Industrie 4.0
Connected Manufacturing in der Smart Factory
Die traditionelle Industrieproduktion ist ein Auslaufmodell. Der Digitalisierungsprozess als Antriebsmotor für Industrie 4.0 führt zu einem weitaus höheren Automatisierungsgrad des Produktionsprozesses und zu weitreichenden Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Am Ende dieser Entwicklung steht die sogenannte Smart Factory, eine komplett digitalisierte und in alle Richtungen vernetzte Industrieproduktion jenseits der Grenzen heutiger Herstellungsprozesse.
Beschleunigt wird diese Entwicklung durch eine Reihe unterschiedlicher Faktoren: Die Konvergenz der Technologien ermöglicht eine höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Prozesse entlang der dadurch komplexer und dynamischer werdenden Wertschöpfungskette. Neue Märkte entwickeln sich und auf Seiten der Kunden entsteht durch die Möglichkeiten, die ihnen die Digitaltechnik bietet, eine größere Erwartungshaltung gegenüber den Anbietern, was wiederum die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen unterstützt.
Auswirkungen am Beispiel der Kundenkommunikation
Noch fällt es vielen Entscheidungsträgern schwer, sich ein Bild davon zu machen, welche Veränderungen beispielsweise Connected Manufacturing im eigenen Unternehmen bewirken. In einem Beitrag auf BVEx veranschaulicht Joachim Klink, Director & Global Automotive Lead, Microsoft Business Solutions, die Auswirkungen anhand der Kundenkommunikation im traditionellem Automobilverkauf. Dieser läuft bislang über Händler, nicht über den Hersteller.
Nach der Neuanschaffung eines Autos findet allemal noch ein Kontakt zu Servicezwecken oder ähnlichen Gelegenheiten statt. Sucht der Kunde nach drei bis sieben Jahren erneut nach einem Fahrzeug, muss die Kundenbeziehung in den meisten Fällen wieder von neuem aufgebaut werden. "Connected Manufacturing vereinfacht diesen Prozess für die Automobilhersteller", schreibt Klink. Es ermöglicht ihnen, eine Vielzahl von Details über ihre Kunden zu erfahren, beispielsweise wie sie fahren, wann sie fahren und welche Funktionen ihres Autos sie wie häufig nutzen.
"Die Hersteller können diese Daten in Echtzeit und ohne Filterung durch den Händler erfassen und mit den gesammelten Informationen differenzierte Produkte entwickeln oder die Sicherheit der Automobile verbessern", so Klink. Ein intensiver Austausch zwischen Kunde bzw. seinem Auto und dem Hersteller wird zur Regel.
Effekte im Produktionsprozess entlang der Wertschöpfungskette
"Eine zukunftsorientierte Produktion setzt die End-to-End-Integration sämtlicher Prozesse über das ganze Eco-System hinweg voraus", sagt Martin Rainer, VP Enterprise Services for Manufacturing Industry, HPE, in einem Beitrag auf CIO. Damit lassen sich sowohl ein höherer Automatisierungsgrad als auch Einsparungen aufgrund von Rationalisierungen bewirken.
Verstärkt werden diese Effekte laut einer Studie von Roland Berger, sofern die Hersteller sich von ihren "starren Wertschöpfungsketten" lösen und diese hin zu "dynamischen Wertschöpfungsnetzwerken" entwickeln. Diese führen letztendlich nicht nur zur "Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung, sondern auch und gerade, um neue Geschäftsmodelle zu schaffen", so die Studie.
Die Studie bescheinigt der deutschen Automobilindustrie bereits heute einen hohen Digitalisierungsgrad entlang der Wertschöpfungskette von der Herstellung über die Vermarktung, den Service bis zur Nutzung. Entscheidend für die weitere Entwicklung sei es, dass verfügbare Daten mit neuesten Methoden gesammelt, verknüpft und auch bei großen Datenmengen in Echtzeit ausgewertet werden und deren Ergebnisse schließlich sinnvoll in die Produktentwicklung der Smart Factory einfließen.
Smart Factory
"Die Smart Factory verarbeitet all diese Daten vertikal und integriert flexible und rekonfigurierbare Fertigungssystem, so dass sich die Maschinen untereinander verstehen und digitale Services untereinander anbieten bzw. diese nutzen und darüber interagieren", schreiben die HPE-Experten Sukhbinder Gill und Jacques Spee auf dem englischen IT-Portal BVEx. Zur Ausstattung der Smart Factory gehören demnach eine Software-Logik ebenso wie eine sichere Kommunikation, um die Betriebsabläufe sowie Services wie Komponentensteuerung effizienter zu koordinieren.
Industrieunternehmen und Anlagenbesitzer erzielen in Pilotprojekten für die Smart Factory mit HPE bereits heute positive Resultate. So beispielsweise der Carl-Zeiss-Konzern, dessen Prozessanalytik in der Herstellung von HPE durchgeführt wird. Dabei werden die in Echtzeit zu verarbeitenden Sensordaten sowie SAP HANA in eine cloudbasierte Industrie-4.0-Lösung überführt, die auf der HPE Converged Plant Infrastructure läuft. Dadurch ergeben sich Verbesserungen bei den Prozessabläufen sowie in der Produktverarbeitung, die Kosten werden gesenkt und die zeitlichen Lieferverpflichtungen können genau eingehalten werden.
Digitale Repliken
Damit sich Unternehmen heute bereits eine Vorstellung davon machen können, wie die Prozesse in der Smart Factory verlaufen, verfolgt HPE das Konzept der digitalen Repliken, auch "Digital Twin" genannt. Dabei wird die physikalische Welt digital abgebildet (als Replik der "echten" Welt). In dieser "Zwillingswelt" werden Analysen von Daten aus einer großen Anzahl von Sensoren in Echtzeit durchgeführt.
Die digitale Replik interagiert mit allen verfügbaren Services entlang der Wertschöpfungskette innerhalb eines digitalen Marktplatzes. Spezielle Algorithmen sorgen für einen ständigen Lernprozess der Maschinen (Künstliche Intelligenz), der dazu beiträgt, Fehler zu vermeiden und die maschinenübergreifende Kommunikation zu optimieren. Auch der US-Konzern General Electric testet dieses Konzept bereits bei der Modellierung von Düsenantrieben, bei Lokomotiven und großen Turbinen zur genauen Vorhersage für Wartungs- und Reparaturarbeiten. Der Konzern verspricht sich davon Einsparungen im Billionen-Dollar-Bereich.
Testplattform Virtual Knox
Eine Plattform, auf der mittelständische wie auch große Unternehmen aus dem Anlagen- und Maschinenbau den Wechsel von der physikalischen zur digitalen Produktion erproben können, hat das Fraunhofer IPA zusammen mit Hewlett Packard unter der Bezeichnung Virtual Knox entwickelt.
Virtual Fort Knox überwindet den Informationsbruch zwischen physikalischer und digitaler Welt. Auf der Plattform für verteilte serviceorientierte Anwendungen können produzierende Unternehmen zum Beispiel Informationen aus der Fabrikplanung und dem Fabrikbetrieb flexibel, einfach und skalierbar aufbereiten sowie anschließend aufgabenorientiert vernetzen und verwerten. Virtual Knox ist als virtueller Marktplatz Bestandteil einer künftigen Smart Factory, bei der nicht nur Mitarbeiter, sondern auch intelligente Lagersysteme, Maschinenkomponenten und Robotereinheiten unter- und miteinander kommunizieren.
Herausforderung: Sicherheit
Ein besonderes Augenmerk ist bei der Entwicklung hin zur Smart Factory auf das Thema Sicherheit, den Datenschutz und den Schutz des geistigen Eigentums zu legen. Eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) macht auf die Risiken im Rahmen der IT-Sicherheit für Industrie 4.0 aufmerksam. Dabei wird auf die neuen Herausforderungen verwiesen, die entstehen, weil sich die klassische Automatisierungspyramide auflöst und der Wertschöpfungsprozess auf verschiedene Akteure verteilt wird.
"Es werden neue IT-Sicherheitsmanagementprozesse erforderlich, die nun über die Unternehmensgrenzen hinweg etabliert werden müssen. Unternehmensübergreifende Bedrohungsanalysen und Vertrauensbeziehungen werden notwendig", schreibt die Computerwoche in einem Artikel zum Thema. In der BMWi-Studie finden Unternehmen Handlungsvorschläge sowie umfassende Informationen zu regulatorischen, technischen und praxisorientierten Themen.
Fazit
Der Digitalisierungsprozess in der Produktion und entlang der Wertschöpfungskette hat gerade erst begonnen. Noch ist die Smart Factory Vision. Die Vorteile, die sich für Unternehmen daraus ergeben, sind bereits ersichtlich. Durch die Möglichkeit der Erstellung digitaler Repliken wird nun auch ein Weg aufgezeigt, wie der Wandel von der physikalischen zur digitalen Welt erfolgen kann. Da die Digitalisierung nicht ohne IT-Sicherheitsrisiken einhergeht, sind beim Umstellungsprozess auch diese Aspekte zu berücksichtigen.