Kritik üben ist schwierig

Wenn das Mitarbeitergespräch in Streit ausartet

Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Müllerschön Managementberatung in Starzeln bei Tübingen.
Mitarbeitern ein positives Feedback geben – das fällt den meisten Führungskräften leicht. Komplizierter wird es, wenn im Mitarbeitergespräch schlechte Arbeitsleistung zu beanstanden ist. Hier bewegen sich Führungskräfte oft auf dünnem Eis.
  • Mitarbeiter ohne Selbstwertgefühl können mit Kritik schlechter umgehen
  • Niemals im Beisein Dritter kritisieren - es geht auch um Gesichtswahrung
  • Wer die Feedback-Regeln einhält, bewegt sich auf sicherem Terrain
Eine Körperhaltung, die sich für ein Feedbackgespräch mit einem schwierigen Mitarbeiter eher nicht empfiehlt.
Eine Körperhaltung, die sich für ein Feedbackgespräch mit einem schwierigen Mitarbeiter eher nicht empfiehlt.
Foto: Studiostoks - shutterstock.com

Im Berufs- und Privatleben ist es zuweilen unvermeidbar, das Verhalten oder die Einstellung anderer Menschen zu kritisieren. Führungskräfte stehen sogar regelmäßig vor dieser Herausforderung - zum Beispiel wenn sie im Mitarbeitergespräch eine Rückmeldung über Leistung geben. Doch nicht jeder Mensch verträgt Kritik, und sei sie noch so sachlich und wertschätzend formuliert.

Abhängig davon, wie selbstbewusst und gefestigt Personen sind, reagieren sie sehr unterschiedlich auf Kritik. Mal souverän, mal irritiert oder verletzt, zuweilen sogar feindselig und aggressiv. Häufig können Führungskräfte vorab nicht einschätzen: Wie wird der Mitarbeiter reagieren? Deshalb schieben sie das Feedback-Geben auf die lange Bank. Manchmal kehren sie ihre Kritik gleich ganz unter den Teppich, weil sie Angst vor den Mitarbeiterreaktionen haben.

Mitarbeiter haben ein Recht auf konstruktive Kritik

Warum reagieren manche Menschen emotional auf eine negative Rückmeldung, obwohl doch eigentlich Konsens darin besteht, dass Feedback an sich etwas Positives ist? Immerhin liefert uns die Rückmeldung Klarheit darüber, ob unsere Selbstwahrnehmung der von anderen Personen entspricht. Konstruktive Kritik hilft uns,

  • Die "blinden Flecken" zu reduzieren,

  • mögliche Lernfelder zu identifizieren und

  • uns weiter zu entwickeln.

Sprechen wir über Arbeitsleistung und Verhalten, können wir die wechselseitigen Erwartungen klären und die Arbeits-beziehung sowie die Zusammenarbeit auf ein solides Fundament stellen.

Problem: Mitarbeiter mit einem schwachen Ego

Fakt ist: Fast alle Menschen erhalten lieber eine positive als eine negative Rückmeldung. Aussagen wie "Das haben Sie toll gemacht" oder "Ich genieße die Zusammenarbeit mit Ihnen" gehen Mitarbeitern "runter wie Öl" - zumindest wenn sie spüren: Das Lob ist ernst gemeint. Anders verhält es sich mit kritischen Rückmeldungen wie "Ich würde mir von Ihnen zuweilen einen größeren Einsatz wünschen" oder "Mein Eindruck ist, Sie setzen manchmal die Prioritäten falsch".

Auf solche Rückmeldungen reagieren selbstbewusste Mitarbeiter souverän und fragen zum Beispiel nach: "Wann würden Sie sich mehr Einsatz wünschen?" oder "Können Sie mir ein, zwei Beispiele nennen für die aus Ihrer Warte falsche Prioritätensetzung?" Doch Mitarbeiter mit einem eher schwachen Selbstwertgefühl gehen anders damit um. Sie beziehen eine kritische Rückmeldung, auch wenn sie völlig korrekt und angemessen formuliert ist, oft auf ihre Person und sehen in ihr eine Art Liebesentzug und persönlichen Angriff. Das ist auch dann der Fall, wenn die Rückmeldung sich nur auf gewisse Verhaltensweisen bezieht, die sie nur manchmal zeigen.

Kritik im Mitarbeitergespräch wird als persönlicher Angriff erlebt

Diese Mitarbeiter reagieren verletzt oder bockig, abwehrend oder resignativ - zuweilen sogar feindselig und aggressiv, weil sie die Aussage als Bedrohung erfahren. Diese Reaktion erfolgt so reflexartig, dass die Betroffenen das eigentlich Gesagte gar nicht mehr hören. Die Botschaft kommt bei ihnen nicht an. Und weil sie die kritische Rückmeldung als persönlichen Angriff interpretieren, sehen sie oft nur zwei Möglichkeiten zu reagieren:

  • Sie werten die Person, die ihnen das Feedback gab, gedanklich ab ("Was will der Idiot? Was maßt der sich an?) und/oder

  • sie starten einen Gegenangriff und versuchen, den Feedback-Geber ebenfalls zu verletzen - zum Beispiel mit Aussagen wie "Wenn Sie nie klare Ansagen machen, dann ...". Oder: "Wenn Sie ständig die Ziele ändern, dann ..."

Sicher, das sind extreme Mitarbeiterreaktionen - auch weil sich viele Mitarbeiter gar nicht trauen, ihren Chef, der zugleich ihr disziplinarischer Vorgesetzter ist und über ihre KarriereKarriere mitentscheidet, offen zu kritisieren. Deshalb verfallen sie, wenn sie ein Feedback als ungerecht empfinden, meist eher in ein beredtes Schweigen und äußern ihre Kritik anschließend lautstark im Kollegenkreis. Alles zu Karriere auf CIO.de

Die Feedback-Regeln genau beachten

Doch wie können FührungskräfteFührungskräfte vermeiden, dass, wenn sie einem wenig selbstbewussten Mitarbeiter eine negative Rückmeldung geben, die Situation eskaliert und eventuell emotionale Wunden entstehen, die der weiteren Zusammenarbeit schaden? Die Antwort ist einfach: Es geht darum, sehr genau auf das Einhalten folgender Feedback-Regeln achten: Alles zu Personalführung auf CIO.de

  • Artikulieren Sie persönliche Kritik stets im Vier-Augen-Gespräch und nie im Beisein Dritter.

  • Sorgen Sie für einen passenden Gesprächsrahmen. Gehen Sie an einen Ort, wo sie ungestört sind.

  • Führen Sie das Gespräch nicht zwischen Tür und Angel. Vereinbaren Sie mit dem Mitarbeiter einen Termin, so dass er sich vorbereiten kann. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für das Gespräch.

  • Sagen Sie dem Mitarbeiter zu Beginn des Gesprächs nochmals, wozu dieses dient: die (Zusammen-)Arbeit in der Vergangenheit reflektieren, die wechselseitigen Erwartungen klären und die Zusammenarbeit auf ein noch solideres Fundament stellen.

  • Bringen Sie Ihre Wertschätzung für den Mitarbeiter und seine Arbeit (soweit möglich) zum Ausdruck - selbst wenn Sie persönlich das Gefühl haben: Das habe ich ihm schon 100 Mal gesagt. Loben Sie den Mitarbeiter auch für scheinbare Selbstverständlichkeiten, wie dass er morgens stets pünktlich zur Arbeit kommt. Solche Aspekte sind nicht so selbstverständlich, wie Führungskräfte oft meinen.

  • Sprechen Sie erst danach die kritischen Verhaltensweisen an. Konzentrieren Sie sich auf die zwei, drei wirklich relevanten Punkte - auch damit beim Mitarbeiter nicht das Gefühl entsteht: "Der hat ja an allem etwas auszusetzen."

  • Achten Sie darauf, dass Ihre Kritik sachlich fundiert ist. Konkrete Beispiele aus dem Arbeitsalltag dienen als Belege.

  • Vermeiden Sie pauschalisierende und generalisierende Aussagen wie "Das machen Sie immer so...". Oder: "Bei Ihnen kann man sich nie darauf verlassen..." Damit rufen Sie automatisch Widerspruch hervor. ("Das stimmt nicht! Damals als Sie ..., habe ich...").

  • Sprechen Sie für sich, und holen Sie keine anderen Personen anonym mit ins Boot ("Ihre Kollegen sehen das auch so..."). Auch das provoziert Widerspruch. ("Wer behauptet das? Diese Unterstellung lasse ich nicht auf mir sitzen.") Außerdem können Sie sich auf Äußerungen von Dritten, sofern sie sich nicht mit Ihren Beobachtungen decken, oft nicht verlassen.

  • Machen Sie deutlich, dass Ihre Kritik Ihr persönlicher Standpunkt, Ihre Wahrnehmung, Ihre Interpretation der Dinge ist. Selbstverständlich kann der Mitarbeiter das anders sehen und bewerten. Signalisieren Sie Ihre Gesprächsbereitschaft hierüber ("Wie sehen Sie das?", "Nehmen Sie das auch so wahr?").

  • Machen Sie zugleich deutlich, dass die bei der Arbeit zu erreichenden Ziele nicht diskutabel sind.

  • Bleiben Sie in Ihren Aussagen immer wertschätzend - auch wenn Sie gewisse Reaktionen des Mitarbeiters oder seine Begriffsstutzigkeit nerven.

  • Machen Sie keine Aussagen, die die ganze Person in Frage stellen ("Dazu sind Sie nicht in der Lage....", "Das ist typisch für Sie ...").

  • Bemühen Sie sich um Ich-Botschaften, im Gespräch geht es um Ihre persönliche Wahrnehmung. Sagen Sie zum Beispiel nicht: "Sie hören mir nicht zu!" Sagen Sie stattdessen: "Ich habe das Gefühl, Sie hören mir gerade nicht konzentriert zu." Oder noch besser: "Ich habe das Gefühl, Sie beschäftigen im Moment noch andere Dinge. Das erschwert es Ihnen, sich zu konzentrieren. Trifft das zu?". Antwortet der Mitarbeiter mit "Ja, ich ...", dann bewegen Sie sich automatisch im Dialog zu den Ursachen des Problems. Das zu erreichen, ist ein zentrales Ziel aller Feedback-Gespräche - weshalb sie ja auch Feedback-Gespräche und nicht Feedback-Monologe heißen.

Das eigene Führungsverhalten hinterfragen

Und noch ein Tipp: Die Art und Weise, wie Mitarbeiter auf kritische Rückmeldungen reagieren, sagt eine ganze Menge über deren Beziehung zur jeweiligen Führungskraft aus. Reagiert ein Mitarbeiter bockig oder ablehnend, obwohl die Kritik angemessen formuliert wurde, sollten sich Führungskräfte fragen, welche Fehler sie in der Vergangenheit gemacht oder was sie eventuell versäumt haben. Fragen Sie sich:

  • Habe ich mir zu wenig Zeit für den Mitarbeiter genommen und zu selten das Gespräch gesucht?

  • Ließ ich ihn mit seinen Aufgaben allein? Gewährte ich ihm zu wenig Unterstützung?

  • Habe ich das von ihm Geleistete nicht ausreichend gewürdigt? Monetär, verbal oder emotional?

  • Vermittelte ich ihm das Gefühl, er werde nur als Arbeitskraft und nicht auch als Mensch wahrgenommen?

Das können Sie den Mitarbeiter übrigens auch direkt fragen. Zum Beispiel mit den Worten: "Ich habe den Eindruck, dass Sie auf meine Rückmeldung eher reserviert reagieren. Trifft das zu?" Angenommen der Mitarbeiter antwortet: "Ja". Dann sollten Sie weiterfragen: "Warum?". So finden Sie heraus, was Ihre Arbeitsbeziehung belastet und können diese wieder auf eine gesunde Basis stellen.

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