Strategien


Gesundheitskarte

Der Infarkt ist programmiert

08.11.2004
Von Detlef Borchers
13 Monate vor Einführung der Gesundheitskarte steht zwar die Rahmenarchitektur für das Milliardenvorhaben weitgehend. Doch Ärzte, Apotheker, Klinikchefs und Kassenvertreter sind sich noch lange nicht einig.

Das Ziel ist ambitioniert: 70,8 Millionen Versicherte in Deutschland will das Gesundheitsministerium bis zum 1. Januar 2006 mit einer elektronischen Gesundheitskarte ausstatten. Diese mit einem Bild des Versicherten versehene Karte enthält einen Prozessor und einen Arbeitsspeicher, der in verschiedene Fächer aufgeteilt ist. Hier befinden sich medizinische Informationen, auf die Ärzte und Apotheker zugreifen können. Zu diesem Zweck brauchen 270 000 Ärzte, 77 000 Zahnärzte, 22 000 Apotheker und 2000 Krankenhäuser eine so genannte Health Professional Card (HPC), auch Heilberufeausweis genannt. Sie sind Sichtausweis, Schlüssel für den Zugang zur Gesundheitskarte und Kugelschreiber für das elektronische Rezept in einem. Schließlich kommen noch Institutskarten ins Spiel, die in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhausstationen überwachen, wer wann welche Karte in welchen Kartenleser steckt. Damit ist ausgehend von der elektronischen Gesundheitskarte das größte IT-Projekt im Gesundheitswesen in Deutschland gestartet worden. Es soll bis zu 1,4 Milliarden Euro kosten.

Klar formuliert sind die Ziele, die das Bundesgesundheitsministerium mit der Einführung der Gesundheitskarte basierend auf dem "Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" (GMG) verfolgt:

- mehr Effizienz in der Verwaltung im Gesundheitswesen,

- Vermeidung von teuren Doppeluntersuchungen und

- Abschied vom klassischen Rezept auf Papier. Digitale Rezepte ersetzen dann die etwa 700 bis 800 Millionen Rezepte, die in Deutschland derzeit jährlich gedruckt, signiert, eingereicht und abgerechnet werden. Die erwarteten Einsparungen allein durch das digitale Rezept: 100 Millionen Euro pro Jahr.

Insgesamt sei durch die Einführung der Gesundheitskarte mit einem Einsparpotenzial von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zu rechnen, behauptet der IT-Branchenverband Bitkom.

Für die Bundesregierung hat die Gesundheitskarte im "Aktionsprogramm Informationsgesellschaft 2006" einen prominenten Stellenwert. Doch 13 Monate vor der gesetzlich festgeschriebenen bundesweiten Einführung der Karte ist noch nicht klar,

- welches Betriebssystem und wie viel Arbeitsspeicher die Karte nutzt;

- wie viele Stellen die PIN hat, mit der Patienten ihre Daten sichern;

- wer die Karten produziert;

- wer die mit einem Foto versehene Gesundheitskarte ausgibt und entsprechend sicher die PIN verschickt;

- wie die Gesundheitskarte im Detail finanziert wird.

Von dem, was an sinnvollen Funktionen für die Gesundheitskarte und eine Kosten sparende medizinische Telematik ersonnen wurde, wird angesichts der engen Zeitfenster voraussichtlich nur ein Bruchteil verwirklicht. Mit dem Erscheinen des ersten Entwurfs zur Kartenarchitektur Ende Juli, der "Solution Outline", verschwand inzwischen die Idee der qualifizierten digitalen Signatur. Ausreichend Speicherplatz soll die Karte haben, so die Outline-Autoren, damit zu einem späteren Zeitpunkt die Public-Key-Infrastructure-Zertifikate zur Authentifizierung der Nutzer einkopiert werden können. Allein die HPC-Karte für Ärzte und Apotheker soll mit einer Signatur kommen, weil sie für den Austausch von Arztbriefen erforderlich ist. Voraussetzung für Praxen und Apotheken: Sie müssen drei bis vier Kartenleser sowie die Black Box zum Anschluss an das Internet installieren.

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