Strategien


FLOPS, ERFOLGE UND DIE GRÜNDE

Das Web wird’s nicht richten...

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Nach dem Start-up-Sterben und dem Ausmisten der IT-Projekte in den Konzernen sollten eigentlich die Erträge im Vordergrund stehen. Doch viele Unternehmen, die in ihrem Kerngeschäft kühl rechnen, handeln irrational, wenn das Internet ins Spiel kommt. Dabei kann man mit dessen Hilfe durchaus Geld verdienen, wenn man das Web nur richtig einsetzt.

BEI VOLKSWAGEN, seit den Tagen von Jose Ignacio Lopez bekannt für ein rigides Einkaufs-Management, scheint man an anderer Stelle von Controlling nur wenig zu halten: Die Wolfsburger leisten sich seit zwei Jahren ein komplettes Online-Jugendmagazin. Unter www.zoon.de gibt es Tipps zum Führerschein, Artikel über Zeitgeistthemen oder einen Chat mit der Sängerin Sarah Connor. Laut Projektleiter Rolf-Joachim Kloss aus dem Vertrieb und Marketing für Neue MedienMedien kostet das Projekt pro Jahr eine siebenstellige Euro-Summe. Damit will man „die Brand Volkswagen im Markenbewusstsein der Jugendlichen verankern“ und Trends auf der Spur bleiben, so Kloss. Ergebnis: Im Januar liegen Harry Potter und der Herr der Ringe ganz weit vorn bei den Kids, noch vor Motto-Partys, Snowboarden, Digitalkameras und Handy- Spielen. Ein Bravo-Abo für ein paar Euro hätte wohl zur selben Erkenntnis geführt. Top-Firmen der Branche Medien

 „Das ist ein langfristiges Investment“, erklärt Kloss die großzügigen Investitionen. „Das Projekt wird an weichen Faktoren gemessen.“ Heißt: Es muss sich nicht rechnen.

 Das Gegenteil ist der Fall bei VW Group Supply.com. Über diese Einkaufsplattform wickelt VW die Kontakte mit seinen Zulieferern ab und nutzt derart mit messbarem Erfolg die Stärken des Online-Mediums. Dabei war der Start des Supply-Portals keine Selbstverständlichkeit; immerhin hätte es die Möglichkeit gegeben, sich Covisint, dem Beschaffungsportal von Daimler-Chrysler, Ford und General Motors, anzuschließen. Sattdessen musste eine eigene Lösung her. Der Grund laut Francisco Javier Garcia Sanz, im Vorstand für Beschaffung zuständig: Man habe so darauf verzichten können, verschiedene Systeme aufeinander abzustimmen und der Konkurrenz keinen Einblick in die eigenen Daten gewähren müssen. Prozessoptimierung, so Garcia Sanz, lasse sich eben am besten auf einer eigenen Plattform realisieren.

 Bis Ende des ersten Quartals sollen 400 Lieferanten eingebunden sein; insgesamt will VW 1500 Firmen an dem  Projekt beteiligen. Die von Strategie-Vorstand Jens Neumann gestellte Aufgabe, „durch Internet-basierte Informationssysteme sämtliche Geschäftsprozesse zu verknüpfen“, wäre damit zu einem guten Teil gelöst. Laut VW werden bereits achtzig Prozent des gesamten Beschaffungsvolumens von fünfzig Milliarden Euro über die Plattform abgewickelt. Die Anlaufkosten in zweistelliger Millionenhöhe habe man durch Einsparungen früher als erwartet wieder reingeholt.

 Wie schnell das Internet Bargeld ansaugen und vernichten kann, musste dagegen die Telefongesellschaft Telegate erfahren. Mindestens sieben bis acht Millionen Euro verloren die Münchener durch ihr Web-Abenteuer 11880.com. Das für Inserenten kostenpflichtige Online- Branchenverzeichnis ging zur Cebit 2000 an den Start, angeschoben mit fast 25 Millionen Euro Sponsorengeld aus den Kassen des Formel-1-Teams von BMW. „Drei Monate nach dem Launch stellten wir fest, dass die Software nicht den Anforderungen genügte“, räumt Telegate-Vorstandsmitglied Dirk Rösing heute ein. Als endlich ein neuer Software-Partner an Bord kam, hatte 11880.com das Zeitfenster für den Start verpasst, die Nutzer verärgert und Millionen Mark für Werbung verpulvert. Beim Relaunch im Februar 2001 waren die Werbekunden misstrauisch, die User desinteressiert. Inzwischen hat Telegate die Notbremse gezogen und achtzig Mitarbeiter entlassen. Zu klären ist noch, ob Telegate BMW Sponsorengelder schuldet. Die Technik pflegt das Unternehmen mit Minimalaufwand weiter, der aber immerhin jährlich noch eine Summe im unteren sechsstelligen Bereich kostet. „Wenn die Bedingungen wieder günstiger werden, sind wir bereit“, sagt Rösing.

Zur Startseite