Nach-Pandemie-Konzepte
Welche Zukunft haben Coworking Spaces?
Unter dem Begriff Coworking können sich die meisten Menschen nichts vorstellen. Wer bereits davon gelesen hat, wird einem wohl erklären, dass es sich dabei um das Phänomen handelt, dass junge Menschen in Berliner Cafés vor Laptops sitzen, überteuerten Milchkaffee trinken, im Internet herumklicken und das Arbeit nennen. Das ist zwar eine klischeehafte Betrachtung von Coworking, aber in jedem Klischee steckt auch ein Stück Wahrheit. Was ist also Coworking?
Coworking ist eine vor allem in Großstädten zu findende Arbeitsform. Sie entstand Mitte der Nullerjahre in San Francisco, wo der Entwickler Brad Neuberg 2005 den ersten Coworking-Space eröffnete. Er wollte nicht weiter einsam von zu Hause aus arbeiten, sondern mit ähnlich arbeitenden Menschen zusammen sein. Fast zwei Jahrzehnte später ist aus diesem zutiefst menschlichen Bedürfnis eine Branche von weltweit mehr als 20.000 Coworking-Spaces entstanden.
Wichtig: Zugang zu einer Gemeinschaft
Jeder Coworking-Space ist anders. Fast alle bieten Zugang zu flexibel zu nutzenden Arbeitsplätzen in offenen Räumen. Einige haben auch Büros für Teams, sowohl für Startups als auch Unternehmen, sowie Eventflächen und Besprechungsräume, die auch von externen Kunden genutzt werden. Doch was wo nachgefragt wird, variiert von Ort zu Ort. Das Geschäftsmodell beruht im Grunde darauf, Zugang zu einer Gemeinschaft zu geben und nicht der Vermietung von Büros.
Von außen betrachtet wirkt ein Coworking-Space wie ein Gemeinschaftsbüro, in dem sich die Infrastruktur geteilt wird. Auch das ist wahr, doch wird das Erlebnis von einem Coworking-Space aus zu arbeiten von sozialen Interaktionen geprägt. Durch sie entstehen die als Mehrwerte wahrgenommenen Serendipitätsmomente. Dies sind für einen selbst überraschende Betrachtungen eines Problems, die jemand anderem aufgrund eines anderen Blickwinkels einfielen und miteinander teilte.
Coworking ist eine Kultur des Miteinanders. Denn erst in der Gemeinschaft ähnlich agierender und damit als zu einem ähnlich wahrgenommenen Menschen, beginnt man sein Selbst zu öffnen und als selbstbestimmte Person zu agieren. Doch genau dieses Erlebnis war aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie nicht mehr möglich. Das Ende von Coworking bedeutete dies aber nicht. Doch alles hat bekanntlich zwei Seiten, so auch Corona.
Corona-Schock - auch eine Chance
Corona war für Coworking Fluch und Segen zugleich. Mit Ankunft des Virus gab es keine Buchungen von Eventflächen und Besprechungsräumen mehr. Laut dem Branchenblog Deskmag machte dieses Geschäftsfeld im bundesweiten Durchschnitt 28 Prozent des Umsatzes deutscher Coworking-Spaces aus. Doch gerade bei den Coworking-Spaces in den Großstädten lag der Anteil oft höher. Im Berliner betahaus wurden bis zu 40 Prozent des Umsatzes mit Events generiert.
Mit Teambüros, die in Deutschland durchschnittlich 37 Prozent des Umsatzes ausmachten, verhielt es sich anders. Zu Beginn herrschte zwar Unsicherheit und einige Unternehmen nutzten die flexiblen Kündigungsfristen, um schnell Kosten einzusparen und die Angestellten ins Homeoffice zu schicken. Trotzdem blieb die Auslastung stabil. Die Coworking-Spaces erwiesen sich als widerstandsfähig. Der Grund lag in den Communities, da die meisten Mitglieder nicht kündigten.
So erlebte es auch Birk Bauer, der seit mehr als zehn Jahren Coworking-Spaces im Südwesten betreibt: "Bei Einzelmitgliedschaften und Teambüros hatten wir fast keine Einbrüche zu verzeichnen." Die Auslastung sank nur um zehn Prozent, vor allem durch Mitglieder, die durch Corona in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind und deshalb die flexiblen Kündigungsfristen nutzten. Durch eine fokusorientierte, digitale Betreuung konnte die Community zusammengehalten werden.
Im Eventgeschäft betrug der Umsatzeinbruch rund 90 Prozent, berichtet Bauer. Bis heute hat sich dieses Geschäftsfeld nicht von Corona erholt. Ähnlich sah es im Coworking-Bereich aus, zumindest während der Pandemie, erzählt Bauer: "In den ersten anderthalb Jahren Pandemie gab es kaum Neukunden in unseren Coworking-Spaces. Das ist nun aber anders. Im letzten halben Jahr haben wir eine wachsende Nachfrage nach Coworking erlebt wie noch nie zuvor".
Mitten in der Corona-Pandemie gründete Birk Bauer mit Partnern die GoodSpaces GmbH, die die bereits existierenden Coworking-Spaces sowie GoodThinks umfasst, ein Think-Tank, der Antworten auf soziale, ökologische und ökonomische Probleme entwickeln will. Drei weitere Coworking-Spaces sind bereits in Planung, von denen am 15. März das SteamWork in Karlsruhe eröffnen wird. Dort sind schon vor dem Start 90 Prozent der Teamräume und 30 Prozent der Arbeitsplätze ausgebucht.
Wie kommt das? Für Birk Bauer liegt eine Ursache in der Corona-Pandemie selbst: "Viele Beschäftigte haben nun die Möglichkeit mobil zu arbeiten, deren Unternehmen dies früher nicht gestatteten. Das Vertrauen, dass es sich auch mobil erfolgreich arbeiten lässt, ist während der Corona-Pandemie gewachsen. Und die Menschen schätzen die wohnortnahen Coworking-Spaces sowie nach den einsamen Monaten im Home-Office, das Zusammensein und den Austausch mit anderen Menschen."
Im Mainstream angekommen
Vor Corona war Coworking ein Nischenprodukt, das Kulturwandel anstrebende Unternehmen und Freelancer nutzten. Mittlerweile ist Coworking im Mainstream angekommen. Die Anfragen und auch die Beweggründe der Mitglieder sind vielfältiger geworden, bestätigt Bauer. Den Unternehmen geht es immer seltener um das reine Anmieten von Arbeitsplätzen. Sie suchen vor allem einen Zugang zu einem Ort, an dem ihre Teams lernen und sich entwickeln können.
Dies war so zu Beginn des Projektes noch nicht abzusehen. Auf der Messe COWORK 2019, die in Mannheim stattfand, lernte Bauer einen von Coworking begeisterten Immobilienentwickler kennen. Dieser wollte aus einem alten Industriegebäude nicht noch mehr Eigentumswohnungen machen, sondern es durch einen Coworking-Space beleben und öffnen. Auch Bauer war von der Idee begeistert. Sein Team stellte fest, dass es in Karlsruhe mehr als nur einen weiteren Coworking-Space brauchte.
So entstand mit dem SteamWork ein Ort, den Bauer als "das nächste Level" der Arbeitswelt bezeichnet. Es wurde auf kürzere Laufwege und mehr soziale Begegnungspunkte geachtet. Jede Ebene des Gebäudes bietet die gleichen Möglichkeiten zur Vernetzung an. Es gibt auch mehr Videokonferenz- und Telefonzellen, die inzwischen fester Bestandteil jeder Bürolandschaft sind. Jeder Quadratmeter Coworking-Fläche ist nach den Bedürfnissen der Mitglieder geplant.
Das SteamWork ist mehr als ein Bürogebäude, sondern vielmehr Ausdruck einer indirekten Stadtentwicklung. Neben den 300 ArbeitsplätzenArbeitsplätzen gibt es einen Unverpackt-Laden, eine auf regionale Küche setzende Gastronomie, eine Pop-Up-Fläche für soziale Projekte sowie einen Hof als Begegnungsort. Dieser ist Bauer besonders wichtig: "Der 1.500 Quadratmeter große Hof ist für die Menschen im Quartier gedacht und wird ein frei zugänglicher Ort für die Stadtgesellschaft". (hk) Alles zu Personalführung auf CIO.de