Die wöchentliche CIO-Kolumne
Das Ende der Kernkompetenz
Spätestens bei dem dritten Outsourcing-Coup der Deutschen Bank ist eine neue Verortung der IT im Finanzgewerbe fällig. Kaum noch etwas von dem, was einst als "Kernkompetenz" bezeichnet wurde, genießt noch Bestandssicherheit. Die Rechenzentren der Deutschen Bank betreibt seit etwas mehr als einem Jahr IBMIBM. Die Personalverwaltung erledigt der Bankenriese mit Software, die von Accenture entwickelt wird. Und nun werden große Teile der Anwendungsentwicklung für das Kundengeschäft herausgegeben, dazu der Betrieb des Unternehmensnetzes. Egal, welche Dienstleister die fette Ernte am Ende einfahren können: Die Auslagerung der Softwareentwicklung für die kundennahen Bereiche verleiht dem Vorhaben des Frankfurter Geldhauses eine besondere Qualität. Alles zu IBM auf CIO.de
Anwendungen zur Verwaltung der Kundendaten, für den Vertrieb und für das Investmentbanking galten bis vor kurzem noch als sakrosankt. Mit schneller IT-Unterstützung neuer Vertriebswege und Finanzprodukte, so warb etwa der damalige Commerzbank-CIO Michael Paravicini im Frühjahr letzten Jahres gegenüber CIO, ließen sich in der "homogenen Bankenwelt immer noch Wettbewerbsvorsprünge erarbeiten". Und die deutsche Bank schuf vor anderthalb Jahren mit einer Reorganisation die Voraussetzungen für eine engere Verzahnung zwischen IT und Geschäftsbereichen. Chief Operating Officer Hermann-Josef Lamberti sagte seinerzeit: "Die IT ... trifft an jeder Stelle der Organsiationsmatrix mit dem Business zusammen."
Mit Dienstleistern dazwischen wird der Kontakt zwischen IT und Geschäft zwangsläufig loser. Das akzeptieren mittlerweile alle BankenBanken und planen Outsourcing-Projekte: Die WestLB, die Allianz-Tochter Dresdner Bank, die Commerzbank, die Hamburger Sparkasse, um nur einige zu nennen. Die Bemühungen, trotzdem in Sachen IT kompetent aufzutreten, geraten jedoch zusehends verkrampfter. Statt von Kernkompetenz spricht die Deutsche Bank jetzt von der IT als "Kernstück" der Bank. Kernstück - der allgemeine Begriff ist schön unverbindlich. Top-Firmen der Branche Banken
Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis IT-Führer aus dem Finanzsektor die IT-Kernkompetenz ihrer Häuser nicht mehr öffentlich betonen müssen. Vorreiter ist MLP-CIO Carsten Stockmann, der den Widerspruch zwischen PR und Realität, der sich in den zunehmenden Outsourcingdeals der Banken offenbart, mittlerweile öffentlich einräumt. Er selbst kauft seit Jahren IT-Leistungen auf hohem Standardisierungslevel ein, und zwar pro Geschäftsstelle, die ihm ein Outsorcingdienstleister zum Festpreis hinstellt. Damit outet er sich als Verfechter eines Trends, dem mehr und mehr Finanz-CIOs folgen: Die Reduzierung der Fertigungstiefe, analog zum produzierenden Gewerbe, und damit auch die Reduzierung der Fixkosten.
Übergeordnetes Ziel aller IT-Entscheidungen im Finanzgewerbe ist es, die Cost-Income-Ratio zu verbessern, die das Verhältnis zwischen Verwaltungskosten und Umsatz bezeichnet, und die die wichtigste Kennzahl für die Ertragskraft von Banken ist. Gerade deutsche Geldhäuser haben das nötig, denn sie rangieren signifikant unter Weltniveau, was ihre Kosteneffizienz angeht. Sie müssen ihre Kosten reduzieren, sonst werden selbst nationale Riesen wie die Deutsche Bank zu Übernahmekandidaten.
Dabei nicht mitzuziehen, kann sich kein Banken-CIO leisten, IT-Kernkompetenz hin oder her.