Proof of Concept mit Qualcomm
Siemens installiert erstes privates Standalone-5G-Netz im Industrie-Umfeld
Im Rahmen einer Kooperation haben SiemensSiemens und Qualcomm, so die beiden Partner, das erste private 5G-Netz (Standalone) in einer realen industriellen Umgebung aufgebaut. Genutzt wird dabei das von der Bundesnetzagentur für die lokale Nutzung durch die IndustrieIndustrie freigegebene Frequenzband von 3,7 bis 3,8 GHz. Dabei bündeln beide Unternehmen ihre Kompetenzen: So stellt Siemens die industriellen Testbedingungen und Endgeräte wie Simatic-Steuerungen und IO-Devices zur Verfügung, während Qualcomm Technologies das 5G-Testnetz sowie die dazugehörigen Testgeräte liefert. Top-500-Firmenprofil für Siemens Top-Firmen der Branche Industrie
Beide Partner sind bereits gute alte Bekannte. So verbindet Siemens und Qualcomm eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt im Bereich der drahtlosen Kommunikationstechnologien. Dies hat unter anderem zur Entwicklung des Siemens Scalance-Portfolios für industrielle Drahtlos-Kommunikation geführt.
Siemens testet 5G mit Qualcomm
Das 5G-Netz wurde im Automotive Showroom und Testcenter von Siemens in Nürnberg installiert. Dort werden fahrerlose Transportsysteme (AGV) gezeigt, die vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Zudem werden neue Fertigungsmöglichkeiten und -methoden mitentwickelt, getestet und präsentiert, bevor sie beim Kunden umgesetzt werden.
Nun können dort auch die verschiedenen Technologien in einem eigenständigen 5G-Netzwerk unter realen Bedingungen getestet und Lösungsansätze für künftige Anwendungen im industriellen Umfeld erarbeitet werden. Dabei stellt Siemens das komplette reale Industrie-Setup zur Verfügung. Dazu zählen etwa Simatic-Steuerungen und IO-Devices. Kombiniert mit der drahtlosen Kommunikation über 5G will Siemens dort auch Industrieprotokolle wie OPC UA und Profinet evaluieren und testen.
Warten auf 5G Release 16
Für Siemens ist das Testnetz deshalb wichtig, weil man hier die Funktionen von 5G-Standalone-Netzwerken für industrielle Anwendungen testen will. Zudem kann man so Erfahrungen mit der nächsten, für die smarte Produktion relevanteren 5G-Version - dem Release 16 - sammeln. Das aktuelle Release 15 bringt zwar das von der Öffentlichkeit geforderte Mehr an Bandbreite, aber nicht die im Industrie-4.0-Umfeld geforderte Echtzeitfähigkeiten mit geringer Latenzzeit und hoher Verfügbarkeit.
Diese Funktionen werden laut Eckard Eberle, CEO der Siemens Business Unit Process Automation erst mit dem Release 16 erreicht. Mit dessen Verfügbarkeit rechnet Eberle im Juni 2020. Entsprechende Hardware ist dann sechs bei sieben Monate später verfügbar. Erst dann kann Siemens laut Eberle mit der Entwicklung eigener 5G-fähiger Produkte für den industriellen Fertigungsbereich beginnen. Deshalb könne man derzeit auch noch keinen Ausblick über eine mögliche Produkt-Roadmap geben.
Das Hickhack um die verschiedenen Release-Stände von 5G und ihre Bedeutung für industrielle Anbieter wie Siemens, Bosch etc. erklärt sich, wenn man die drei grundsätzlichen Anwendungsszenarien von 5G in Betracht zieht. Da wäre zunächst das sogenannte Szenario des enhanced Mobile Broadband (eMBB) als direktem LTE-Nachfolger. Hier liegt der Fokus auf hohen Bandbreiten. Dies ist unter anderem wichtig für drahtlose Anwendungen im Bereich Augmented- und Virtual RealityVirtual Reality, etwa um durch Einblendungen in einer Datenbrille Mitarbeiter bei der Montage zu unterstützen (AR). Die Rechenleistung kommt dabei direkt aus der Cloud. Alles zu Virtual Reality auf CIO.de
5G-Szenarien
Ein weiteres Szenario ist die massive Machine-Type Communication (mMTC). Sie ermöglicht die Anbindung von bis zu einer Million Geräten pro Quadratkilometer - deutlich mehr als bisher. Das ist besonders relevant für die Prozessindustrie, wo viele unterschiedliche Sensoren installiert sind, mit deren Hilfe jeder Prozessschritt kontrolliert werden kann. Dabei soll die bei 5G verwendete Technologie trotz besserer Leistungen weniger Energie benötigen und damit Kosten einsparen.
Für die Automatisierung und industrielle Fertigung fast am wichtigsten ist das dritte 5G-Szenario - die Ultra-Reliable Low-Latency Communication (URLLC). Hier soll mit 5G die Verfügbarkeit des mobilen Netzes (ultra-reliable) und dessen Latenzzeit (low-latency) wesentlich verbessert werden. Relevant ist das etwa für die Bewegungssteuerung von Maschinen oder die Positionsbestimmung bei Robotern.
Mit URLLC hofft Siemens CEO Eberle künftig Verzögerungszeiten von 2 Millisekunden (ms) (Jitter und Latency) in privaten 5G-Netzen realisieren zu können. Mit heutigen 5G-Netzen im privaten, sprich Industrieumfeld, seien lediglich 160 ms zu realisieren, da diese auf dem Release 15 basieren und LTE-Management-Mechanismen nutzen. Zum Vergleich: Bei klassischen LTE-Netzen liegen die Verzögerungszeiten zwischen 160 und 190 ms und ein Industrial WLANWLAN gemäß 802.11abgn kommt auf Werte um die 17 ms. Alles zu WLAN auf CIO.de
Privates 5G-Netz oder Carrier-Netz?
Alles Werte, die für in Echtzeit agierende Maschinen und RoboterRoboter oder noch zu hoch sind, weshalb die Industrie als 5G-Anwender so ungeduldig auf das Release 16 des 5G Standards wartet. Abgesehen von den Reaktionszeiten spricht noch ein anderer Punkt laut Eberle für private 5G-Netze in der Fertigung - das Thema Sicherheit und Flexibilität. Alles zu Roboter auf CIO.de
Nutzt ein Anwender ein typisches Mobilfunknetz, egal ob 4G oder 5G, so fließen Eberle zufolge sowohl die Maschinen-/Produktionsdaten (User plane) als auch die Netzwerk-Management-Daten (Control Plane) über das öffentliche Mobilfunknetz. Hier könnten die Daten Angriffen ausgesetzt sein. Erschwerend käme hinzu, dass in diesem Beispiel Geräte wie Sensoren etc. öffentliche IP-Adressen erhielten und somit aus dem Internet angreifbar seien.
Eine Verbesserung bringen laut Eberle halb-öffentliche Netze, wie sie etwa beim 5G Slicing zum Einsatz kommen. Hier bleiben die Daten der User plane auf dem Campus des Anwenders und lediglich die Control plane befindet sich im öffentlichen Netz des Carriers.
Das Optimum sind für den Siemens-Manager jedoch die privaten 5G-Netze, für die jetzt der Frequenzbereich von 3,7 bis 3,8 Ghz freigegeben wurde beziehungsweise Lizenzen erteilt werden. Hier hätten die Unternehmen per se die vollständige Kontrolle über Control und User plane. Zudem seien diese Netze - eine richtige Implementierung vorausgesetzt - von außen nicht ohne weiteres für potenzielle Angreifer sichtbar.