Selbsttäuschung
Wie IT-Manager sich selbst belügen
Um die ein oder andere Notlüge kommt man bekanntermaßen nicht herum. Zum Beispiel dann, wenn Sie einmal mehr gute Miene zum bösen IT-Budget-Spiel machen müssen. Sich selbst zu belügen - egal ob aus purem Optimismus oder einfach nur um nachts ein Auge zuzumachen -, führt hingegen selten zu etwas Positivem. Denn wenn diese Selbsttäuschungen Sie schlussendlich einholen, ist es in den meisten Fällen zu spät für Ihre IT-Initiative - oder Ihre KarriereKarriere. Alles zu Karriere auf CIO.de
Das Problem - insbesondere bei IT-Managern: Im Regelfall gibt es niemanden, der sie auf die Lügen, die sie sich selbst auftischen, aufmerksam macht. Deshalb haben wir kurzerhand eine Reihe von IT-Managern mit ausgeprägter Selbstwahrnehmung gefragt, was sie für die heimtückischsten Selbsttäuschungen der Technologie-Entscheider halten.
"Security? Voll im Griff"
"Die gefährlichste Selbsttäuschung, der IT-Manager unterliegen können, ist die Auffassung, ihre Systeme seien sicher", ist Craig Mackereth, GVP bei Rimini Street, überzeugt.
Mackereth kommt aus der Finanz- und Luftfahrtindustrie - zwei Sektoren, die einerseits strengen Regularien unterliegen, andererseits auch besondere IT-Security-Maßstäbe anlegen müssen. Als er erstmals mit deutlich weniger regulierten Branchen in Berührung kam, war er erschrocken über die dort herrschenden Verhältnisse - zum Beispiel IT-Manager, die der festen Überzeugung sind, die IT-Sicherheit voll und ganz im Griff zu haben, weil die aktuellsten Patches installiert sind.
"Das ist nichts anderes als Security-Theater", urteilt Mackereth. "In der Luftfahrtbranche ist das einzige sichere Netzwerk ein 'air gap' - und damit meine ich ein Netzwerk, das keine Verbindung zum Internet aufweist."
Viele Unternehmen kämpfen mit ihrem IT-Sicherheitsniveau - allerdings nicht bloß auf der Grundlage von Selbsttäuschung. IT-Experten sind sich der Gefahren durch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Datenlecks und Hacks bewusst. Aber die Budget-Freigabe für Tools oder Prozesse zu erlangen, ist nicht immer einfach. Was Sie brauchen sind Menschen in Ihrem Team, die morgens aufstehen mit dem Gedanken "Wie schütze ich meine Systeme?" und abends schlafen gehen mit dem Gedanken "Wie schütze ich noch mehr Systeme?".
"Das Projekt ist perfekt im Zeitplan"
Allzu oft gibt es Projekte, die perfekt im Zeitplan und im Budget liegen - zumindest vermeintlich. "Das ist garantiert nicht der Fall", weiß Bassam Chaptini, CTO bei Unqork. "Das Projekt wird eben so angelegt, dass die Projektampel stets auf grün steht. In Wahrheit verändert sich allerdings der Scope."
Nur weil alle glauben, dass alles bestens läuft, muss das bekanntermaßen noch lange nicht den Tatsachen entsprechen. Irgendjemand sollte das große Ganze im Auge behalten und überprüfen, ob die zwanghaft grüne Projektampel unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen wird. Die Chancen stehen dabei gut, dass Sie dieser Jemand sind. Die "Projektschieberei" und Anpassung der Zielsetzungen kann außerdem ein Zeitfresser sein und so von den eigentlichen Aufgaben ablenken.
"Das liegt auf jeden Fall im Budget"
Wenn es darum geht, neue Tools oder Initiativen anzustoßen, stellen Sie einen Kostenplan auf, sprechen mit Spezialisten, finden den richtigen Partner und kümmern sich um das Onboarding der Teammitglieder. Außerdem sind Sie sich sicher, dass Sie über ausreichend Budget verfügen, um die Sache durchzuziehen. Letzteres ist allerdings oft eine Lüge, die IT-Manager sich selbst auftischen.
"Die Kosten für Deployment und Integration werden so gut wie immer unterschätzt", gibt Ryan Denehy, CEO von Eletric AI, zu bedenken. "Ein einzelnes Tool zum Laufen zu bringen, ist das eine - es fachgerecht in die bestehende Infrastruktur einzubinden, kann jedoch mit unerwarteten Kosten verbunden sein und den Zeitplan in Gefahr bringen."
"Irgendjemand wird schon etwas sagen"
In jedem Meeting das gleiche Bild: Lächelnde Gesichter, allgemeine Leichtigkeit, von Problemen keine Spur - auch nicht auf Nachfrage. Läuft also alles perfekt. Zumindest in Sachen Selbsttäuschung, denn das verhält sich in den seltensten Fällen so.
"Viele IT-Manager gehen davon aus, dass ihre Mitarbeiter sich bemerkbar machen, wenn etwas schiefläuft", meint Mike Saccotelli, Director Software Engineering bei SPR. "Das ist allerdings eine Fehlannahme: Natürlich werden die Abläufe intern diskutiert, aber wenn es dann darum geht, den Vorgesetzten zu informieren, fühlen sich viele Mitarbeiter entweder nicht wohl damit oder sehen das nicht als ihre Aufgabe an."
Dabei wüssten die Mitarbeiter, dass das Projekt auf der Kippe steht - würden aber lieber sehenden Auges in den Untergang steuern, als über sich hinauszuwachsen und etwas dagegen zu unternehmen, so Saccotelli. Er empfiehlt deshalb, mit allen Projektbeteiligten regelmäßig Einzel-Meetings abzuhalten: "Wenn Sie sich diese Mühe nicht machen, können die Dinge schnell aus dem Ruder laufen", weiß der Experte.
- Digitale Transformation
Wie sieht die digitale Transformation in der Praxis aus und welche Auswirkungen hat sie auf Führungs- und Unternehmenskultur? Um diese Frage kreist der zweite Teil einer groß angelegten Studie der Hochschule St. Gallen (HSG). Deren Institut für Wirtschaftsinformatik hat dabei mit T-Systems Multimedia Solutions und dem Bundesverband Digitale Wirtschaft zusammengearbeitet. Die Ergebnisse sind unter dem Titel „Rollen, Prozesse und Führung in der digitalen Transformation“ dokumentiert. - Vier Wege
Die HSG skizziert vier Möglichkeiten: Entweder benennen Unternehmen einen CDO oder eine Digital Unit. Alternative ist ein Stab, der abseits vom Tagesgeschäft und außerhalb der Linienorganisation arbeitet, oder ein Unternehmen, das digitalisiert genug ist, um die Verantwortung nicht zentral verorten zu müssen. Das ist bisher allerdings ein Ideal. - Neues Job-Profil
Einer der Befragten sagte, die Unternehmen bräuchten einen Manager mit speziellem Job-Profil, der IT- und Strategiekompetenz kombiniere. Oft seien das allerdings "teure Leute, die man sich nicht leistet". - Adidas-Gebäude "Pitch"
Der Sportartikelhersteller Adidas hat ein neues Gebäude namens "Pitch" hochgezogen. 300 Mitarbeiter testen aus, wie Menschen in Zukunft arbeiten wollen. - Arbeiten im "Pitch"
Adidas hat den "Pitch" nach neuen, luftigen Arbeitsplatzkonzepten ausgerichtet, die die Kollaboration erleichtern sollen. - Essen im "Pitch"
Im "Pitch" muss dank großer Küche niemand hungern.
"Mehr Geld, dann läuft die IT perfekt"
Mit größerem Budget wird alles besser: Wenn Ihr CFO Ihnen eine halbe Million zusätzlich zugesteht, stellen Sie ein paar Leute mehr ein und alles wird bestens laufen. Oder?
"Das wird nie passieren", spricht Ryan Denehy aus Erfahrung. Sein Unternehmen Eletric AI bietet Support-Dienstleistungen für IT-Abteilungen an, weswegen er regelmäßig Kontakt zu vielen IT-Entscheidern hat. "Die Zahl der Unternehmen, deren IT-Manager über ausreichend Budget und Manpower verfügen, kann ich an einer Hand abzählen. Die gängigste Aussage zu dieser Thematik ist 'Vielleicht bekomme ich nächstes Jahr ein bisschen mehr Budget'."
Es mag ein schwacher Trost für Sie sein, aber immerhin sind Sie bei weitem nicht der einzige IT-Manager, dem in Sachen Budget oft nur bleibt, sich selbst zu belügen.
"Ich weiß genau, was das Business will"
Ein weiterer Selbsttäuschungsfavorit unter IT-Entscheidern ist die Überzeugung, ganz genau zu wissen, was das Business will und braucht. In der Realität verhält es sich in vielen Fällen immer noch so, dass eine erhebliche Sprachbarriere zwischen Technik und Business existiert.
Für gewöhnlich kommen Leute aus den Fachbereichen mit einer Idee zur IT-Abteilung - meist in Form eines Dokuments, das alle Anforderungen detailliert abbilden soll. Das IT-Team sieht sich das ganze an, nickt es ab und macht sich an die Arbeit - überzeugt davon, dass es genau weiß, worauf es ankommt. "Der Moment, in dem dieses Kartenhaus der Selbsttäuschung einstürzt, kommt meist dann, wenn das Produkt fertiggestellt ist", weiß Bassim Chaptini. "Bei der gemeinsamen Begutachtung heißt es dann von Seiten des Business allzu oft 'Das ist nicht das was wir wollten' oder 'Unsere Anforderungen haben sich geändert'."
Die Gründe für solche Abläufe sind vielschichtig - Fakt ist aber, dass die Sprachbarriere zwischen IT und Nicht-IT massiv ist. Abschwächen lässt sich das lediglich durch ausschweifende Dokumentation.
"Die Zeit dafür findet sich sicher irgendwann"
"Ich sage mir immer, dass ich Zeit haben werde, mich mit neuen Technologien zu beschäftigen", gesteht Mike Saccotelli. "Wozu es natürlich niemals kommt."
Das hat allerdings nichts mit fehlendem Enthusiasmus oder Bequemlichkeit zu tun - der Job eines IT-Managers ist fordernd und es stellt eine große Herausforderung dar, neben dem Alltagsgeschäft stets auf dem aktuellen Stand der Technologie zu bleiben. Auf der anderen Seite schadet es langfristig der Karriere, wenn das nicht der Fall ist.
Daran sollten IT-Entscheider auch denken, wenn sie von ihren IT-Experten verlangen, sich technologisch weiterzubilden: "Als Manager ist es Ihre Aufgabe, das Team bestmöglich zu unterstützen und den Einzelnen genug Zeit zuzugestehen, um sich entsprechend einarbeiten zu können. Trotzdem ist es absolut unabdingbar, dass Sie sowohl sich selbst als auch das Team stets antreiben und motivieren, um sich konstant zu verbessern", empfiehlt Entwicklungschef Saccotelli.
"Meine Kunden sind Idioten"
"Eine der größten Verfehlungen von IT-Abteilungen ist es, sich nicht am Retail-Grundsatz 'der Kunde hat immer recht' zu orientieren", meint Dennehy. "Dieses Konzept ist in der IT absolut undenkbar - die meisten IT-Manager würden Ihnen bei dieser Aussage ins Gesicht springen und darauf bestehen, dass der User niemals Recht hat."
Fakt ist: Viele User tun sich schwer damit, IT-Probleme richtig zu artikulieren, beziehungsweise diese gegenüber den Experten zu kommunizieren. Aber sie haben definitiv ein technisches Problem. "Wenn wir dazu kommen würden, dass die IT-Abteilung davon ausgeht, dass die User Recht haben - schließlich besteht das Problem ja definitiv -, ließe sich eine wesentlich bessere Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilung und Fachbereichen realisieren", ist sich Dennehy sicher. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.