5 Stufen der Digitalisierung
Wie das vollständig digitale Unternehmen arbeitet
Konrad Krafft ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungs- und Softwarehauses doubleSlash Net-Business GmbH. Er hat Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz studiert und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Entwicklung digitaler Services, insbesondere im Bereich von Unternehmensprozessen und Softwareprodukten. Als Experte befasst er sich mit der Industrialisierung von Software-Entwicklung und neuen digitalen Geschäftsmodellen.
- Die fünf Reifegrade helfen dabei, eine Standortbestimmung durchzuführen und zu entscheiden, wo das eigene Unternehmen am Ende des Prozesses stehen will.
- Dafür wird die Digitalisierung in Stufen eingeteilt, die dazu dienen, eine Vorstellung davon zu erhalten, welchem Grad an Digitalisierung ein Unternehmen in der jeweiligen Stufe entspricht.
- In Stufe fünf der Digitalisierung werden Effizienz und Produktivität fast ausschließlich durch die Optimierung der Software bestimmt.
Bei der Materialsammlung für diesen Artikel habe ich festgestellt, dass die Idee, es gäbe ein autonomes Unternehmen, das vollautomatisiert seinen Geschäften nachgeht, viele verunsichert bis erschreckt. "Wo bleibt der Mensch?" lautet die häufigste Frage.
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil die Rolle, die der Mensch in der Gesellschaft von morgen einnimmt, ein ungeschriebenes Buch ist. Was uns bleibt, ist daran zu glauben, dass der Mensch seine Rolle finden wird. Obwohl das eine schwierige Debatte ist, die zumeist mit viel Emotion geführt wird, möchte ich trotzdem den Versuch wagen, eine Skizze für ein Unternehmen zu zeichnen, welches die vielbeschworene DigitalisierungDigitalisierung konsequent weitertreibt bis zu dem Punkt, wo die Digitalisierung endet. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Der Begriff Digitalisierung ist einer der größten Themen in unserer Zeit. Dabei kennen wir den Einsatz von Informationstechnologie in Unternehmen schon seit über 50 Jahren. Und eins muss vorweg genommen werden: Digitalisierung ist keine einmalige Maßnahme, sondern ein ständiger Prozess der Erneuerung und Veränderung. Welche Strategie ein Unternehmen entwickelt, um diesen Prozess zu managen, ist ein Thema, das einem eigenen Artikel wert wäre.
Dieser Artikel soll dabei helfen, eine Standortbestimmung durchzuführen und zu entscheiden, wo das eigene Unternehmen am Ende des Prozesses stehen will. Dafür wird die Digitalisierung in Stufen eingeteilt, die dazu dienen, eine Vorstellung davon zu erhalten, welchem Grad an Digitalisierung ein Unternehmen in der jeweiligen Stufe entspricht.
Prozesse lassen sich in vier Kategorien unterteilen
Hier hilft eine Unterteilung des Unternehmens in seine Funktionen und Prozesse. Die einzelnen Prozesse lassen sich in vier Kategorien unterteilen: von vollständig manuell, bis vollständig softwaregetrieben.
Jedes Unternehmen hat eine endliche Anzahl von Prozessen, die unterschiedlich stark von Software unterstützt werden. Im Grunde entspricht der Digitalisierungsgrad eines Unternehmens der Summe der Digitalisierungsgrade seiner Prozesse.
Zur Verdeutlichung und besseren Einordnung werden die Digitalisierungsgrade von Unternehmen in verschiedene Stufen eingeteilt. Die Stufen repräsentieren die Entwicklung vom vollständig analogen hin zum vollständig digitalen Unternehmen.
Stufe 0: Manuelle Prozesse ohne IT
Ein Unternehmen der Stufe 0 braucht keine IT. Alle Prozesse laufen manuell. Auch in der Kommunikation nach außen verlässt man sich auf das gesprochene Wort und den handgeschriebenen Brief. Die Buchführung existiert nicht oder wird wie früher von Hand in ein Buch geschrieben. Die Produktion ist eine reine Manufaktur, alles wird von Hand gemacht.
Stufe 1: Erste Schritte im computergestützten Arbeiten
In Stufe eins arbeiten Unternehmen in ersten Bereichen mit einem Computer. In der Regel sind das die Buchhaltungsabteilungen, weil hier die elektronische Datenverarbeitung die größten Vorteile bietet. Außerdem ist die Software in der Regel sehr einfach aufgebaut, da nur Lese- und Schreiboperationen durchgeführt werden müssen. Daten werden verwaltet, aber noch nicht im größeren Stil weiter verarbeitet. In der Produktion wird auch Software zur Steuerung von Maschinen eingesetzt, aber auch diese Software ist sehr rudimentär, da sie in der Regel einfachste Steuerbefehle ausführt. Die Kommunikation im Unternehmen läuft schriftlich per Brief oder per Telefon ab.
Stufe 2: Einsatz von Informationssystemen und Auswertung von Daten
Hier wird die Datenverarbeitung nun komplexer, da jetzt auch zunehmend mehr Logik in die Software eingebaut wird. Buchhaltungsprogramme führen komplexe Berechnungen durch. Durch sogenannte Management Informationssysteme werden betriebswirtschaftliche Daten verdichtet und ausgewertet. In der Produktion können Maschinen komplexere Prozessschritte durchführen.
Die Kommunikation erfolgt zunehmend per E-Mail, wenn auch auf Papier nicht verzichtet werden kann. In jeder Abteilung steht ein Drucker. Werbung erfolgt mit Printmitteln, aber auch mit klassischen elektronischen Medien wie TV und Radio. Arbeitsplätze werden zunehmend mit PC's ausgestattet, der IT Betrieb installiert die notwendige Software. Das Unternehmen pflegt eine statische Website zur Darstellung im Internet.
Stufe 3: Die Internet-Technologie erhält Einzug
Die Internettechnologie hält Einzug in das Unternehmen. Alle Mitarbeiter haben Zugang zu einem Personal Computer. Jede Abteilung verwendet Software zur Kommunikation, zum Beispiel Portale zur Verteilung von Informationen im Unternehmen, aber auch zur Unterstützung ihrer internen Prozesse. Das Unternehmen besitzt eine Website, über die sie mit Kunden kommunizieren kann.
Ein CRM-System verwaltet alle Kundendaten. Informationen auf Papier werden aber nicht seltener, da zusätzlich immer noch alles ausgedruckt wird. In der Produktion und auch in der Lieferkette wird alles mittels Software organisiert. Weite Teile der Produktion sind automatisiert. Der IT-Betrieb organisiert sich zentral, Software wird entweder als Browserapplikation oder per Ferninstallation bereitgestellt.
Planungen erfolgen in den Abteilungen per Software, zum Beispüiel mit einem Marketingplanungs-Tool für Aktivitäten und Kampagnen im Marketing. Entscheidungen in den Abteilungen werden zunehmend datengestützt getroffen (beispielsweise. Mitarbeiter wird eingestellt aufgrund des besseren Profils). Meetings finden in der Regel an einem gemeinsamen Ort oder per Telefon statt.
Stufe 4: Erste Automatisierungsschritte in einzelnen Abteilungen
Abteilungsinterne Abläufe werden vollständig per Software gesteuert, beispielsweise über ein Ticketsystem. Jeder weiß, wann wer was zu tun hat. Das ermöglicht eine hochgradige Vernetzung und Agilisierung des Unternehmens. Wissen wird ständig über Wissensmanagement-Systeme externalisiert. Einzelne Abläufe sind auch schon hochgradig automatisiert, z.B. bucht die Buchhaltung automatisch mit einer Fehlerquote von unter einem Prozent.
Abschaffung der "Informationsinseln": Abteilungsinterne Systeme werden miteinander vernetzt, sodass sie automatisch Daten austauschen können. Jede Abteilung stellt dafür einen oder mehrere Software-Services bereit, sodass sich andere Abteilungen daran anbinden können. Daten von unterschiedlichen Abteilungen werden in einen Datenhub, auch "Data Lake" genannt, zusammengefasst, um mit Big Data-Algorithmen Auswertungen, Szenarien und Prognosen errechnen zu können.
Werbung erfolgt ausschließlich digital und personalisiert. Bei der innerbetrieblichen Kommunikation kommen neue Kommunikationsformen zum Einsatz, bei denen die Nachrichten immer Themen- oder Gruppenbezogen zusammengefasst werden. Bei der 1:1-Kommunikation werden Messenger eingesetzt. Meetings finden in der Regel virtuell statt.
Entscheidungen werden in dieser Stufe in hohem Maße datengetrieben getroffen. Sie werden dort automatisiert getroffen, wo es einen Geschwindigkeitsvorteil bringt und ethisch vertretbar ist. Planungen werden vereinzelt von Software automatisiert erstellt. Viele Prozesse laufen automatisch und werden per Software überwacht.
Stufe 5: Das digitale Unternehmen
Hier ist das Unternehmen vollständig digital. Alle Prozesse laufen komlett datengetrieben. Das Unternehmen "errechnet" aus Zielvorgaben (Parametern) eine übergreifende Planung. Die Software greift dabei auf gelernte Muster zurück, die sie über Jahre gelernt hat. Strategievorgaben werden dabei ebenso berücksichtigt wie ökonomische Rahmenbedingungen und aktuelle Markttrends. Über Software hat das Unternehmen Zugriff auf alle Kanäle im Internet und nutzt diese Datenbasis, um Trends abzuleiten.
Die Produktion ist vollständig automatisiert. Selbst für Wartungsaufgaben werden Roboter eingesetzt. Die Kommunikation mit Kunden wird vollständig automatisch über sogenannte Chatbots durchgeführt. Die Werbung wird personalisiert und automatisiert in die Social Media-Kanäle eingespielt und als Anzeigen in Ad-Kampagnen geschalten.
Entscheidungen werden auf Basis von gelernten Mustern und vorgegebenen Regeln vollständig automatisiert getroffen. Dabei kann der Computer Hunderte von Parametern in die Entscheidung einfließen lassen. Da kann selbst das vielbeschworene Bauchgefühl eines Menschen nicht mithalten. Die Entscheidungen werden automatisch zur Verfolgung vollständig protokolliert.
Die Beschaffung erfolgt vollständig automatisch, indem die benötigten Güter und Dienstleistungen auf speziellen Bieterplattformen nachgefragt werden und dann die Software die verschiedenen Angebote bewertet und entscheidet. Dabei werden in der Produktion auch schon Ausfälle von Maschinen prognostiziert und darauf z.B. der Ersatzteilbedarf ermittelt.
Softwareprozesse werden ebenso wie Maschinen permanent automatisch überwacht. Dabei werden alle relevanten Parameter erfasst. Durch das ständige Lernen kommen auch Neue hinzu. Bei Abweichungen werden Prozesse in Gang gesetzt, die automatisch die Ursachen beseitigen (sog. Selfhealing), beispielsweise durch einen Neustart eines Systems.
Ist die Stufe fünf für ein Unternehmen erreicht, dann werden Effizienz und Produktivität des Unternehmens fast ausschließlich durch die Optimierung der Software bestimmt. Da Hardware oder Maschinen für alle Unternehmen identisch beschafft werden kann, stellt sie kein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb dar. Die Programmierung der Maschinen bringt den nötigen Vorsprung.
Der entscheidende Wettbewerbsfaktor wird aber die Kreativität sein, mit der ein Unternehmen neue Innovationen schafft und sich somit vom Wettbewerb abheben kann.
Ermitteln Sie den digitalen Reifegrad Ihres Unternehmens
Diese Einstufung kann und soll dabei helfen, dass Sie ihr Unternehmen besser in verschiedene Digitalisierungsgrade einteilen können. Eine Selbsteinschätzung anhand der Stufen kann auch wichtige Hinweise und bestenfalls Maßnahmen für die eigene Digitalisierungsstrategie zu Tage fördern. Bis zum vollständig autonomen Unternehmen wird es sicher noch dauern – es schadet aber nicht, sich schon heute mit dieser Vision auseinander zu setzen.