Konsum
Besitz macht glücklich
"Schauer des Erworbenwerdens"
Die gängige Konsumkritik, so Ullrich, übersehe, dass es das "nackte Sein à la Fromm" gar nicht gibt, dass wir "immer schon in Ding- und Haben-Welten sozialisiert sind", die unsere Identität mit konstituieren. Dass die Menschen Autos, Bücher und CDs zunehmend nur noch auf Zeit oder virtuell nutzen, macht die Exklusivität des materiellen Besitzes von Dingen keineswegs obsolet. Im Gegenteil: Die Konsumerlebnisse bleiben an das konkrete Haben gebunden, weshalb das Sharing, die gemeinsame Nutzung von Dingen, wie Ullrich vermutet, trotz aller vernünftigen Gründe "Sache einer kleinen Minderheit bleibt: Die Produkte können ihren Emotions- und Fiktionswert nämlich nur dann voll entfalten, wenn man sie auch real besitzt." Das "Glück des Habens" ist geradezu magisch an Exklusivität geknüpft, erst durch den "Schauer des Erworbenwerdens" (Walter Benjamin) avancieren die Dinge zu einem Teil unseres Selbst.
Verlust schmerzt
Was Wunder, dass ihr unfreiwilliger Verlust, etwa durch Einbruch oder Zwangsvollstreckung, von den Betroffenen als Angriff auf die Integrität der Person empfunden wird. Die Journalistin Annette Schäfer zitiert ein Einbruchsopfer mit den Worten: "Schlimmer ist nur, einen Menschen zu verlieren; es ist, als ob man vergewaltigt wird." Ihr soeben erschienenes Buch "Wir sind, was wir haben.
Über die tiefere Bedeutung der Dinge für unser Leben" ist eine Hommage an den amerikanischen Psychologen William James (1842–1910), der die Identität der Person unmittelbar an ihr Haben knüpfte, an die persönlichen Dinge, die er als Selbst-Objekte verstand. Das "Selbst eines Menschen" definierte James in einem umfassenden Sinn als die "Gesamtsumme" dessen, "was die Person ihr Eigen nennen kann, nicht nur sein Körper und seine psychischen Kräfte, sondern auch seine Kleider und sein Haus, seine Frau und Kinder, sein Ruf und seine Arbeit, seine Yacht und sein Bankkonto".
James redete durchaus nicht dem Materialismus das Wort. Er verwies vielmehr, wie Schäfer sagt, auf die "enge Beziehung" zwischen dem Selbstwertgefühl und den "Besitztümern eines Menschen", die essenziell zu ihm gehören, kurz, auf die identitätsstiftende Bedeutung der Dinge: Verlieren wir Besitz, so erleben wir dies als Schrumpfung der Person, bis zum Gefühl der Vernichtung, etwa wenn eine Sammlung oder ein wichtiges handschriftliches Werk verloren geht.
Verluste, so wissen die Ökonomen unter den Glücksforschern, werden empfindlicher wahrgenommen als Gewinne. Ein Ding zu verlieren bedeutet größere Unlust, als es die Lust ist, etwas Gleichwertiges zu erwerben. Zusätzliche Konsumverheißungen mögen den Durchschnittsmenschen kaltlassen, doch wenn er mit weniger auskommen muss als dem, was er hat, fühlt er sich schnell entwertet. Zumal wenn diejenigen, denen er sich ebenbürtig fühlt, nicht so stark zurückstecken müssen, wie er selbst. Allemal definieren wir uns auch über das, was wir haben, ob über Geld oder über die Dinge, die uns umgeben. Sie sind uns keineswegs äußerlich, im Gegenteil, sie sind Spiegel unserer Persönlichkeit, Begleiter unserer Biografie.