Time to say goodbye
Wann CIOs kündigen sollten
Der Arbeitsmarkt ist seit Jahren in Bewegung und die Zahl der Arbeitnehmer, die ihre Stelle wechseln, hat neue Rekorde erreicht. Auch viele CIOs haben zuletzt ihren Arbeitgeber gewechselt. In seiner Umfrage zum Global Leadership Monitor 2022 berichtet das Personalberatungsunternehmen Russell Reynolds Associates, dass 56 Prozent der Führungskräfte im Technologiebereich im vergangenen Jahr bei einem andere Unternehmen angeheuert haben. Das sind mehr als in den Management-Etagen der Bereiche Finanzen, Personal, Recht, Risiko und Compliance und Operations.
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Dieselbe Umfrage ergab zudem, dass die Hälfte aller IT-Führungskräfte, zu denen neben CIOs auch CTOs, CISOs und Chief Digital Officer gehören, bereit sind, bei der passenden Gelegenheit den Brötchengeber zu wechseln. Die Hälfte dieser Gruppe wiederum äußerte darüber hinaus "den starken Wunsch, ihren derzeitigen Arbeitgeber zu verlassen".
Anzeichen für eine Kündigung
Woran erkennen CIOs, dass es Zeit für einen Wechsel ist - insbesondere, wenn es keine wirklichen Probleme gibt, die sie zu einer Kündigung veranlassen? "Jobs haben oft ein natürliches Ende", berichtet Trevor Schulze, der 2021 CIO des Softwareunternehmens Alteryx wurde, nachdem er drei Jahre lang Senior Vice President und CIO beim kalifornischen ITK-Anbieter RingCentral war.
- Wer bietet mehr?
Wenn Sie Wind davon bekommen, dass Ihre Firma verkauft, integriert oder von einem Wettbewerber übernommen werden soll, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass Entlassungen anstehen. Das gilt insbesondere, wenn das Unternehmen, das ihre Firma kauft, eine ähnliche Struktur wie ihre bisherige aufweist oder es bereits bestehende Positionen im neuen Unternehmen gibt, die sich nach der Übernahme doppeln würden. - Ende im Gelände
Wenn Sie nach dem letzten Geschäftsjahr eher mediokere Leistungsbeurteilungen erhalten haben und sich diesbezüglich auch keinerlei Verbesserung Ihrer Situation abzeichnet, sollten die Alarmglocken schrillen, wie Andrew Ysasi betont: "Wenn Ihr Vorgesetzter Sie nach zusätzlichen Unterlagen über Projekte oder Initiativen fragt, die nicht besonders gut gelaufen sind oder zunehmend ihre Anwesenheits- und Arbeitszeiten dokumentiert, ist es wahrscheinlich, dass man bereits Vorkehrungen für den Fall Ihrer Entlassung trifft." - Weniger ist nicht immer mehr
Wenn Sie eine andere Tätigkeit mit geringerem Verdienst abgelehnt haben, Ihre Hauptverantwortlichkeiten sich aber dennoch geändert haben, Privilegien gestrichen und Urlaubsanträge abgelehnt werden, könnte es durchaus Zeit sein, den Lebenslauf zu updaten und sich nach einem neuen Job umzusehen. Ihr Unternehmen könnte sich nämlich tatsächlich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. - Glückwunsch zur Beförderung. Nicht.
Wenn Sie urplötzlich mit einem tollen, neuen Jobtitel ausgestattet sind und mehr Verantwortung übernehmen sollen, das Ganze aber ohne Gehaltsanpassung von statten geht, sollten Sie vorsichtig sein, so Ysasi: "Das Unternehmen immer mehr mit immer weniger Einsatz erreichen wollen, ist bekannt. Manche Firmen ergehen sich allerdings darin, ihre Mitarbeiter (und deren Produktivität) so richtig auszupressen - obwohl Sie längst wissen, dass das Schiff sinkt." - Wohin?
Wenn Ihr Vorgesetzter von Bewerbungsgesprächen erzählt oder in aller Öffentlichkeit davon spricht, einen neuen Job zu suchen, dann...naja, dann ist es höchste Zeit dem neonfarbenen Exit-Schild zu folgen. - Kommen und Gehen
Haben Sie festgestellt, dass die Fluktuation in Ihrem Unternehmen, der eines städtischen U-Bahnhofs zur Rush Hour sehr nahe kommt? Dann könnte das ein Anzeichen dafür sein, dass Ihre Firma versagt. Langsam, aber sicher. - Wer ist DER denn?
Ihr neuer Chef natürlich! Wenn die Struktur des Managements geprägt ist von stetem Bäumchen-wechsel-dich-Schindluder, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass verschiedene Ansätze "durchprobiert" werden, um das Unternehmen irgendwie über Wasser zu halten. Klar, es besteht eine Chance, dass einer der Kandidaten auf dem heißen Stuhl die Zauberformel für Erfolg entdeckt, aber vielleicht sollten Sie dieses Risiko nicht eingehen. Wenn es nach Andrew Ysasi geht, sollten Sie sich stattdessen lieber nach einem neuen Job in einem stabileren Unternehmen umsehen. - Sie ziehen um?
Wenn Sie bereits seit mehreren Monaten von Büro zu Büro "geschoben" werden und das auch noch öfter der Fall ist, als bei allen anderen, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Denn beim nächsten Auszug könnte kein neues Büro, sondern ein One-Way-Ticket in Richtung Arbeitsagentur warten.
Eigenen Angaben zufolge verfolgt Schulze gezielte Strategien, um zu erkennen, wann ein Wechsel ansteht. Er überlegte sich genau, was er beruflich machen möchte, und räumt ein, dass er "eine Leidenschaft für das Aufbauen" hat. Daher suche er nach Positionen in Unternehmen, für die er sich begeistern kann und die sich verändern wollen.
Der Montagmorgen-Test
Selbst wenn sich Schulze in einer Position befindet, die seine beruflichen Kriterien erfüllt, achtet der CIO auf Anzeichen dafür, dass es an der Zeit ist, das Unternehmen zu verlassen. Hier kann der "Montagmorgen-Test" ein Indikator sein, um diese Entscheidung zu treffen. "Ich bin ehrlich zu mir, wenn ich mich frage: Bin ich am Montagmorgen energiegeladen oder ausgelaugt? Bin ich in meiner Rolle erfüllt? Erfüllt bedeutet für mich, dass ich lerne und wachse - oder bin ich an eine Grenze gestoßen?"
Schulze entwickelte diesen Lackmustest schon früh in seiner KarriereKarriere, als er an einem Montag nach einer besonders harten Zeit sein Büro betrat: Er und seine Kollegen standen plötzlich vor der Herausforderung, einige überraschende Probleme zu lösen. "Ich testete mich also selbst, indem ich mich fragte: Möchte ich das wirklich tun?" Er sei sich damals jedoch sicher gewesen: "Ich wollte eine Veränderung bewirken, und ich sah spannende Aufgaben vor mir." Alles zu Karriere auf CIO.de
Wenn der Headhunter anfragt
Seitdem nutzt Schulze diese Methode, um zu entscheiden, ob er in seiner aktuellen Position bleiben möchte - eine Praxis, die besonders hilfreich ist, wenn er von Headhuntern angesprochen wird. "Es liegt in der menschlichen Natur, dass man etwas, das einem angeboten wird, unbedingt haben möchte. Aber wenn man in einem guten Unternehmen gute Arbeit leistet und etwas verändern kann, ist das eine großartige Aufgabe, die ich gerne leiste", sagt er. "IT-Manager werden ständig mit neuen Möglichkeiten konfrontiert, und ich bin da keine Ausnahme. Aber wenn ich immer noch die Agenda meines aktuellen Unternehmens vorantreiben möchte, dann sage ich: 'Nein danke'."
- Genau prüfen
Ein guter Personalberater will nicht nur einen Abschluss, sondern eine gute Betreuung von Auftraggeber und Kandidat. Dies zeigt sich daran, wie transparent der Suchprozess ist, ob auch kritische Aspekte angesprochen werden und ob die Interessen des Kandidaten ein wichtiger Bestandteil der Gespräche sind. - Gelassen bleiben
Wenn der Anruf mit dem Jobangebot dann kommt, ist Ruhe Trumpf. Fragen nach dem Namen der suchenden Firma oder dem Gehalt sind im Erstgespräch tabu. Lieber um eine anonymisierte Stellenbeschreibung und etwas Bedenkzeit bitten. Bei Interesse Lebenslauf schicken und schon mal über geeignete Referenzgeber nachdenken. Wichtig ist, dass der Headhunter auch wirklich ein exklusives Mandat für die Suche hat. - Souverän auftreten
Gespräche mit der Zielfirma sollten sorgfältig vorbereitet werden. Geschickter als einfach Fragen zu beantworten ist es, eigene Impulse zu setzen und zu erklären, welche Akzente man im Erfolgsfall im neuen Job setzen möchte. Vorsicht: Auch hier sind die Unterschiede zwischen einzelnen Headhuntern groß. Ein seriöser Personalberater wird seine Kandidaten intensiv auf anstehende Gespräche vorbereiten und auch ausloten, ob das Angebot zu ihren langfristigen Karriere-Zielen passt. - Früh anfangen
Wer aufsteigen will, sollte nicht warten, bis ihn ein Headhunter anruft. Es lohnt sich, früh selbst Kontakte zu Personalberatern zu knüpfen - spätestens ab Mitte 30. - Klug auswählen
Einen Standardlebenslauf an möglichst viele Adressen zu senden ist ungeschickt und wirkt austauschbar. Deshalb gut überlegen, welche Personalberatung über die nötige Expertise und Vernetzung in der jeweiligen Branche verfügt. Der Erstkontakt kommt idealerweise durch persönliche Empfehlung zustande. Auch die Unterstützung bei anderen Suchen - durch Einschätzungen oder Referenzen - ist ein guter Türöffner.
Die Sollbruchstellen
Andererseits gab es auch Zeiten, in denen Schulzes Antwort auf diese Testfrage anders ausgefallen ist. Der Knackpunkt? "Wenn man an vielen Montagmorgen das Gefühl hat, dass man den Job nicht mehr machen will."
Lesertipp: "Warum der CIO in den Vorstand muss"
Tatsächlich können viele Umstände einen CIO dazu veranlassen, das Unternehmen zu wechseln: Manchmal werden sie hinausgedrängt, etwa wenn sie von Strategiesitzungen ausgeschlossen oder für spezielle Projekte abgestellt werden. In solchen Fällen können die meisten CIOs die Zeichen der Zeit erkennen. Sie wissen intuitiv, dass es an der Zeit ist, mal wieder über den Arbeitsmarkt zu bummeln.
Ein Gefühl für die Zwischentöne
Erfahrene CIOs, Berater und Personalvermittler verweisen jedoch darauf, dass es einiger Selbstreflektion und präziser Beobachtungsgabe bedarf, um die Zwischentöne zu bemerken. So erkennen einige CIOs den Zeitpunkt für einen Ausstieg daran, dass sie Elemente in der IT oder der Organisation umgestalten, die sie schon mindestens einmal in ihrer Karriere bearbeitet haben.
"Manche CIOs können noch einmal von vorne anfangen, doch vermutlich werden noch mehr CIOs sagen: 'Ich habe die Aufgabe bereits erledigt, und ich hatte einen guten Lauf.' Wenn jemand eine Transformation erfolgreich absolviert hat, will er vielleicht das gleiche Projekt nicht noch einmal wiederholen", sagt John-Claude Hesketh, CEO des Führungskräftevermittlers Marlin Hawk.
Ein Abgang in Würde
Um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen, braucht man Zeit und Achtsamkeit. "Es gibt kein klares 'Das war's, das ist passiert, das ist der Dreh- und Angelpunkt, es ist Zeit zu gehen'", berichtet Kristen Lamoreaux. Die Präsidentin und CEO von Lamoreaux Search habe viele CIOs gesehen, die sich für einen würdevollen Abgang entschieden haben Sie verließen das Unternehmen, solange sie in ihrer Rolle noch effektiv tätig waren. In vielen Fällen, so Lamoreaux, erkennen CIOs, dass sich die Rolle oder der Auftrag des Unternehmens in einer Weise verändert, die sie nicht gutheißen oder für die sie nicht geeignet sind.
Ausgebremst und abgenutzt
Ein CIO, der sich durch den Fokus auf Wachstum auszeichnet, erkennt bisweilen, dass das Unternehmen und damit auch die IT-Abteilung in den Wartungsmodus oder ein Effizienzprogramm wechselt. Wenn er sich seiner Stärken und Interessen bewusst ist, kann er dies als einen guten Zeitpunkt interpretieren, sich nach einer neuen Aufgabe umzusehen. "Sie wissen intuitiv, dass es nicht mehr zusammenpasst", sagt Lamoreaux. So hätten ihr einige CIOs gesagt, dass sie die Notwendigkeit eines Wechsels erkannt haben, als sie sich in ihrer Rolle eher ausgebremst und abgenutzt als motiviert fühlten.
Zeichen für den Ausstieg festlegen
Wieder andere CIOs beschließen, das Unternehmen zu verlassen, sobald sie ihre Ziele erreicht haben und es gut läuft, berichtet Lamoreaux. "Sobald Sie zu der Einschätzung kommen, dass Sie den Status quo nicht übertreffen werden, ist es vielleicht an der Zeit, sich umzusehen."
Raj Iyer verfolgte einen ähnlichen Ansatz, als es um seine Position als CIO für die US-Armee ging. Iyer nahm diesen Posten Ende 2020 an, nachdem er fast sechs Jahre bei Deloitte Consulting als Top-Manager für Public Services gearbeitet hatte. Er habe dies jedoch mit dem Wissen getan, dass er nicht den Rest seiner Karriere dort verbringen werde.
Lesetipp: "Aufstieg vom Manager zum Vorstand"
Iyer zufolge habe er die Position mit einem Transformationsauftrag übernommen. Dafür musste er "jeden Tag 200 Prozent leisten", um eine zukunftsfähige Organisation zu schaffen, die er in seiner Strategie zur digitalen Transformation der Armee skizziert hatte. Der CIO legte Ziele und Termine fest, um alle zu motivieren, die Arbeit schnell und pünktlich zu erledigen. Er setzte sich auch selbst eine Frist von drei Jahren, um die Ziele zu erreichen, die er festgelegt hatte - und dann auszusteigen.
Vom Change Agent zum Status quo
"Ich wusste, dass ich ein Gefühl der Dringlichkeit vermitteln musste. Um das zu erreichen, setzte ich mir selbst zeitliche Grenzen. Nur so konnte ich alle zu einem schnelleren Tempo anspornen, als sie es gewohnt waren," sagt Iyer. Es sei für die Armee umso besser, je früher er sich aus dem Job herausgearbeitet hätte.
"Wenn man eine transformative Führungspersönlichkeit und ein Change Agent sein will, hat man eine gewisse Lebenszeit," sagt der IT-Manager. Man könne als Außenstehender kommen, den Status quo in Frage stellen und Veränderungen vornehmen. "Aber je länger man bleibt, desto mehr wird man selbst zum Status quo, und dann muss jemand anderes einspringen," resümiert er. Iyer definierte seinen Zeitpunkt für den Tag, "an dem wir eine kritische Masse erreichen und eine unumkehrbare Dynamik aufbauen - dann wird es Zeit für mich, zu gehen".
Der Manager trat im März 2023 als CIO der Armee zurück und wechselte zu ServiceNow als Leiter des Bereichs Global Public Sector. In seiner neuen Rolle habe er sich keine Fristen gesetzt, denn seine Arbeit sowie der Sinn für Dringlichkeit bei ServiceNow seien anders als in der Armee. Er bleibe, "solange ich mich selbst herausfordere und in einer Position bin, in der ich lernen und wachsen und in einem größeren Rahmen arbeiten kann als zuvor".
Mehr Herausforderungen
Der Wunsch nach Wachstum ist eine häufige Aussage unter CIOs, wenn sie über ihre Karriereentscheidungen sprechen. Dies trifft auch auf Mojgan Lefebvre zu in ihrer drei Jahrzehnte währenden Karriere in der Technologiebranche.
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Lefebvre war in vier Unternehmen als CIO tätig und erklärt rückblickend, dass sie sich trotz aller positiven Aspekte dazu entschlossen hat, jede der Positionen zu verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. "Ich wusste, dass ich bereit war, mich zu verändern", sagt sie. Diese Entscheidungen seien, wenn auch kalkuliert, so doch nicht einfach zu treffen gewesen.
Auf zu neuen Ufern
Als Beispiel verweist nennt sie , dass sie 2010 von ihrer Stelle als Corporate Vice President und Global CIO des französischen Unternehmens bioMerieux in die Position der CIO of Commercial Insurance Business bei Liberty Mutual Insurance wechselte. "Das war eine schwere Entscheidung für mich." Sie musste abwägen zwischen dem, was sie bekam, und dem, was sie aufgab. Zumal sie die IT-Abteilung eines Geschäftsbereichs leiten würde, der zwar größer war als bioMerieux, in dem sie aber nicht mehr an einen CEO, sondern an den globalen CIO von Liberty Mutual berichten würde.
Lefebvre entschied sich, bioMerieux zu verlassen, nachdem ihr ein Mentor geraten hatte, dass der Wechsel zu Liberty Mutual "der beste Schritt ist, den du machen kannst", wenn sie eines Tages CIO eines großen Unternehmens werden wolle. Tatsächlich habe dieser Wechsel sie auf den Weg zu Travelers gebracht hat. Sie verließ 2018 nach acht Jahren ihre Position bei Liberty Mutual, um CIO bei Travelers zu werden. Heute ist sie Executive Vice President und Chief Technology and Operations Officer der Versicherung. (ajf/jd)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.