Kartellamt

Wettbewerbshüter fordern schärferes Schwert im Verbraucherschutz

27.06.2019
Das Kartellamt schaut Firmen auf die Finger, damit sie sich nicht illegal absprechen - das würde den Wettbewerb schädigen und wäre schlecht für den Verbraucher. Doch das Amt hat noch eine andere Funktion - auch diese soll Privatleuten helfen.
Das Bundeskartellamt-Gebäude in Bonn
Das Bundeskartellamt-Gebäude in Bonn
Foto: Bundeskartellamt

Das Bundeskartellamt will Verbrauchern stärker unter die Arme greifen. Mit "Sektoruntersuchungen" könne man bisher zwar Defizite benennen, aber nicht per Verfügung abstellen - dies sollte sich ändern, forderte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Donnerstag in Bonn. "Mehr Klarheit für den Verbraucher - das würden wir gern durchsetzen, das können wir im Moment nicht."

Als Beispiel nannte Deutschlands oberster Wettbewerbshüter Online-Vergleichsportale, die den Nutzer mit irreführenden Angaben zum Beispiel zur schnellen Hotel-Buchung drängten. Sucht man nach einem Hotelzimmer in einer Stadt, so steht auf dem Bildschirm mitunter "nur noch 2 Zimmer verfügbar" sowie die Information, dass derzeit zahlreiche andere Online-Surfer interessiert seien. "Dann kriegen Sie einen Riesenschreck und denken, "das muss ich sofort buchen" - das führt ganz oft zu überhasteten Buchungen", sagte Mundt.

Dies könne aber auch heißen, dass nur noch zwei Zimmer auf diesem Portal verfügbar seien, auf anderen Webseiten aber noch viel mehr bereitstünden. Zudem seien die anderen Besucher zumeist an einem anderen Zeitraum interessiert - es sei also nur eine inszenierte, irreführende Konkurrenzsituation, so Mundt. "Hier wird ein Druck aufgebaut, den es in Wahrheit gar nicht gibt." Ärgerlich sei zudem, dass eine komplette Marktabdeckung suggeriert werde, tatsächlich bildeten sie aber nur einen Teil des Marktes ab.

Verbraucherschützer reagierten verhalten auf den erneuten Vorstoß

In der Regel funktioniere der Weg über das Zivilrecht, um Nachteile für Verbraucher abzustellen, sagte Florian Stößel von dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Er wies darauf hin, dass Firmen und Verbände - also auch seine Organisation - ein Klagerecht haben. "Sobald Verbraucher uns Beschwerden zuleiten, können wir sie zivilrechtlich verfolgen und mit Abmahnungen unterbinden." Diese zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung solle nicht durch parallele behördliche Strukturen gefährdet werden.

Stößel räumte aber ein, dass es Fälle gebe, bei denen man als Verband an seine Grenzen stoße - etwa in dem von Mundt beschriebenen Fall von Online-Verbrauchsportalen, wenn Algorithmen eine zentrale Rolle spielen. Hier gebe es Beweisprobleme, weil Algorithmen als Geschäftsgeheimnisse nicht offengelegt werden müssen in Zivilrechtsverfahren. "Daher ist eine Irreführung manchmal schwer zu beweisen." Das Kartellamt könnte es hier einfacher haben. Stößel gab aber auch zu bedenken, dass Gesetzesänderungen ebenfalls helfen könnten - etwa durch eine Beweislastumkehr. Dann müssten nicht die Zivilkläger, sondern die beklagten Online-Firmen nachweisen, dass derVerbraucher eben nicht in die Irre geführt wird.

Der Verbraucherschutz ist noch eine recht neue Domäne des Kartellamts, erst seit 2017 darf es besagte Sektoruntersuchungen durchführen. Kerngebiet seiner Tätigkeit sind die Fusionskontrolle und die Überprüfungen, ob Firmen Kartelle gebildet haben. Im vergangenen Jahr verhängte die Behörde Bußgelder in Höhe von 376 Millionen Euro gegen Unternehmen. Ein Jahr zuvor waren es nur 66 Millionen Euro. Die Werte variieren aber sehr stark - im Jahr 2014 waren es beispielsweise mehr als 1,1 Milliarden Euro. Die Schwankungen liegen daran, dass in einem Jahr große Fälle und im nächsten Jahr nur kleinere Verfahren abgeschlossen werden. (dpa/sa)

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