Keine Angst vor ChatGPT & Co.
Welche Fähigkeiten KI nicht ersetzen kann
Kajetan von Armansperg ist Mitgründer und Geschäftsführer von Leapsome, Anbieter einer intelligenten Plattform für Personalentwicklung.
Die Chancen und Risiken von KI-Lösungen wie ChatGPT und Bard werden in der deutschen Wirtschaft momentan eingehend diskutiert. Erst kürzlich belegte eine Studie von Goldman Sachs, dass KI-Tools 300 Millionen Arbeitsplätze gefährden. Bei Arbeitnehmenden sorgen solche Zahlen für Ungewissheit und Sorge um ihre Jobsicherheit. Sicher ist, dass sich der Arbeitsmarkt durch die Erschließung neuer Anwendungsbereiche für künstliche Intelligenz (KIKI) nachhaltig verändern wird. Doch die Angst vor KI ist nicht in allen Bereichen begründet, denn bestimmte menschliche Eigenschaften kann die KI auf absehbare Zeit vermutlich nicht ersetzen. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de
Wo KI den Menschen noch wichtiger macht
Arbeitgeber:innen sind gefordert, die Sorgen ihrer Belegschaft ernst zu nehmen. Dazu müssen sie sich selbst, ihr Unternehmen und ihre Mitarbeitenden auf das KI-Zeitalter vorbereiten. Das gelingt, indem sie in die folgenden vier Bereiche investieren.
1. Kreativität und Innovationskraft
KI erkennt Muster und Trends. Erst kürzlich entdeckten Forscher der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und der Universitätin Essex in einer Preprint-Studie, dass die Kreativität der KI der des Menschen kaum nachsteht. Im Bereich Copywriting zum Beispiel erzielen KI-unterstützte Programme bereits jetzt gute Ergebnisse.
Dennoch gilt es zu differenzieren: Um kreativ zu werden, benötigt die KI einen von Menschen gegebenen Impuls. Menschen hingegen haben eine emotionale Gefühlswelt und individuelle intrinsische Motivatoren, die sie zu kreativen Leistungen anspornen. Mitarbeitende des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz untersuchten verschiedene Arten der Kreativität: Als Little-C bezeichnen sie die Fähigkeit, Alltagsprobleme kreativ zu lösen.
Als Big-C sehen sie die Erschaffung von etwas ganz Neuem, das die Gesellschaft beeinflusst. Big-C - zu diesem Ergebnis kamen die Forschenden - kann nicht ohne menschlichen Einfluss stattfinden, da KI-Programme nicht über die Gefühlswelt des Menschen verfügen. Und jene Gefühlswelt ist die Voraussetzung, um Neues zu erschaffen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Mitarbeitenden vermehrt in Design- und Creative Thinking fördern sollten, um ihre Vorstellungskraft zu stärken und unkonventionelle und innovative Ideen zu fördern.
2. Kritisches Denken
KI ist menschlicher Intelligenz zwar sehr ähnlich und analysiert vorliegende Datensätze schneller und effektiver als Menschen, doch kritisches Denken meistert sie noch nicht. Menschen hinterfragen, sind kritisch und intuitiv. Das menschliche Denkvermögen entsteht durch das Zusammenspiel von Informationsverarbeitung, Reflexion und der Beurteilung mithilfe emotionaler Intelligenz. Besonders wichtig wird kritisches Denken im Bezug auf KI, wenn es darum geht, deren Resultate zu analysieren. Um diese Fähigkeit zu stärken, müssen Führungskräfte ihre Mitarbeitenden gezielt darin schulen, Informationen kritisch zu hinterfragen und bei der Entscheidungsfindung sowohl anerkannte Fakten als auch ihre persönliche Erfahrung und Intuition einfließen zu lassen.
Doch auch hier kann künstliche Intelligenz uns unterstützen:
KI-basierte Lernprogramme und Simulationen schulen Teilnehmende darin, anspruchsvolle Probleme zu lösen.
KI-Tools können dabei helfen, unsere reflektierten Gedanken präziser auszudrücken. Praktische Anwendung findet dies zum Beispiel bereits in Feedback-Software mit KI-gestützten Schreibassistenten.
KI kann Datenanalyseprozesse automatisieren. So werden zeitaufwändige Aufgaben, wie Datensäuberung, -transformation und -visualisierung effizienter, was menschlichen Analysten routinemäßige Arbeiten abnimmt und ihnen mehr Zeit gibt, sich auf komplexere Analysen und strategische Entscheidungen zu konzentrieren.
3. Emotionale Intelligenz
Emotionale Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, sowohl eigene als auch fremde Emotionen wahrzunehmen und nachzuvollziehen. Die daraus resultierende menschliche Eigenschaft bezeichnet man als Empathie. KI kann Empathie in dieser Form aktuell noch nicht replizieren.
Als Schlüsselkomponente für effektive Zusammenarbeit, zwischenmenschliche Beziehungen und eine positive Kommunikation am Arbeitsplatz ist emotionale Intelligenz jedoch eine der wichtigsten Führungsqualitäten. Das macht Menschen mit einem hohen "EQ" unersetzlich für eine gesunde Unternehmenskultur.
4. Interkulturelle Kompetenz
KI ist in der Lage, verschiedene Sprachen zu lesen und zu interpretieren. Der Mensch jedoch analysiert darüber hinaus Faktoren wie Körpersprache oder Tonfall und reagiert sowohl auf verbale als auch auf nonverbale Kommunikation. Das ermöglicht es uns, komplexe soziale Beziehungen und Interaktionen nuancierter und effektiver zu interpretieren und zu pflegen. Zudem bildet es die Basis für interkulturelle Kompetenz.
Interkulturelle Kompetenz beschreibt die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren, dabei Unterschiede und Besonderheiten zu respektieren und wertzuschätzen. Dieses Kulturverständnis schließt nicht nur die Herkunft, sondern auch Merkmale wie Bildung, Sozialisation und Sexualität ein. Somit ist es nicht nur eine unverzichtbare Führungsqualität, sondern auch die Grundlage für mehr Diversität, Integration und Gleichberechtigung im Unternehmen - welche nachweislich zum Unternehmenserfolg beitragen (McKinsey).
Ohne menschliche Qualitätssicherung läuft Künstliche Intelligenz Gefahr, vorurteilsbehaftete Ergebnisse zu liefern. Viele Computersysteme weisen eine algorithmische Voreingenommenheitauf, welche in KI-Systemen verschiedene Formen annimmt. Das führt unter anderem zu geschlechtsspezifischen, rassistischen und altersbedingten Vorurteilen. Deshalb ist es umso wichtiger, die interkulturelle Kompetenz von Mitarbeitenden zu fördern, um KI-Ergebnisse zuverlässig überprüfen und optimieren zu können.
Verhältnis Mensch Maschine - und die Bedeutung für Arbeitnehmende
KI hat das Potenzial, unseren Arbeitsalltag zu revolutionieren. Durch sie werden neue Berufe geschaffen und alte Berufe umgestaltet. KI ist allerdings nur so gut wie das vorhandene Datenmaterial. Problematiken wie die algorithmische Voreingenommenheit, fehlender EQ, mangelhafte Kreativität und unkritisches Denken verdeutlichen die Relevanz des menschlichen Einflusses am Arbeitsplatz.
KI-Anwendungen werden die menschliche Intelligenz, Empathie und Reflexion in den kommenden Jahren nicht ersetzen. Vielmehr werden sie dazu dienen, die menschliche Arbeit zu unterstützen. Dennoch stellt KI eine disruptive Veränderung dar und muss von einem guten Change Management begleitet werden, damit sich Arbeitnehmende statt auf ihre Sorgen auf das Potential konzentrieren und KI effizient nutzen können. Denn KI wird nicht nur ein fundamentaler Teil unserer Arbeitswelt werden, sondern viele Aspekte unseres Lebens unterstützen. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitenden zeigen, wie wichtig sie für den technischen Fortschritt sind und wie sie ihn zu ihrem Vorteil nutzen können. (pg)