IT-Recruiting und Diversity
24 Unternehmen treffen 110 IT-Talente
"Ich erzähle euch einmal die Geschichte von Marcy." So startete Birgit Köbl die Auftaktveranstaltung zum ReDI Job Fair im Juli in München. "Sie kam als Flüchtling nach Deutschland, schrieb 120 Jobbewerbungen und bekam keine Antwort." Dann habe sie an einer Jobmesse der ReDI School of Digital Integration teilgenommen, fünf bis sechs Arbeitgeber kennengelernt und drei Jobangebote erhalten.
Genau darum gehe es beim ReDI Job Fair: dass sich die Bewerbenden mit den Arbeitgebern treffen, man sich kennenlernen und in die Augen schauen könne, so Köbl weiter. Das mache den großen Unterschied, davon ist die Director Talent Program & Career Partnerships bei ReDI überzeugt. Denn: 50 Prozent hingen davon ab, was man weiß, die restlichen 50 Prozent davon, wen man kenne.
"Ihr seid die Zukunft der Stadt!"
Ein Grußwort hielt auch Clemens Baumgärtner vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München, Mitveranstalter des Job Fairs. Er kam herbeigeeilt von der Eröffnung der Oktoberfestbaustelle und war sichtlich froh, den hohen Außentemperaturen entkommen zu sein und sich im Munich Urban Colab in der Freddie-Mercury-Straße 5 abkühlen zu können. Er freue sich, so viele neue Talente auf der Veranstaltung zu sehen. Der IT-Sektor brauche Fachkräfte. "You are the future of the city", schloss er.
Die nächste Rednerin, Anette Farrenkopf, Geschäftsführerin des Jobcenters der Stadt München, gratulierte den anwesenden Jobsuchenden zunächst zu ihrem bestandenen ReDI-School-Abschluss. ReDI bietet Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne Zugang zur digitalen Welt unterschiedliche IT-Kurse und -Qualifizierungen mit einer Dauer von etwa drei Semestern an, um sie fit für den deutschen Arbeitsmarkt zu machen. Farrenkopf freute sich, dass 60 Prozent der Absolventen weiblich seien - diese Verteilung spiegelte auch das anwesende Publikum wider. Das Jobcenter betreue derzeit etwa 31.000 Migrantinnen und Migranten, da sei die Unterstützung durch ReDI eine große Hilfe.
"Vergesst, was ihr früher getan habt!"
Bei allen Hilfestellungen, die der Staat und gemeinnützige Organisationen wie ReDI den Menschen biete, dürfe man aber nicht vergessen, wie wichtig Eigeninitiative sei, so warnte Sangeeta Singh eindrücklich. Die gebürtige Inderin hielt einen flammenden Appell an alle Anwesenden, dass man nicht im stillen Kämmerlein sitzen dürfe und darauf warten solle, dass einem geholfen wird oder einem ein Jobangebot zufliegt.
Sie sei als Mathematiklehrerin nach Deutschland gekommen, habe aber keine Arbeit finden können, weil die Reglementierungen für Lehrberufe dies nicht zuließen. Daraufhin habe sie beschlossen, erst einmal die deutsche Sprache richtig zu lernen, denn das sei einer der wichtigsten Schritte, um Fuß zu fassen. Außerdem habe sie sich von dem Gedanken frei gemacht, unbedingt in ihrem früheren Beruf zu arbeiten. Das riet sie auch allen Zuhörenden: "Vergesst, was ihr früher getan habt, verabschiedet euch davon und startet neu!"
Vor dem Smart Learning müsse Hard Learning kommen, davon ist sie überzeugt. Um sich neu aufzustellen sei es zudem wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die einen unterstützen: "Geht raus und sucht den Kontakt zu denen, die euch weiterbringen." Das habe auch ihr geholfen. Nach ihrem Abschluss bei ReDI hat sie jetzt ein Praktikum bei Cisco begonnen und hofft auf eine Festanstellung.
Von Allianz bis Validas
An diesem Nachmittag hatten über 110 arbeitssuchende Menschen mit Migrations- oder Flüchtlingsgeschichte die Gelegenheit, 24 Unternehmen kennenzulernen und sich über Karrieremöglichkeiten zu informieren. Zu den teilnehmenden Firmen zählten unter anderem die Allianz, Arvato Systems, Payback, Reply, Retarus und Validas, aber auch Startups, das Goethe Institut und UnternehmerTUM mit der Digital Product School. Viele Unternehmen waren zum wiederholten Mal dabei und haben gute Erfahrungen gemacht - nicht nur bei der Anbahnung von Kontakten, sondern auch langfristig: Denn diverse Teams sind erfolgreiche Teams, da waren sich alle einig.
Die anwesenden Firmen durften sich in einem Mini-Pitch den Jobsuchenden vorstellen, clever gemanagt von Janis Janowky, der das Mikrofon nicht aus der Hand gab, um Ausschweifungen zu verhindern. Die sehr sympathischen Kurzvorstellungen brachen für viele Jobsuchende das Eis, so dass sich im Anschluss an den Firmenständen schnell intensive Gespräche entspannen. Die meisten Firmen suchten Talente in der Software-Entwicklung, für das Front-End oder den Support. Einige hoben zudem hervor: "Wir suchen auch alle möglichen anderen Profile, nicht nur in der IT." Der flächendeckende FachkräftemangelFachkräftemangel ist offenbar da. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de
ReDI School in München
Die "ReDI School of Digital Integration" in München wird unterstützt durch das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ). Die gemeinnützige Programmierschule bietet Kurse für technikinteressierte Migranten und Geflüchtete, die keinen Zugang zu digitaler Bildung haben. Gegründet wurde ReDI 2015 von der Dänin Anne Kjaer Bathel. Die gGmbH hat Niederlassungen in Berlin, Hamburg, München, Nordrhein-Westfalen sowie Kopenhagen und Aarhus.
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- Kenza Ait Si Abbou, KI-Expertin und CTO bei Fiege
Sie tanzt mit Algorithmen und zähmt Roboter: Kenza Ait Si Abbou ist nicht nur KI- und Robotik-Expertin - inzwischen als CTO im Vorstand bei Fiege - sondern auch Kinderbuchautorin und Spiegel-Bestseller-Autorin. Sie beherrscht das Kunststück, "AI for everyone" erklären zu können. In unserem Podcast (siehe Link) erklärt sie anschaulich anhand eines IKEA-Möbelstücks den Unterschied zwischen deterministischen und nicht-deterministischen Algorithmen in der KI. - Julia Freudenberg, Hacker School
"Jedes Mädchen sollte einmal programmiert haben, bevor sie sich für einen Beruf entscheidet", sagt Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School aus Hamburg. Die gemeinnützige GmbH bietet Programmierkurse an, damit Mädchen und Jungen in die Welt der IT hineinschnuppern können. Mädchen und Frauen für die IT zu gewinnen, das liegt ihr besonders am Herzen. - Claudia Plattner, BSI-Präsidentin
Die Mathematikerin, von 2021 bitte Mitte 2023 Generaldirektorin für Informationssysteme bei der Europäischen Zentralbank (EZB), ist seit Juli 2023 Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). - Haya Schulman, Cyberspezialistin
Die israelische Expertin für Netzwerk- und Computersicherheit Haya Schulman ist Professorin am Lehrstuhl für Informatik der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und hält eine LOEWE-Spitzen-Professur. Sie leitet seit einigen Jahren am Fraunhofer-Institut für sicherere Informationssysteme SIT in Darmstadt die Abteilung für Cybersicherheit, Analytik und Verteidigung sowie das Security Operations Center. 2021 erhielt sie den deutschen IT-Sicherheitspreis. - Anna Kopp, CIO Microsoft Deutschland
Die gebürtige Schwedin startete ihre berufliche Karriere einst in der Touristikbranche, wechselte dann in den Sales bei Silicon Graphics - ohne einen blassen Schimmer von IT zu haben - und arbeitete sich beharrlich und mutig weiter vor in der IT-Branche über Stationen wie Sun Microsystems und Coremedia, bis sie 2004 bei Microsoft landete. Welchen Einfluss die Rockmusik auf ihre Karriere hatte, erzählt sie in unserem Podcast. - Elsa Kirchner, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
Elsa Kirchner, Forscherin am DFKI, verbindet künstliche Intelligenz und Neurowissenschaft. So werden Patienten nach einem Schlaganfall früher beweglich. Ein Exoskelett hilft weiter. - Mina Saidze, Data Evangelist und Gründerin
Mina Saide, Data Evangelist und Gründerin von Inclusive Tech, setzt sich für mehr Diversity in der IT-Branche ein. Vom Wirtschaftsmagazin Forbes wurde sie in die berühmte "30-Under-30"-Liste aufgenommen. Sie will Big Data und künstliche Intelligenz demokratisieren, indem sie eine Brücke zwischen Tech und Business schafft. - Katharina Knötel, CIO Coca-Cola Europacific Partners
Katharina Knötel ist seit Mitte 2021 IT-Chefin von Coca-Cola Europacific Partners in Deutschland. Sie hat Wirtschaft studiert, bevor sie eine Karriere in der IT begann. Ihr liegen besonders die Themen Vielfalt und Talentförderung am Herzen. Sie ist überzeugt: "Am wichtigsten ist, dass man eine große Leidenschaft hat für das, was man tut." - Linda Kramer, Siemens Energy und Sidepreneurin
Nebenberuflich gründen: Wie das geht und warum ihr Hauptarbeitgeber Siemens Energy auch davon profitiert, das erzählt Linda Kramer in unserem Podcast. - Jessica de Lafuente Torres, Otto Group IT
Jessica de Lafuente Torres kam auf Umwegen in die IT bei Otto. Sie macht sich heute für Frauen in der IT stark und hat die Initiative "develop<HER>" des Handelskonzerns mitgegründet. Dadurch sollen Frauen für MINT-Karrieren begeistern werden. - Karin Gräslund, Professorin Rhein-Main-Hochschule
Karin Gräslund ist Wirtschaftsinformatikprofessorin an der Rhein-Main-Hochschule. Sie war zudem lange Zeit im Vorstand der Deutschen SAP-Anwendergruppe (DSAG) sowie Sprecherin der "Women@DSAG"-Gruppe. Sie setzt sich generell für mehr Frauen in der IT ein und verrät in unserem Interview (Link unten) Tipps und Tricks, wie Frauen mit dem Thema Macht umgehen und es positiv nutzen können.