Bundesländer mit eigener Agenda
Streit um deutsche Verwaltungscloud
"Wir brauchen dringend eine souveräne Verwaltungs-Cloud mit sichereren Lieferketten", steht in einer Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales in München. Bayern setze sich mit anderen Bundesländern für die Schaffung einer souveränen deutschen Verwaltungs-Cloud ein. Welche anderen Bundesländer hier mit dem Freistaat an einem Strang ziehen, geht aus der Mitteilung nicht hervor.
Das bayerische Digital-Ministerium beteuert indes, alle Länder seien mit an Bord und hätten ein entsprechendes Positionspapier unterzeichnet. Allerdings sei es Sache der Länder, ob sie damit an die Öffentlichkeit gingen oder nicht. Das haben neben Bayern bis dato aber erst wenige getan, beispielsweise das Saarland und Sachsen-Anhalt. Nach einer konzertierten Aktion sieht der Vorstoß in Sachen Verwaltungs-Cloud jedenfalls nicht aus.
In dem Positionspapier fordern die Länder den Bund auf, durch eine enge, verbindliche und arbeitsteilige Kooperation das Thema Cloud gemeinsam voranzutreiben und zu steuern. "Es hat oberste Priorität, als Staat handlungsfähig und digital souverän zu bleiben!", steht dort. "Die Schaffung einer digitalen souveränen Verwaltungs-Cloud gehört deshalb aus unserer Sicht zu den vordringlichen Aufgaben der Bund-Länder-Zusammenarbeit im Bereich der Digitalpolitik."
Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach erklärt dazu: "Die Bürgerinnen und Bürger sind es inzwischen gewohnt, mal eben per Klick einen Pullover zu kaufen oder eine Reise zu buchen. Diese einfache Nutzung erwarten Sie zunehmend auch von Verwaltungsangeboten. Dem müssen und wollen wir gerecht werden. Dazu braucht aber auch der Staat Zugriff auf eine moderne Cloud-basierte IT-Infrastruktur. Bund und Länder müssen hier am digitalen Puls der Zeit bleiben."
Dabei gibt es bereits konkrete Pläne für eine deutsche Verwaltungs-Cloud-Strategie seitens des Bundesinnenministeriums und des IT-Planungsrats. In einem Papier vom November 2020 ist die Rede von einer Vielzahl unterschiedlicher Cloud-Lösungen, die bereits in in den verschiedenen föderalen Ebenen von Bund, Länder und Kommunen zum Einsatz kämen. "Aufgrund fehlender StandardisierungStandardisierung in einzelnen Cloud-Architekturschichten sind die bestehenden föderalen Cloud-Lösungen jedoch, wenn überhaupt, nur eingeschränkt in ihrer Zusammenarbeit miteinander vereinbar (Interoperabilität)", heißt es dort. Dies erschwere beispielsweise die Wiederverwendbarkeit von Anwendungen untereinander. Es sei daher erforderlich, gemeinsame Standards für bestehende und zukünftige föderale Cloud-Lösungen zu definieren. Im Grunde genommen geht es damit um Harmonisierung und Standardisierung für ein gemeinsames föderales Cloud-Angebot. Alles zu Standardisierung auf CIO.de
Extrawurst aus Bayern?
Das geht den Bayern und anderen Ländern scheinbar zu weit. Offenbar fürchtet man, das Heft aus der Hand zu geben und sich einer Bundesinitiative unterordnen zu müssen. Zwar begrüße man die grundsätzliche Strategie des Bundes und des IT-Planungsrates, sowohl die Entwicklung nationaler Cloud-Lösungen auf Open-Source Basis voranzutreiben als auch einen definierten Rahmen zur Nutzung von Standard-Cloud-Produkten zu setzen, verweist aber auch auf die eigene digitale Souveränität.
- Denis Alt, CIO von Rheinland-Pfalz
Denis Alt ist neuer Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Der bisherige IT-Chef des Landes, Feodor Ruhose, wird Chef der Staatskanzlei. - Markus Richter, Bundes-CIO
BAMF-Vizepräsident Markus Richter ist Bundes-CIO. Er löste Klaus Vitt ab, der Ende April 2020 in den Ruhestand ging. - Christian Pfromm, CDO von Hamburg
Christian Pfromm ist seit Januar 2018 neuer CDO der Stadt Hamburg Sein genauer Titel lautet: "Chief Digital Officer / Leiter des Amtes für IT und Digitalisierung". Der CDO berichtet an den 1. Bürgermeister der Stadt Hamburg und an den Chef der Senatskanzlei. Zuvor war Pfromm von Juni 2011 bis Dezember 2017 Group CIO der BHF-Bank AG. CIO Jörn Riedel berichtet an ihn. - Bernd Schlömer, Landes-CIO von Sachsen-Anhalt
Bernd Schlömer ist seit Oktober 2021 CIO des Landes Sachsen-Anhalt. Er folgte auf Rüdiger Malter, der das Amt seit April 2020 innehatte. - Hartmut Schubert, CIO in Thüringen
Hartmut Schubert ist seit Dezember 2014 Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium. Der Titel CIO kommt in der „Richtlinie für die Organisation des E-Government und des IT-Einsatzes in der Landesverwaltung des Freistaats Thüringen“ nicht vor. Dennoch erfüllt Schubert, der Beauftragte des Freistaats Thüringen für E-Government und IT, genau die Aufgaben und die Funktion des CIO. Mit dem Kabinettbeschluss der Richtlinie vom 7. Juli 2015 erhält Thüringen deshalb als letztes Bundesland einen Landes-CIO. - Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Sächsischen Staatsregierung (CIO)
Im Januar 2020 ernannte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) CIO Thomas Popp zum Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Staatsregierung (CIO). Popp war bisher Landes-CIO in Sachsen. - Ina-Maria Ulbrich, Staatsekretärin, Mecklenburg-Vorpommern
Ina-Maria Ulbrich ist seit November 2016 Staatsekretärin im neu geschaffenen Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern. Aus "Landesentwicklung" wurde nun "Digitalisierung". Die Juristin wurde 2002 Regierungsrätin und Referentin im Umweltministerium, beim Landkreis Ostvorpommern und im Wirtschaftsministerium. Von 2006 bis 2008 leitete sie das Büros des Ministers für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, von 2008 bis 2011 war Ulbrich Leiterin des Büros des Ministerpräsidenten. Ulbrich vertritt das Land auch im IT-Planungsrat. - Ralf Stettner, CIO in Hessen
Ralf Stettner ist Chief Information Officer und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie (CIO) und folgt damit Patrick Burghardt, der im Januar 2024 das Amt des Oberbürgermeisters von Rüsselsheim übernahm. Stettner hatte von Ende 2018 bis Anfang 2024 die Position des Chief Information Security Officers (CISO) in der hessischen Landesverwaltung inne und war Leiter der Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit und Verwaltungsdigitalisierung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. - Stefan Krebs, CIO in Baden-Württemberg
Seit dem 1. Juli 2015 leitet Stefan Krebs die IT-Geschicke des Landes Baden-Württemberg als Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO/CDO). Der Diplom-Verwaltungswirt kennt sich mit Banken und IT-Sicherheit aus. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Feinplanung für die schrittweise Bündelung der bisher dezentralen IT-Einheiten der Landesverwaltung. - Daniel Sieveke, CIO in Nordrhein-Westfalen
Nachdem Andreas Meyer-Falcke Ende 2023 in den Ruhestand ging, hat Nordrhein-Westfalen nun wieder einen IT-Verantwortlichen. Am 14. Mai 2024 entschied das Landeskabinett, die Funktion des Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) an Daniel Sieveke zu übertragen. - Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Seit Mitte Juli 2013 lenkt Sven Thomsen als CIO des Landes Schleswig-Holstein die Geschicke des Zentralen IT-Management Schleswig-Holstein (ZIT-SH). Im ZIT-SH sind die Aufgaben der ressortübergreifenden IT- und Finanzensteuerung für alle Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologie zentralisiert. Wie auch in Hamburg ist Sven Thomsen nicht Staatssekretär und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Im IT-Planungsrat wird Schleswig-Holstein durch Knud Büchmann, Beauftragter der Landesregierung Schleswig-Holstein für Zentrale IT-, Organisations- und Personalentwicklung vertreten. Seit Mitte 2017 ist Thomsen an das neue Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) angedockt. - Elena Yorgova-Ramanauskas, CIO im Saarland
Elena Yorgova-Ramanauskas, ist seit Juni 2022 Chief Digital Officer (CIO) im Saarland. Seit 2022 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie. - Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern
Die Landtagsabgeordnete und Rechtsanwältin Judith Gerlach (CSU) ist seit November 2018 Staatsministerin für Digitales in Bayern. Das Ministerium wurde neu geschaffen. Das neue Staatsministerium übernimmt die Grundsatzangelegenheiten und die Koordinierung der Digitalisierung Bayerns, die bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt waren. Das Ministerium soll sich außerdem um die strategischen Fragen der digitalen Verwaltung kümmern. - Jörn Riedel, CIO von Hamburg
Seit 2008 hat Hamburg einen CIO. Den Posten hat seitdem Jörn Riedel inne. Angesiedelt ist er bei der Finanzbehörde der Hansestadt. Beim dortigen Amt für Organisation und Zentrale Dienste ist Riedel Abteilungsleiter für E-Government und IT-Steuerung. Anders als in anderen Bundesländern ist CIO Riedel nicht Staatssekretär - und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Hamburg vertritt in dem Bund-Länder-Gremium der Staatsrat der Finanzbehörde, Jens Lattmann. CIO Jörn Riedel verantwortet derzeit gleich mehrere übergreifende IT-Projekte in Hamburg. - Cornelius Everding, CPIO von Brandenburg
In Brandenburg fließen die Fäden in IT-Angelegenheiten nicht bei einem CIO zusammen sondern beim CPIO - dem Chief Process Innovation Officer. Mit dieser Bezeichnung soll die Orientierung an Prozessen betont werden, sagte gegenüber CIO.de Cornelius Everding, der das Amt seit seiner Schaffung im August 2008 innehat. Everding sieht sich nicht als alleine für IT zuständig an, sondern setzt auf einen Dreiklang: Mit dem CPIO kümmern sich um IT-Themen der zentrale IT-Dienstleister von Brandenburg und der sogenannte RIO-Ausschuss, die Runde der Ressort Information Officers. Aktuelles Thema ist das Forschungsprojekt "Stein-Hardenberg 2.0". Der Bund, Hamburg und Berlin, der öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister Dataport und das Potsdamer Institut für E-Government bearbeiten die Frage, wie sich das Gemeinwesen mit modernen Werkzeugen organisieren lässt. Den CPIO hat Brandenburg beim Innenministerium angesiedelt. Amtsinhaber Everding ist nicht Staatssekretär, weshalb er - wie Kollegen aus anderen Ländern - nicht im IT-Planungsrat sitzt. Dort spricht Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb für das Bundesland. - Hans-Henning Lühr, Staatsrat im Bremer Finanzressort
In Bremen ist die CIO-Funktion beim Staatsrat des Finanzressorts angesiedelt, Hans-Henning Lühr. Ihm direkt zugeordnet ist die Stabsstelle "Zentrales IT-Management und E-Government", die von Martin Hagen geleitet wird. Ein aktuelles Projekt der Bremer IT ist der einheitliche "Verwaltungs-PC": Ziel ist eine Standardisierung und die Professionalisierung des IT-Supports über alle Dienststellen hinweg. Im IT-Planungsrat vertritt Lühr Bremen. - Horst Baier, CIO von Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2020 Horst Baier zum IT-Bevollmächtigten ernannt. Formal agiert der 57-Jährige als IT-Bevollmächtigter und leitet die Stabsstelle "Informationstechnik der Landesverwaltung".
"Digital souveräne Länder müssen eigene Kernkompetenzen erschließen und sie müssen sich die Fähigkeit bewahren, neue Technologien beurteilen und einsetzen zu können, wie zum Beispiel künstliche Intelligenz oder Cloud ComputingCloud Computing", heißt es in der Mitteilung. Dabei könne aber aus fachlichen Gründen auch die Nutzung kommerzieller Public-Cloud-Angebote erforderlich sein. Es brauche den Zugang zu den Hyperscalern. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Wie die Nutzung von AWS, Google, Microsoft und Co. aussehen könnte, bleibt aber unklar. Zumal hinter der Nutzung von Public-Cloud-Angeboten generell noch ein großes Fragezeichen zu stehen scheint. Es sei zwar absehbar, dass Anwendungen zukünftig vor allem als Cloud-Lösungen angeboten würden, sagt der Bevollmächtigte des Saarlandes für Innovation und Strategie und Landes-CIO Ammar Alkassar, der das Papier eigenen Angaben zufolge maßgeblich mitformuliert hatte. "Gleichzeitig sind die heutigen Public-Cloud Angebote nicht für hoheitliche Aufgaben geeignet", so Alkassar. "Hier sind wir als Landes-CIOs in der Pflicht, Lösungen zu schaffen." Ob gemeinsam oder jeder für sich, steht auf einem anderen Blatt.
Ob sich Bayern und die anderen Länder mit ihrem Wunsch, auch die Hyperscaler zu berücksichtigen, eine Option für digitale Alleingänge offenhalten wollen, bleibt derzeit noch Spekulation. Der europäische Markt sei für Hyperscaler interessant, heißt es in dem Papier. Hier werde ein Wettbewerb um den am besten geeigneten Anbieter entstehen. "Diese Chance wollen wir für uns nutzen." Im Rahmen von klar definierten "Roten Linien" des Bundesamts für Sicherheit in der IT (BSI) solle ein Testbetrieb mit entsprechenden Anbietern erfolgen. Die Länder würden eine entsprechende Plattform, die die Souveränitätsanforderungen sowie die Kriterien des BSI erfülle, als Bestandteil einer Hybrid- oder Multi-Cloud-Strategie einsetzen.
Föderale Gräben überwinden
Mit der Mitteilung setzen das bayerische Staatsministerium für Digitales und die anderen Stabsstellen in den Ländern jedenfalls ein Zeichen. Ende Oktober treffen sich Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen im IT-Planungsrat. Wichtigster Tagesordnungspunkt - die Deutsche Verwaltungs-Cloud-Strategie. Ob es gelingt, bundesweit ein gemeinsames Angebot inklusive einheitlicher Standards zu entwickeln, ist angesichts der Quertreiber aus den Ländern zumindest fraglich.
Dabei dürfte die Überwindung föderaler Gräben zwischen Bund, Ländern und Kommunen der Schlüssel dafür sein, endlich die DigitalisierungDigitalisierung der hiesigen Verwaltung voranzubringen. Um die steht es schlecht in Deutschland. Das hat erst kürzlich der aktuelle E-Government-Monitor der Initiative D21 gezeigt. Demzufolge ist die Zufriedenheit der Deutschen mit den Online-Angeboten der Behörden zuletzt deutlich schlechter geworden. Von einer "zeitgemäßen Verwaltung, die kompetent, schnell und präzise agiert, wie es in dem Positionspapier heißt, ist man derzeit jedenfalls weit entfernt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de