Healthcare IT


CIO der Techniker Krankenkasse

Business- und IT-Abteilungen verschmelzen

Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Markus Schlobohm, CIO der Techniker Krankenkasse, setzt auf virtuelle Teams und erwartet, dass Fachbereiche und IT-Einheiten zusammenwachsen.
„Die IT muss nicht mehr alles selbst machen, sie darf aber auch nicht außen vorbleiben“, sagt Markus Schlobohm, Geschäftsbereichsleiter Informationstechnologie bei der Techniker Krankenkasse.
„Die IT muss nicht mehr alles selbst machen, sie darf aber auch nicht außen vorbleiben“, sagt Markus Schlobohm, Geschäftsbereichsleiter Informationstechnologie bei der Techniker Krankenkasse.
Foto: Techniker Krankenkasse

"Der Trend geht in Richtung Verschmelzung - im Sinne von enger Zusammenarbeit in virtuellen Teams", sagt Markus Schlobohm. "Die Fachbereiche bleiben zwar in ihrer Stammorganisation beheimatet, bringen sich aber in virtuellen Teams ein, die dann die Produktverantwortung erhalten und mit neuen Tools, Methoden und Rahmenbedingungen arbeiten."

Schlobohm, seit Oktober 2019 Geschäftsbereichsleiter Informationstechnologie bei der Techniker Krankenkasse, erklärte im Rahmen einer qualitativen Studie der Managementberatung Kobaltblau, wie er sich die IT-Organisation der Zukunft vorstellt. Für den gesetzlichen KrankenversichererKrankenversicherer sieht er auf mittlere Sicht zwar ein Zusammenwachsen von Business und IT, organisiert vor allem über agileagile Produktteams. Doch auch künftig werde es noch Querschnittsteams für klassische IT-Betriebsthemen geben, die sicherstellten, dass die virtuellen Teams sich komplett auf das Produkt konzentrieren könnten. Zudem seien auch in fünf Jahren noch nicht alle Legacy-Themen erledigt. Alles zu Agile auf CIO.de Top-Firmen der Branche Gesundheit

Product Owner brauchen einen strategischen Rahmen

Der CIO kann dem derzeit heiß diskutierten Konzept einer produktorientierten IT einiges abgewinnen, sieht aber auch Hürden auf dem Weg dorthin: "Damit Product Owner sich auf agiles Arbeiten in der Produktentwicklung konzentrieren können, ist der Aufbau eines strategischen Rahmenwerks nötig. Das beinhaltet die Definition einer gemeinschaftlich mit der Geschäftsleitung zu entwickelnden Produktvision oder großer Ziele auf der strategischen Ebene." Zudem müsse der Product Owner legitimiert sein, die Ownership auch "auszuleben".

Erfolgsentscheidend ist für Schlobohm ein optimaler Skill-Mix in den virtuellen Teams, die schließlich die volle Verantwortung für ein Produkt bekämen. Expertinnen und Experten aus der IT-Entwicklung gehörten ebenso dazu wie Fachleute aus dem Business, darüber hinaus brauche es Spezialisten für Teilbereiche wie Design, UI und UX. Klar sollte außerdem sein: "Wenn nicht das gesamte Unternehmen produktorientiert arbeitet, sondern einzelne klassische Linienbereiche beibehalten werden, wird es zu Friktionen kommen." Ein Produktentwicklungsteam werde sich dann plötzlich in klassischen Unternehmensprozessen wie Jahres- oder Budgetplanung wiederfinden.

Produktteams bei der Techniker Krankenkasse

Die Produktteams der Krankenkasse bestehen durchschnittlich aus 15 Mitarbeitenden. "Der Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin kennt die Kundenseite, und Prozess-Spezialistinnen und Spezialisten wissen um die Abläufe in Fachbereichen", erläutert der CIO. "Idealerweise sind außerdem Organisationsverknüpfungen zu Testlaboren integriert, um die Produkte direkt mit den Kundenwünschen zu vernetzen."

Dass der vielzitierte Citizen Developer mit Low-Code- oder No-Code-Tools künftig an Bedeutung gewinnen wird, kann sich Schlobohm vorstellen. Allerdings brauche es dazu die passenden Rahmenbedingungen. "Aus IT-Sicht ist eine starke Governance nötig. Dann sollte es auch der Business-Seite möglich sein, Low-Code-Plattformen und ähnliches zu benutzen". Entscheidend sei, dass eine derartige Verschmelzung in beide Richtungen gehe: "Die IT muss nicht mehr alles selbst machen, sie darf aber auch nicht außen vorbleiben."

Governance für eine produktorientierte IT

Agile Entwicklungsmethoden und eine dazu passende Governance hat die Techniker Krankenkasse bereits eingeführt. "Die Produkte, die wir selbst entwickeln, entstehen in einer Organisationsstruktur mit agilen Produktentwicklungsteams - mit Squads und zugehörigen Tribes", erläutert Schlobohm. "Zugehörige Tribe-Lead- und Chapter-Lead-Funktionen werden derzeit an die herkömmliche Organisation angedockt." Dazu gebe es Gremien wie ein Board, das die Demands kontrolliere und Business Owner, die regelmäßig das Gesamtportfolio prüften und gegebenenfalls anpassten.

Governance-Strukturen braucht es nach den Erfahrungen des CIO auch für den Umgang mit Daten. Dabei geht es vor allem um die Zusammenarbeit zwischen dezentralen Data Ownern in den Fachbereichen, der zentralen IT-Organisation und einer Data-Lake Governance-Organisation. Schlobohm: "Diese Herausforderungen gehen wir in einem eigenen Projekt an. Wir wollen den Datenschatz heben, damit alle Bereiche davon profitieren." Das zentrale Vorhaben steuere die TK auf Bereichsleitungsebene mit einer gemeinsamen Verantwortung von Controlling, IT und der Fachseite.

Erfolgsfaktoren für die Transformation

Am Ende sei eine derartige Transformation nicht hundertprozentig planbar, resümiert der CIO. "Erfolgskritisch ist aus meiner Sicht die Story und das Narrativ dahinter. Es muss eine Antwort geben auf die Fragen: Warum tun wir das? Welches Problem wird gelöst? Was ist nachher anders? Die Story müssen alle Beteiligten verinnerlicht haben." Budgets oder Ressourcen sind aus Sicht Schlobohms kalkulierbar. Vielmehr komme es auf das richtige Mindset der Beteiligten und die Unternehmenskultur an. Schlobohm: "Und dann ist noch ein langer Atem nötig, um Kurs zu halten."

Zur Person

Markus Schlobohm ist seit Oktober 2019 CIO (Geschäftsbereichsleiter Informationstechnologie) bei der Techniker Krankenkasse. Zuvor leitete er dort den Geschäftsbereich Unternehmensentwicklung. Vor seinem Einstieg beim Hamburger Krankenversicherer arbeitete er in verschiedenen Management-Positionen für den Lufthansa-Konzern, zuletzt als Geschäftsführer einer Lufthansa-Tochter im Finanzbereich. Schlobohm hat an der Universität Kiel Mathematik und Wirtschaftswissenschaften studiert und ist Diplommathematiker.

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