Business mit Oculus Rift & Co.
Virtual Reality braucht noch Zeit
- Verbindung von Virtual Reality und geschäftlichem Zielen ist Achillesferse
- Potenziale für Stadtplanung, Medizin und Bildung
- Beispiele bei Kellogg’s, New York Times und Six Flags
- Firmen sollten ambitionierten Entwicklern Freiräume geben
Nein, Virtual Reality (VR) ist nicht der nächste große Hype in der IT-Welt. Noch nicht jedenfalls. Das geht recht klar aus einer Studie von Forrester Research hervor. Die Autoren J. P. Gownder und Jeffrey S. Hammond machen dennoch klar, dass sich die Unternehmen jetzt mit Anwendungsszenarien befassen sollten. Was virtuelle Realität im Moment aus Unternehmenssicht ist, wenn eben nicht der nächste Hype, verrät der Titel der Studie: "Virtual Reality: The Next Frontier For Enterprise Developers". Auf der Agenda steht also das Verschieben von Grenzen - nicht gerade eine einfache Herausforderung.
Militär hielt immer an Virtual Reality fest
"VR hat ein großes Potenzial, die Verbindung von Unternehmen mit ihren Kunden umzugestalten", heißt es in der Studie. Dabei gehe es keineswegs nur um trendige Spiele und eindringliche Erlebniswelten, sondern um neue Wege ins Gehirn der Kunden. Forrester erinnert daran, dass die Geschichte von VR in den 1990er-Jahren sozusagen mit einem Fehlstart begonnen habe. Die früheren Hardware-Probleme seien mittlerweile überwunden, was sich beispielsweise am Preis-Leistungsverhältnis des seit Januar erhältlichen Display-Systems Oculus Rift zeige.
Es habe gute Gründe, warum zwar der Massenmarkt VR zwischenzeitlich vergessen habe, aber das Militär niemals, so die Autoren weiter. Denn anders als mit Flachbildschirmen lasse sich zum Beispiel Flugangst mittels VR effektiv bekämpfen. Auch zivile Praxisbeispiele zählt die Studie in Fülle auf. Zum Beispiel die in Wisconsin ansässige Firma Arch Virtual, die dreidimensionale Umwelten für Bildung, Medizin, Architektur, Stadtplanung und Enterprise Apps entwickelt. Anwendungsfelder für die Technologie gibt es also zu Genüge.
Enormer Stromverbrauch
Dennoch benötigt VR noch Zeit, um zu wachsen und zu reifen. "Entwicklungschefs sollten aufpassen, die Nachfrage nach VR in naher Zukunft nicht zu überschätzen", warnt Forrester. Ein Grund dafür ist laut Studie, dass die benötigte Hardware in den kommenden Jahren keine kritische Masse erreichen wird. Um überzeugende grafische und räumliche Eindrücke zu erzeugen, ist derzeit noch ein enormer Stromverbrauch nötig. Zudem bewegt sich der Markt von einer äußerst niedrigen Basis aus.
- Oculus-Rift
Die spezielle VR-Brille in Kombination mit Sound über Kopfhörer schirmt den Betrachter der virtuellen Welt komplett von der realen Umgebung ab. Die virtuelle Welt lässt sich rundum im 360-Grad-Blickwinkel erkunden und der Anwender kann mit ihr interagieren. - HTC Vive
Gemeinsam mit dem Software-Unternehmen Valve entwickelte HTC die VR-Brille HTC Vive. Obwohl Valve ein Unternehmen für Spiele-Software ist, strebt HTC den Einsatz der Brille auch im geschäftlichen Bereich an, etwa im medizinischen Umfeld und in der Automobilbranche. - Oculus-Rift
Die VR-Brille Oculus Rift entwickelte die Firma Oculus VR. Sie gilt allgemein als der Pionier unter den Herstellern von VR-Brillen. Nachdem das erste Entwickler-Modell im Jahr 2013 vorgestellt wurde, ist die endgültige Version seit März dieses Jahr für den Endverbraucher verfügbar. Die Brille gibt es unter den Bezeichnungen Oculus Rift für den Anschluss an einen PC und Oculus Gear zur Verwendung mit einem Samsung-Smartphone. - Samsung Gear-VR
Diese Samsung VR-Brille entstand in Zusammenarbeit mit Oculus VR. Bis heute wurden mehrere Versionen vorgestellt. Sie ist ausschließlich für Smartphones der Modelle Samsung Galaxy Note 4, Galaxy S6, Galaxy S6 Edge (+) und Note 5 zu verwenden. Auch die Software der Brille stammt von der Firma Oculus VR. - Microsoft HoloLens
Die Brille von Microsoft wird für Augmented Reality im privaten und industriellen Einsatz entwickelt. Die bisher gezeigten Anwendungen sind spektakulär. - Google Cardboard
Eine der einfachsten VR-Brillen, aber eine geniale Idee, um preiswert und schnell in die VR-Welt einzutauchen. Für rund 20 Euro erhält man ein Stück Pappe, aus dem nach Faltanleitung eine VR-Brille entsteht, und ein optisches Linsensystem aus Plastik. Die Cardboardbrille ist ausschließlich für Smartphones als Display geeignet. Dazu wird das Smartphone in die Pappbrille eingeschoben und die gewünschte VR-App gestartet.
Virtual Reality bei Kellogg's und Six Flags
Wichtiger noch: Die Herangehensweise der Anwender an das Thema ist nach Einschätzung der Analysten noch experimentell, die Geschäftsmodelle wirken unreif. Skeptisch äußern sich die Autoren etwa über eine VR-App von Kellogg's, die die User zum gemeinsamen Frühstücksflockenmahl mit Pharaonin Kleopatra ins alte Ägypten entführt. Überzeugender findet Forrester den Ansatz der Freizeitpark-Kette Six Flags, Achterbahnfahrten scheinbar auf Drachenrücken oder im Weltall stattfinden zu lassen. Dennoch urteilen Gownder und Hammond: "Nur wenige Unternehmen haben bisher eine Verbindung von VR und den geschäftlichen Zielen gefunden."
Aktivitäten von Facebook und HTC
Dass aber noch Zeit zur Reife nötig ist, bedeutet nicht, dass das Ringen um profitable Einsatzszenarien nicht schon längst läuft. So hat Facebook 2600 Software-Entwickler jeweils mit 700 US-Dollar teuren Samsung-VR-Geräten ausgerüstet, für die Apps benötigt werden. HTC marschiert laut Forrester an der Spitze eines 100 Millionen Dollar schweren Startup-Beschleunigungs-Fonds, der für VR-Apps und Content-Umwelten sorgen soll.
- Zeiss VR One
Die Carl Zeiss AG ist vor allem für ihre High-End-Linsentechnik bekannt. Mit dem VR One Headset will man sich nun ein Stück vom VR-Kuchen sichern. Das Plastik-Gehäuse des Headsets nimmt viele verschiedene iOS- und Android-Smartphones auf und ist angenehm leicht zu tragen. Design und Linsen sind von hoher Qualität und die VR One ist auch für Brillenträger angenehm zu tragen. Ein spezielles Belüftungssystem verhindert, dass die Gläser im Inneren des Devices beschlagen, ein transparenter Visor soll sicherstellen, dass das VR One auch mit Augmented-Reality-Apps funktioniert. - Google Cardboard
Googles Cardboard (und seine zahlreichen Verwandten von anderen Herstellern) machen iOS- und Android-Smartphones zu Virtual-Reality-Maschinen. Dabei richtet sich Cardboard in erster Linie an VR-Einsteiger, die sehen wollen, ob der ganze Hype überhaupt gerechtfertigt ist. Für Cardboard stehen zahlreiche Anwendungen und Spiele zur Verfügung. Das Resultat ist eine minimalistische Basis-Erfahrung in Sachen virtuelle Realität. Wichtig ist dabei: Cardboard ist nur so gut wie das Smartphone, das "drin" steckt - je höher also die Auflösung des Devices, desto besser das Erlebnis. - Merge VR
Das Merge VR-Headset ist nur schwer zu übersehen. Das liegt aber nicht nur am purpurnen Design-Kleid. Das extrem leichte Set ist sehr angenehm zu tragen und mit so gut wie jedem halbwegs aktuellen Android- und iOS-Smartphone kompatibel. Einstellbare Linsen, Belüftungssystem, Audio Ports und AR-App-Unterstützung runden das Paket ab. - Homido
Homido ist eine relativ neue, Cardboard-kompatible VR-Brille, die sich ebenfalls durch ein angenehm geringes Gewicht auszeichnet. Daneben ist sie mit so gut wie allen Smartphones kompatibel. Homido soll dank 3D-Support seine Nutzer in beeindruckende 360-Grad-Umgebungen portieren. - Noon VR
Die Noon VR-Brille von Nextcore funktioniert mit Smartphones, die über einen Screen von 4,7 bis 5,7 Zoll verfügen. Eine native VR-App (Android, iOS) lässt Nutzer 3D- und 360-Grad-Umgebungen erleben - dazu gibt es Features wie Head- und Eye-Tracking oder Gestensteuerung. Eine Plattform für user-generated content entsteht in Kooperation mit Koom VR. - Freefly VR
Das VR-Headset Freefly VR richtet sich momentan ausschließlich an Besitzer der iPhone-Generationen 6 und 6S. Auch mit einem neueren Android-Smartphone hat man gute Karten. Das Design wurde so verwirklicht, dass sowohl das Smartphone sicher "verstaut" ist, als auch externe Lichtquellen ausgeschlossen werden. Im Lieferumfang ist sogar ein Bluetooth-Controller enthalten. - Mattel View-Master VR
Auch Spielzeug-Riese Mattel hat ein Virtual-Reality-Headset in petto. Der View-Master VR ist auf Basis des Google-Cardboard-Framework entstanden. Mit der zugehörigen App lassen sich fertige VR-Welten erkunden, auch Augmented Reality ist mit dem Mattel-Headset erlebbar. - Samsung Gear VR
Wer ein Samsung Galaxy Note 5, ein S6, S6 Edge oder S6 Edge+ sein eigen nennt, kann mit der Gear VR postwendend in die virtuelle Realität abtauchen. Die Technik im Inneren stammt zwar von Samsung, Software und Betriebssystem kommen allerdings von Oculus, denn das zu Facebook gehörende Unternehmen hat mit den Koreanern kooperiert. Das hat einen weiteren Vorteil: Wenn Oculus Rift an den Start geht, werden sämtliche Anwendungen auch auf der Gear VR laufen. - Oculus Rift
Das wohl berühmteste VR-Device kommt von Facebook-Tochter Oculus und heißt Rift. Die vermutlich ab Mitte 2016 erhältliche Virtual-Reality-Brille wird eine Auflösung von 2160 x 1200 Pixeln, ein Sichtfeld von 110 Grad und Sensoren für Head-Tracking bieten. Ebenfalls im Lieferumfang enthalten: ein Xbox One-Controller. Später soll ein Touch-Controller von Oculus für eine natürlichere, intuitive Bedienung sorgen. - HTC Vive
HTCs Vive ist in Kooperation mit den Gaming-Spezialisten von Valve entwickelt worden. Das Ganze läuft entsprechend auch über Valves SteamVR-Plattform. Das Headset funktioniert nur im Zusammenspiel mit einem PC. Die eingebauten Kameras tasten die Umgebung per Laser ab und sollen jeden Raum in die virtuelle Welt übertragen. - Sony PlayStation VR
Einst als Project Morpheus gestartet, soll PlayStation VR künftig die ganze Welt des Gamings in die virtuelle Realität überführen. Mit einem 5,7-Zoll-OLED-Display, 100-Grad-Sichtfeld, Head-Tracking und einer Latenz von nur 18 Millisekunden wollen die Japaner die Gamer-Gemeinschaft auf VR-Linie bringen. Sonys VR-Headset wird zunächst nur im Zusammenspiel mit der PlayStation 4 funktionieren.
Wer sich ins VR-Feld begibt, ist in jedem Fall mit einer Reihe von Entscheidungen konfrontiert. So hat man die Wahl, ob man mit virtuellen Welten auf Basis von Vorlagen aus der echten Welt arbeiten will oder ob sie komplett neu vom Computer generiert sein sollen. Letzteres, so Forrester, ist aber zweieinhalbmal so teuer. Zu bedenken ist auch, dass die User womöglich nicht nur schauen, sondern aktiv partizipieren wollen.
Noch keine Standardplattform für Entwickler
Die Analysten weisen weiter darauf hin, dass Entwickler sich im VR-Bereich auf die Arbeit mit nicht vertrauten Medien und Tool Sets einrichten müssen. So gibt es bis jetzt keine Standardplattform, weshalb viele sich für die Arbeit mit Unity oder Unreal Engine entscheiden - klangvolle Namen in der Welt der Computerspiele, aber nicht unbedingt in jener der Unternehmenssoftware. Es gibt auch kein "single center of gravity", weshalb häufig der Anschluss an Open Source-Communites gesucht wird. Best Practices gibt es nur wenige, physische Test sind auf jeden Fall unumgänglich.
Beispiel New York Times
Aus Anwendersicht ist wichtig zu klären, ob man Kundenmassen erreichen will oder besonders tiefe User-Erlebnisse anbieten möchte. Für die Massenvariante führt Forrester als Beispiel die New York Times an. Die Zeitung gab ihren Lesern Google Cardboards als Präsente, um VR-Erlebnisse zum Thema Syrien zu vermitteln. Gear VR von Samsung oder Google-VR-Lösungen eignen sich für derartige Ansätze, anders als teure Lösungen wie Oculus Rift oder HTC Vive.
Vom Business - beispielsweise vom Marketing - ist laut Studie festzulegen, ob man in den VR-Bereich "kriechen, gehen oder laufen" will. Business-Alignment und eine klare Vision sind Voraussetzungen für Projekte in diesem Feld. In jedem Fall sollte man ambitionierte Entwickler zu Spielereien mit VR-Entwicklungstools animieren, rät Forrester.
VR-Hardware in Test- und Innovationslabors integrieren
Überdies empfehlen die Analysten, VR-Hardware in die Test- und Innovationslabors zu integrieren und den Entwicklern - durchaus im wörtlichen Sinne - Platz für Experimente zu geben. Die internen Rollen-Definitionen von Entwicklern und Designern sollten die Rekrutierung von Spezialisten mit VR-Skills erlauben.
"Wir raten dem Gros der Enterprise Development Shops, den Lernprozess mit einfachen, punktgenauen, Real World-Videoerfassungsexperimenten zu beginnen und von dieser Basis größere Herausforderungen in Angriff zu nehmen", konstatieren die Autoren.