Gehobene IT-Jobs
Wie ein CIO die richtigen Talente findet
- CIOs ziehen alle Register, um mehr über Bewerber herauszufinden
- Wer in der Rolle des IT-Käufers übers Ziel hinaus schießt, wird Probleme bei der Jobsuche bekommen
- Warum es sich lohnt, T-Shirts und Kappen mit Firmenlogo an Uni-Absolventen zu schicken
Bevor General Electric (GE) im Jahr 2014 den IT-Spezialisten Clay Johnson von Boeing anheuerte, hat CIO Jamie Miller ihre Hausaufgaben gemacht. Sie nahm den Hörer in die Hand und sprach mit einer ganzen Reihe von Menschen, von denen sie wusste, dass Johnson eng mit ihnen zusammengearbeitet hatte. Das Spektrum der Informanten ging weit über die vom Kandidaten selbst genannten Referenzen hinaus. Johnson, heute der globale CIO von GEs Power & Water Division, war überrascht vom konsequenten und durchaus aufdringlichen Vorgehen seiner künftigen Chefin, aber er konnte sich schlecht über die Frau beschweren, die schließlich seine Vorgesetzte werden sollte. Und heute? Johnson geht genauso vor, wenn er gutes Personal sucht (Lesen Sie auch: Wo IT-Fachkräfte besonders knapp sind
"Es ist absolut entscheidend, die richtigen Leute zu finden, und wenn man ein gutes Netzwerk hat und sich darin umhört, erfährt man sehr genau, wie diese Person arbeitet, wie sie mit Menschen umgeht und eine Menge mehr", sagt Johnson. Gute IT-Fachkräfte zu finden, ist weltweit zu einer echten Herausforderung geworden, zumal nicht nur die großen IT-Hersteller, sondern inzwischen auch viele Startups eine bedrohliche Konkurrenz sind.
LinkedIn liefert wertvolle Informationen
Wer einen neuen Job sucht, wird naturgemäß nur solche Freunde und Exkollegen als Referenzen nennen, die loyal sind und kein schlechtes Wort über den Kandidaten verlieren. Das wissen CIOs und Personaler, und sie suchen nach alternativen Informationsquellen. Wenn beispielsweise VMware-CIO Bask Iyer einen Kandidaten in Erwägung zieht, prüft er seine CIO-Kontakte, um Auskunft zu erhalten, und er durchkämmt Social-Network-Plattformen wie LinkedIn. "Die Welt ist heute vernetzt", sagt Iyer. "Zwei Klicks auf LinkedIn, und man findet jemanden, der etwas über einen Kandidaten sagen kann."
- Die Top 10 Trends 2015 von Gartner
Traditionelle Business-Jobs werden durch Digital Worker ersetzt. Gartner stellt zehn Prognosen für IT-Organisationen und Anwender für die kommenden Jahre vor. Die zehn Punkte sind folgende: - 1. Punkt
2018 braucht die digitalisierte Arbeitswelt 50 Prozent weniger klassische Geschäftsprozess-Experten und dafür 500 Prozent mehr Kandidaten für digitale Schlüsselpositionen. - 3. Punkt
Intelligente Maschinen und industrialisierte Services werden die Total Costs of Ownership geschäftlicher Abläufe bis 2018 um 30 Prozent senken. - 4. Punkt
Bis 2020 steigern Wearable Devices zu Gesundheitsfragen die Lebenserwartung in den Industrienationen um weitere sechs Monate. - 5. Punkt
Ende 2016 kaufen mobile digitale Assistenten für mehr als zwei Milliarden US-Dollar online ein. - 6. Punkt
Die Hälfte des digitalen Handels wird in den USA 2017 mobil ablaufen. - 7. Punkt
Erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle basieren 2017 zu 70 Prozent auf vorsätzlich instabilen Prozessen. - 8. Punkt
Die Hälfte der Investitionen in Produkte bezieht sich 2017 auf Kundenerfahrungen mit bisherigen Produkten. - 9. Punkt
Fast jeder fünfte Anbieter dauerhafter Güter stellt 2017 mit 3D-Druck personalisierte Waren her. - 10. Punkt
2020 steigern Händler, die ihre Zielgruppenansprache mittels IPS (Internal Positioning Systems) verbessern, ihre Absätze um fünf Prozent.
Iyer geht es bei seinen Recherchen vor allem um die Frage, ob ein Bewerber kulturell zum Unternehmen und ins Team passt. Sucht er beispielsweise nach einem "Hardcore-Programmierer", will er Belege dafür finden, dass der Kandidat wirklich mit Passion bei der Sache ist und nicht einfach nur programmiert, um Geld zu verdienen. In Bewerbungsgesprächen lässt er Interessenten beispielsweise beschreiben, wie sie mit einem konfliktbehafteten Team umgehen oder welche Maßnahmen sie ergreifen würden, um auch unter extremen Bedingungen Erfolg zu haben. "Ich will herausfinden, ob jemand im Team Probleme lösen kann oder nicht", kommentiert er sein Vorgehen.
Für einen guten IT-Job ist Kinderstube wichtig
Tatsächlich kann es sich auf einen Bewerber heute auch negativ auswirken, wenn er in Verhandlungen mit einem Hersteller oder dessen Vertriebsmitarbeitern über die Stränge geschlagen hat. Ralph Loura, CIO von HP Enterprise, schaut sich beispielsweise an, ob ein Kandidat sich in seiner Rolle als Käufer gewissenhaft und fair verhalten hat. Die Art und Weise derartiger Gesprächsführungen liefere Hinweise darauf, wie jemand sein Unternehmen repräsentiere und ob er mit einem allzu harschen Auftritt möglicherweise sogar die eigene Marke beschädige.
Wenn Loura eine Topposition besetzen will, konsultiert er zunächst sein Netzwerk an CIO-Kontakten. "Man bekommt einen guten 360-Grad-Blick auf Bewerber, wenn man sowohl die Hersteller- als auch die CIO-Community um Rat fragt." Der HP-CIO hält fachliche Skills für wichtig, glaubt aber, dass es noch entscheidender ist, ob jemand zur eigenen Unternehmens- beziehungsweise Bereichskultur passt. Gute Aussichten haben für ihn vor allem Führungskräfte, die sich erfolgreich mit Change Management und Geschäftsprozess-Optimierung beschäftigt haben. Außerdem sollten sie die Steuerung der IT-Lieferanten, also das Vendor Management, beherrschen. "Wenn ich im Einstellungsprozess zuerst das kulturelle und erst nachgelagert das technische Thema auf dem Schirm hatte, habe ich das so gut wie nie bereut", sagt Loura.
Psychologen prüfen auf Herz und Nieren
Auch Veresh Sita, CIO bei Alaska Airlines, nutzt sein CIO- und Herstellernetzwerk sowie LinkedIn, um mehr über Jobkandidaten herauszufinden. In Bewerbungsgesprächen lässt er sie oft ein Problem in der Gruppe lösen und anschließend das Ergebnis präsentieren. Die Bewerber sollen zeigen, dass sie mit anderen zusammenarbeiten können. Auf Kandidaten für Schlüsselpositionen setzt er sogar spezialisierte Berater an, die sich mit "Industrie- und Organisationspsychologie" auskennen: "Diese Leute wissen, welchen Persönlichkeitstyp wir brauchen, um unsere Teamkultur zu stärken."
- Scrum Master
Der Scrum Master sorgt für die nötige Koordination und Ordnung im dynamischen Prozessder agilen Softwareentwicklung. Er achtet darauf, dass Regeln befolgt werden und hält dem Team so den Rücken frei. Als Coach, Mentor und Vermittler ist er eine Schnittstelle im Prozessmanagement, auf die kein Digitalunternehmen verzichten kann. - Mobile Developer
Talentierte Mobile Developer stehen ganz oben auf der Personaler-Wunschliste vieler Unternehmen. Besonders begehrt sind natürlich auch hier vor allem Programmierer für iOS und Android. - Data Warehouse Manager
Um die Daten zum Beispiel für Entscheidungsprozesse sinnvoll nutzbar zu machen, bedarf es speziell in größeren Unternehmen eines Data Warehouse Managers. Er ist für die Konzeption, Einführung und oft auch die Administration von Projekten zuständig und verfügt meist über einen Informatik- oder betriebswirtschaftlichen Hintergrund. - Magento Developer
In der E-Commerce-Branche hat ein Shop-System die Nase vorn: „Magento“. Es wird auf einem Prozent aller Websites eingesetzt und ist damit die meistverbreitete reine Online-Shop-Software. Kein Wunder, dass der Bedarf an Magento-Developern, die sich um die logistische Anbindung an den E-Commerce-Shop kümmern, riesig ist. Entwickler können die benötigten Fähigkeiten über ein Zusatzzertifikat erlangen. - UX Designer
User Experience (kurz UX) Designer haben gerade Hochkonjunktur. Sie prüfen Systeme und Anwendungen auf ihre Benutzerfreundlichkeit und entwickeln basierend auf Analysen, A/B-Tests sowie genauen Nutzerprofilen Benutzeroberflächen, in denen sich die Zielgruppe zurechtfindet. Das führt nicht nur zu mehr Kundenzufriedenheit, sondern kann Unternehmen auch bares Geld einbringen. So hat die Platzierung eines einzigen Buttons dem amerikanischen Retailer Best Buy beispielsweise ganze 300 Millionen Dollar Mehrumsatz beschert. - Growth Hacker
In der Startup-Welt entstanden und verbreitet ist das Growth Hacking, eine Online-Marketing-Schule, bei der das Unternehmenswachstum mit sehr geringen monetären Mitteln durch kreative Aktionen und analytisches Denken vorangetrieben wird. Gefragt sind Talente, die das Thema Wachstum unter den Aspekten Innovation, Skalierbarkeit und Nutzerverbundenheit angehen. - Google Go Developer
Eine immer beliebter werdende Alternative zu klassischen Programmiersprachen wie Java oder C++ ist das von Google-Mitarbeitern entwickelte „Go“. Da das System für Cluster- und Cloud-Computing interessant ist, stocken immer mehr Unternehmer ihre Entwicklerteams auf und suchen gezielt nach talentierten Go-Codern. - JavaScript Developer
Die Skriptsprache „JavaScript“ ist bereits seit 1995 am Markt und damit für die meisten Programmierer Standard. Wegen neuer Frameworks wie „nodeJS“ zum Betreiben von Webservern oder dem Opensource-Framework „AngularJS“ für Single-Page-Web-Anwendungen, steigt derzeit auch die Nachfrage nach Nachwuchs-JavaScript-Entwicklern. - Ruby on Rails Developer
Durch die Grundprinzipien “Wiederhole nichts” und “Konvention über Konfiguration“ ist die in der Programmiersprache Ruby geschriebene Open-Source-Software „Ruby on Rails“ (kurz RoR) eine besonders effiziente und produktive Programmierform. Vor allem für flexible Lösungen sind fähige RoR-Entwickler deshalb beliebt. - Quality Assurance Engineer
Erfahrene Quality Assurance Engineers mit besonderem Blick fürs Detail sind bei Tech-Projekten und im Software-Development heiß begehrt. Anders als Produkt- und Software-Tester, die nur gezielt bestimmte Teile des Produkts begutachten, überwachen QA Engineers alle Phasen der Entwicklung und prüfen auch, ob sich das Produkt in die gewünschte Richtung entwickelt. Als Schnittstelle zum Management stellen sie so sicher, dass nur wirklich ausgereifte Produkte auf den Markt kommen.
Nehmen die Kandidaten dann ihre Arbeit auf, bewerten Sita und sein Team ihre Leistung nach 30, 60 und 90 Tagen. Das geschieht anonym, die Einsteiger wissen nicht, dass sie in ein solches Beurteilungssystem eingebunden sind. Dieses Verfahren habe sich in neun von zehn Fällen bewährt. "Als Führungskräfte müssen wir einfach sicher gehen, die richtige Wahl getroffen zu haben", sagt der CIO der US-Fluglinie. Das letzte, was er wolle, sei, jemanden schon in den ersten Wochen in Schwierigkeiten zu sehen, ohne eingegriffen zu haben.
Für GEs Bereichs-CIO Johnson ist es zudem wichtig, Nachwuchstalente zu erreichen. Hier stoßen allerdings klassische Methoden an ihre Grenzen: Die Lebensläufe sind noch nicht gefüllt. Es gibt niemanden, der Erfahrung in der beruflichen Zusammenarbeit mit den Youngstern hat und etwas sagen könnte. Deshalb verlässt sich Johnson auf das konzerneigene IT Leadership-Programm. Im Rahmen dieses zweijährigen Trainings-Parcours sammeln junge Informatiker erste Berufserfahrung in der IT.
Ein Care-Paket für Absolventen
Kandidaten für dieses exklusive Programm werden zunächst von den internen Personalexperten mit Hilfe eines Google Hangout interviewt. Johnson selbst telefoniert dann 30 bis 45 Minuten mit ihnen, um herauszufinden, was ihn erwartet. Das Gespräch verläuft betont entspannt; man spricht über das, was gerade an der Uni läuft, und welche Techniktrends die Kandidaten für interessant halten.
Anschließend schickt GE den Bewerbern ein "Care-Paket" mit GE-gebrandeten Gimmicks: T-Shirts, Kappen, Schnellladegeräten fürs Smartphone etc. Mögen diese Dinge auf den ersten Blick auch als trivial erscheinen, so signalisieren sie dem Kandidaten doch das Interesse des Konzerns an seiner Person. Zudem verbreitet sich auf dem Universitätscampus schnell, dass GE es ernst meint. Werden zudem T-Shirts und Kappen mit GE-Logo an den Unis getragen, dürfte das ebenfalls eine gewisse Wirkung entfalten.
Wenn GE dann einen Kandidaten haben will, unterbreitet der Konzern ein Angebot, das einen Bonus für einen Soforteinstieg enthält. Dieser Bonus schmilzt Tag für Tag zusammen, wenn sich der Kandidat nicht zur Unterschrift durchringen kann. "Der Gedanke dahinter ist, Bewerber möglichst schnell zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrags zu bringen. Sie sollen sich nicht noch großartig bei anderen Unternehmen bewerben. Dazu ist der Kampf um Talente zu brutal", sagt Johnson.