen ITPersonalplanung vorziehen. Dostals Vorwurf an die Verantwortlichen, der daraus resultiert, ist klar: Ihr Umgang mit den Mitarbeitern sei eine Katastrophe. Die Computerprofis bekämen weder eine stabile Perspektive für die Dauer eines Berufslebens angeboten, noch werde ihnen angemessene Anerkennung zuteil. Der IAB-Direktor ist überzeugt, dass die Arbeitsbedingungen in der Branche, aber auch in den IT-Abteilungen der Anwenderunternehmen talentierte Berufsanfänger abschrecken.

Die Folge, so Dostal, sei ein Mangel an Professionalität in der IT. Das Thema liegt ihm am Herzen; er weist immer wieder auf den Imageschaden für IT-Berufe hin. Die Öffentlichkeit beobachte sehr genau, ob Pannen in sensiblen Bereichen wie dem Luftverkehr auf Computerfehler zurückzuführen seien. Quereinsteiger hätten darum in sicherheitskritischen IT-Bereichen nichts zu suchen.

Dostal schätzt die Unabhängigkeit des IAB als wissenschaftlicher Einrichtung, die es ihm erlaubt, derart scharf Kritik zu üben. Deshalb ist er schon so lange dabei. Dass ihm aus diesem Grund mittlerweile der Ruf eines IT-Fossils anhängt, damit kann Dostal gut leben. Zur Zufriedenheit fehlt ihm nach eigenem Bekunden nur eins: dass sich die Akteure in der IT endlich lernfähiger zeigen. Top-Firmen der Branche Industrie

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