Public IT


Bundesländer mit eigener Agenda

Streit um deutsche Verwaltungscloud

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Verwaltungscloud, die so wichtig wäre, um die Digitalisierung der deutschen Verwaltung voranzubringen, droht im föderalen Hickhack um Kompetenzen zermahlen zu werden.

"Wir brauchen dringend eine souveräne Verwaltungs-Cloud mit sichereren Lieferketten", steht in einer Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales in München. Bayern setze sich mit anderen Bundesländern für die Schaffung einer souveränen deutschen Verwaltungs-Cloud ein. Welche anderen Bundesländer hier mit dem Freistaat an einem Strang ziehen, geht aus der Mitteilung nicht hervor.

Das bayerische Digital-Ministerium beteuert indes, alle Länder seien mit an Bord und hätten ein entsprechendes Positionspapier unterzeichnet. Allerdings sei es Sache der Länder, ob sie damit an die Öffentlichkeit gingen oder nicht. Das haben neben Bayern bis dato aber erst wenige getan, beispielsweise das Saarland und Sachsen-Anhalt. Nach einer konzertierten Aktion sieht der Vorstoß in Sachen Verwaltungs-Cloud jedenfalls nicht aus.

Ob sich die Bayern in eine gemeinsame deutsche Verwaltungs-Cloud einklinken oder doch wieder einen Sonderweg einschlagen, ist noch nicht ausgemacht.
Ob sich die Bayern in eine gemeinsame deutsche Verwaltungs-Cloud einklinken oder doch wieder einen Sonderweg einschlagen, ist noch nicht ausgemacht.
Foto: Mikhail_Kayl - shutterstock.com

In dem Positionspapier fordern die Länder den Bund auf, durch eine enge, verbindliche und arbeitsteilige Kooperation das Thema Cloud gemeinsam voranzutreiben und zu steuern. "Es hat oberste Priorität, als Staat handlungsfähig und digital souverän zu bleiben!", steht dort. "Die Schaffung einer digitalen souveränen Verwaltungs-Cloud gehört deshalb aus unserer Sicht zu den vordringlichen Aufgaben der Bund-Länder-Zusammenarbeit im Bereich der Digitalpolitik."

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach erklärt dazu: "Die Bürgerinnen und Bürger sind es inzwischen gewohnt, mal eben per Klick einen Pullover zu kaufen oder eine Reise zu buchen. Diese einfache Nutzung erwarten Sie zunehmend auch von Verwaltungsangeboten. Dem müssen und wollen wir gerecht werden. Dazu braucht aber auch der Staat Zugriff auf eine moderne Cloud-basierte IT-Infrastruktur. Bund und Länder müssen hier am digitalen Puls der Zeit bleiben."

Bund und Länder müssen am digitalen Puls der Zeit bleiben, fordert Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach. Der ist bei Behörden in Deutschland allerdings kaum zu spüren, wie die wachsende Unzufriedenheit mit Online-Diensten der Verwwaltung zeigt.
Bund und Länder müssen am digitalen Puls der Zeit bleiben, fordert Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach. Der ist bei Behörden in Deutschland allerdings kaum zu spüren, wie die wachsende Unzufriedenheit mit Online-Diensten der Verwwaltung zeigt.
Foto: Staatskanzlei Bayern

Dabei gibt es bereits konkrete Pläne für eine deutsche Verwaltungs-Cloud-Strategie seitens des Bundesinnenministeriums und des IT-Planungsrats. In einem Papier vom November 2020 ist die Rede von einer Vielzahl unterschiedlicher Cloud-Lösungen, die bereits in in den verschiedenen föderalen Ebenen von Bund, Länder und Kommunen zum Einsatz kämen. "Aufgrund fehlender StandardisierungStandardisierung in einzelnen Cloud-Architekturschichten sind die bestehenden föderalen Cloud-Lösungen jedoch, wenn überhaupt, nur eingeschränkt in ihrer Zusammenarbeit miteinander vereinbar (Interoperabilität)", heißt es dort. Dies erschwere beispielsweise die Wiederverwendbarkeit von Anwendungen untereinander. Es sei daher erforderlich, gemeinsame Standards für bestehende und zukünftige föderale Cloud-Lösungen zu definieren. Im Grunde genommen geht es damit um Harmonisierung und Standardisierung für ein gemeinsames föderales Cloud-Angebot. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Extrawurst aus Bayern?

Das geht den Bayern und anderen Ländern scheinbar zu weit. Offenbar fürchtet man, das Heft aus der Hand zu geben und sich einer Bundesinitiative unterordnen zu müssen. Zwar begrüße man die grundsätzliche Strategie des Bundes und des IT-Planungsrates, sowohl die Entwicklung nationaler Cloud-Lösungen auf Open-Source Basis voranzutreiben als auch einen definierten Rahmen zur Nutzung von Standard-Cloud-Produkten zu setzen, verweist aber auch auf die eigene digitale Souveränität.

"Digital souveräne Länder müssen eigene Kernkompetenzen erschließen und sie müssen sich die Fähigkeit bewahren, neue Technologien beurteilen und einsetzen zu können, wie zum Beispiel künstliche Intelligenz oder Cloud ComputingCloud Computing", heißt es in der Mitteilung. Dabei könne aber aus fachlichen Gründen auch die Nutzung kommerzieller Public-Cloud-Angebote erforderlich sein. Es brauche den Zugang zu den Hyperscalern. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

Wie die Nutzung von AWS, Google, Microsoft und Co. aussehen könnte, bleibt aber unklar. Zumal hinter der Nutzung von Public-Cloud-Angeboten generell noch ein großes Fragezeichen zu stehen scheint. Es sei zwar absehbar, dass Anwendungen zukünftig vor allem als Cloud-Lösungen angeboten würden, sagt der Bevollmächtigte des Saarlandes für Innovation und Strategie und Landes-CIO Ammar Alkassar, der das Papier eigenen Angaben zufolge maßgeblich mitformuliert hatte. "Gleichzeitig sind die heutigen Public-Cloud Angebote nicht für hoheitliche Aufgaben geeignet", so Alkassar. "Hier sind wir als Landes-CIOs in der Pflicht, Lösungen zu schaffen." Ob gemeinsam oder jeder für sich, steht auf einem anderen Blatt.

Ob sich Bayern und die anderen Länder mit ihrem Wunsch, auch die Hyperscaler zu berücksichtigen, eine Option für digitale Alleingänge offenhalten wollen, bleibt derzeit noch Spekulation. Der europäische Markt sei für Hyperscaler interessant, heißt es in dem Papier. Hier werde ein Wettbewerb um den am besten geeigneten Anbieter entstehen. "Diese Chance wollen wir für uns nutzen." Im Rahmen von klar definierten "Roten Linien" des Bundesamts für Sicherheit in der IT (BSI) solle ein Testbetrieb mit entsprechenden Anbietern erfolgen. Die Länder würden eine entsprechende Plattform, die die Souveränitätsanforderungen sowie die Kriterien des BSI erfülle, als Bestandteil einer Hybrid- oder Multi-Cloud-Strategie einsetzen.

Föderale Gräben überwinden

Mit der Mitteilung setzen das bayerische Staatsministerium für Digitales und die anderen Stabsstellen in den Ländern jedenfalls ein Zeichen. Ende Oktober treffen sich Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen im IT-Planungsrat. Wichtigster Tagesordnungspunkt - die Deutsche Verwaltungs-Cloud-Strategie. Ob es gelingt, bundesweit ein gemeinsames Angebot inklusive einheitlicher Standards zu entwickeln, ist angesichts der Quertreiber aus den Ländern zumindest fraglich.

Dabei dürfte die Überwindung föderaler Gräben zwischen Bund, Ländern und Kommunen der Schlüssel dafür sein, endlich die DigitalisierungDigitalisierung der hiesigen Verwaltung voranzubringen. Um die steht es schlecht in Deutschland. Das hat erst kürzlich der aktuelle E-Government-Monitor der Initiative D21 gezeigt. Demzufolge ist die Zufriedenheit der Deutschen mit den Online-Angeboten der Behörden zuletzt deutlich schlechter geworden. Von einer "zeitgemäßen Verwaltung, die kompetent, schnell und präzise agiert, wie es in dem Positionspapier heißt, ist man derzeit jedenfalls weit entfernt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

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