Konsum
Besitz macht glücklich
"Trost der Dinge"
Dass selbst die überbordende Warenwelt uns keineswegs, wie die gängige Konsumkritik es will, an vitalen mitmenschlichen Beziehungen hindert, zeigt schließlich eine bemerkenswerte Feldstudie des Londoner Anthropologen Daniel Miller. "Der Trost der Dinge" heißt die Sammlung von 15 Porträts, in denen Miller das Wohnungsinventar von Menschen zum Sprechen bringt, die in einer ganz normalen Straße im Süden Londons leben.
Wie sich, so Millers Leitfrage, die "Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse eines Menschen in den Dingen widerspiegelt, mit denen er sich innerhalb seiner eigenen vier Wände umgibt", wird nirgendwo so deutlich wie in den Kapiteln "Leere" und "Fülle": Die völlig schmucklose, von keinem Foto, keiner Porzellanfigur belebte Wohnung des frühpensionierten Buchhalters George erscheint als Spiegel seiner eigenen Leere, als erschreckendes Dokument seines ungelebten Lebens.
Die liebevoll eingerichtete, zur Weihnachtszeit prächtig mit Geschenken dekorierte Wohnung des Ehepaars Clarke hingegen bildet den festlichen Rahmen einer "hochkultivierten Geselligkeit, die auf über Generationen weitergegebener Erfahrung beruht" und die anti-frommsche These bestätigt: dass das "Haben", die "Hingabe an die Dinge", ein Hinweis ist auf die "liebevolle Zuwendung zu anderen Menschen".
Forscher Miller glaubt, dass die Ordnungssysteme, die einst von Kirche und Staat bereitgestellt wurden, heute vom Einzelnen geschaffen werden. Nicht zuletzt durch das Arrangement der Dinge, die Halt bieten, etwa in Form von Kleidung und Schmuck, wie bei der 20-jährigen Charlotte, die ihre Vergangenheit betrachtet, indem sie ihre Piercings ansieht. Oder durch das Sammeln von McDonald’s Happy Meals: Die Spielzeugfiguren, eine "industriell hergestellte Massenware", machen Marina und ihre Kinder tatsächlich glücklich. Sie werden zu nichts Geringerem als der "ästhetischen Summe ihrer Existenz".
(Quelle: Wirtschaftswoche)