Yield-Management lässt Last-Minute-Idee abstürzen
Bis zum Abflug steigen die Preise
Nicht nur Äpfel, Birnen und Bananen sind verderbliche Ware. Bleibt ein Sitzplatz während eines Fluges leer, ist er ebenso verfallen wie ein Hotelzimmer, das eine Woche leer steht, oder ein Mietwagen, der einen Tag lang von keinem Kunden bewegt wird. Bei immer mehr Touristikunternehmen achten deshalb spezialisierte Manager auf den Auslastungsgrad - so genannte Yield-Manager.
Frank Böttcher ist einer von ihnen. Seit mehr als acht Jahren beschäftigt er sich mit Yield-Management. Heute leitet er den Billig-Autovermieter Interrent. Seit fast einem Jahr bietet Böttchers Firma ihre Dienste nach folgendem Prinzip an: Je früher der Kunde bucht, desto weniger muss er zahlen. Am Anfang werden die preissensiblen Kunden zu Schnäppchen-Konditionen bedient, zum Schluss bucht die zeitsensible Klientel zu höheren Preisen. Drei Server mit Load Balancing sind dafür im Einsatz. 100 Prozent der Buchungen werden über das Internet abgewickelt. Anders geht es nicht - eine Marge, die den Vertrieb über andere Kanäle erlaubt, gibt es im Geschäft der Low-Cost-Vermieter nicht. "Ohne ein gutes, automatisiertes Preissystem und ohne gute Prognosen wären wir nicht wettbewerbsfähig", sagt Böttcher.
Kein Mensch denkt fünfdimensional
Das inhouse entwickelte Programm lernt ständig dazu. Einzeldatensätze werden über SQL-Abfragen in Gruppen abgelegt. Anschließend analysiert die Software die aggregierten Daten und entwickelt eine Prognose. Die Bedürfnisse von verschiedenen Kundensegmenten müssen über diverse Zeithorizonte hinweg für verschiedene Fahrzeugkategorien vorhergesehen werden. "Ohne IT ist unser Geschäft gar nicht steuerbar", sagt Böttcher. "Ein Mensch kann nicht fünf- oder sechsdimensional denken." Nach der Analyse senkt das System bei Angebotsüberhängen den Preis, bei höherer Nachfrage setzt es ihn herauf. Im Prinzip ist bei der dynamischen Preisanpassung jederzeit eine Reaktion auf den Buchungsstand möglich. Routinemäßig wird aber nur jede Nacht aus der Oracle-Datenbank ein Extrakt errechnet und in die Prognosesysteme integriert.
Die ersten Bemühungen im Yield-Management fanden Ende der siebziger Jahre statt, als die Deregulierungsbemühungen auf den US-amerikanischen Transportgütermärkten zum Einstieg der Billigfluglinien führten. Schon damals realisierten die Anwender mit Hilfe der Ertragssteuerung massive Gewinnzuwächse. Heute hat das Yield-Management durch moderne IT eine völlig neue Bedeutung erlangt. "Der Aufstieg der Billigflieger wäre ohne ein Web-basiertes Yield-Management nicht möglich gewesen", sagt Matthias Schrader, Vorstand des E-Business-Dienstleisters Sinner-Schrader.
Softwarelizenz für eine Million Dollar
Die Hamburger betreuen mehrere Yield-Management-Projekte, unter anderem für Interrent und Hapag-Lloyd Express. Anders als bei Interrent kommt bei HLX eine Standardsoftware zum Einsatz: "OpenSkies" von Navitaire ist mit etwa 22 Einsätzen die weltweit meistgenutzte Standardbuchungsoftware von Fluggesellschaften. Sie enthält alle notwendigen Yield-Management-Funktionen und gilt als gut und zuverlässig. Eine Lizenz ist ab einer Million Dollar zu haben.