Aushub
Wo gebuddelt wird, da fallen Rohstoffe an
Wer in seinem Garten einen Baum pflanzt, kann die ausgehobene Erde im einfachsten Fall in unmittelbarer Nähe gebrauchen. Wenn die Deutsche Bahn (DB) allerdings einen Tunnel baut, kommen solche Massen zusammen - mehrere Millionen Tonnen pro Jahr -, dass die in der Regel auf Deponien landeten. Doch Sand, Kies, Ton und Naturstein könnten in vielen Fällen anderweitig gebraucht werden, weshalb die DB mit dem hauseigenen Start-up Erdpool die mineralischen Rohstoffe aus Bauprojekten auf einem digitalen Marktplatz verkauft.
Zum einen gehe es darum, das Material in den Wirtschaftskreislauf zu bringen und so Ressourcen zu schonen, sagt Bauingenieurin Katrin Fischer, die das Projekt mit einem Team entwickelt hat. "Wir stehen auch vor dem Problem, dass wir das Material nicht entsorgt kriegen", sagt Fischer. Viele Deponien seien voll. Zum anderen spare die Bahn hohe Entsorgungskosten. Uneigennützig ist das Ganze also nicht.
Beim Großprojekt Karlsruhe-Basel kann man gut sehen, wie es funktioniert: Dieser Tage liefen Erdbohrungen im Raum Offenburg. Diese würden sowieso gemacht, um den Boden zu analysieren, sagt Fischer. Die Proben werden umwelttechnisch untersucht, wie hoch etwa der Arsengehalt ist. "Schlechtes Material muss auf die Deponie."
Stuttgart 21 nicht vermarktungsfähig
Anhand der Bohrkerne erkennen die Fachleute, mit welchem Material sie es zu tun haben: Einige Meter sind sehr lehmig, die Schicht darunter besteht vor allem aus Steinen. Der Boden entlang der Strecke Karlsruhe-Basel sei nicht schadstoffbelastet, sagt Fischer. Anders sei es bei Stuttgart 21 gewesen. "Das war nicht vermarktungsfähig."
Im Prinzip ist die Idee bekannt. "Unsere großen Unternehmen betreiben schon aus Kostengründen Stoffstrommanagement auf ihren verschiedenen und gegebenenfalls sogar auf derselben Baustelle", erläutert eine Sprecherin des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie.
Beim Bau des Berliner Flughafens BER etwa sei Aushubmaterial an der einen Stelle entnommen und an anderer Stelle wieder verwendet worden, um aus dem hügeligen Gelände flache Start- und Landebahnen machen zu können. Auch die Autobahn GmbH, die wie die Bahn große Bauprojekte verantwortet, nennt als oberste Prämisse, das ausgehobene und aus der Erde gebohrte Material innerhalb der geplanten Baumaßnahme zu nutzen.
Boden und Steine werden zu 86 Prozent verwertet
Laut dem 13. Monitoringbericht der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau werden knapp 86 Prozent aus dem Bereich "Boden und Steine" verwertet - überwiegend zur Verfüllung von Abgrabungen und im Deponiebau. Ob beziehungsweise wie das Material verwertet werden kann, hängt nach Angaben der Verbandssprecherin auch davon ab, ob das umweltrechtlich und bautechnisch überhaupt möglich sowie zu "vernünftigen" Transport- und Entsorgungskosten darstellbar sei.
Weil die Entsorgung mineralischer Bauabfälle immer komplizierter und kostspieliger werde, verteuere sich das Bauen weiter, heißt es in einem Positionspapier der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Zudem moniert der Verband darin unter anderem zu wenig Planung insbesondere mit Blick auf die Entsorgung des Materials, zu wenige Verwertungsmöglichkeiten und Deponien sowie dass öffentliche Auftraggeber den Einsatz von Recycling-Baustoffen verweigerten.
150 Abnehmer
Seit knapp zwei Jahren gibt es das Bahnprojekt Erdpool. Aus Sicht der Bauindustrie ist es eine Vermarktungsplattform wie sie auch andere anbieten - etwa der Mineral Waste Manager und Schüttflix. Über alle Erdpool-Projekte hinweg seien rund 15 bis 20 Prozent des Aushubs vermarktbar, erläutert Mitinitiatorin Fischer. Über 150 Abnehmer zählt die DB nach eigenen Angaben in einem internationalen Netzwerk.
Das seien zum Beispiel die Ziegel- und Zementindustrie, sagt Fischer. Manchmal könnten auch alte Kiesgruben aufgefüllt oder renaturiertes Gelände befestigt werden, etwa Ufer. Mehr als acht Millionen Tonnen Angebot sind nach DB-Angaben auf der Plattform inseriert. Ihnen stehen derzeit Gesuche im Umfang von rund 600 000 Tonnen gegenüber.
Mit den Kunden besprechen Fischer und ihr Team, ob das Material im besten Fall direkt von der Baustelle per Zug geliefert werden kann und welche Wagentypen vor Ort abgeladen werden können. Mit Behörden muss geklärt werden, dass der Erdaushub auch verwendet werden darf. "Erstmal ist das ja Abfall", macht Fischer deutlich. Je nach Abnehmer unternehmen die Erdpool-Leute außerdem etwa noch Brennversuche, damit etwa ein Zementhersteller mehr zur Qualität erfährt.
Der Verein Deutscher Zementwerke wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ob damit beispielsweise Lieferengpässe ausgeglichen werden könnten. Die Autobahn GmbH wiederum erklärt, als öffentlicher Auftraggeberin sei ihr eine Vermarktung von "Überschussmassen" nicht möglich. Doch: "Alternative Vorgehensweisen in Anlehnung an das Projekt Erdpool der Deutschen Bahn werden aktuell geprüft." (dpa/ad)