Die wöchentliche CIO-Kolumne

Der Pinguin zieht in den Bundestag ein

25.02.2002
Von Patrick Goltzsch
Die IT für den Bundestag scheint tatsächlich eine Frage mit politischem Gehalt zu sein: Während die Regierungskoalition für Linux votiert hat, geben FDP und CDU mehrheitlich Microsoft den Vorzug. Nach langen Diskussionen ist die Richtung nun klar: Kommenden Donnerstag soll die Entscheidung fallen, dass die Server im Deutschen Bundestag unter Linux laufen werden. Für die Client-Rechner wird dagegen Microsofts Windows XP bevorzugt.

In einem Interview von heute.online mit Uwe Küster (SPD) , skizziert der Vorsitzende der Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik des Ältestenrats die angepeilte Lösung für den Bundestag: Danach soll auf den 150 Servern Linux zum Einsatz kommen, während die 5000 PCs der Abgeordneten und Bürokräfte auf Windows XP und Office XP umgestellt werden. Geht es nach dem SPD-Abgeordneten Jörg Tauss , soll es den Abgeordneten frei gestellt sein, ob sie Linux auch auf ihrem Desktop einsetzen oder auf Microsoft-Produkte zurückgreifen. Offen ist nach Küsters Aussagen noch, ob als Verzeichnisdienst für die Bundestags-IT das Produkt "Active Directory" von MicrosoftMicrosoft oder die anbieterunabhängige Lösung "Open LDAP" zum Einsatz kommen wird. Alles zu Microsoft auf CIO.de

Die Umstellung und die Diskussion darüber waren nach Microsofts Ankündigung, Windows NT auslaufen zu lassen, notwendig geworden. Vor der Entscheidung für Linux, die sich jetzt abzeichnet, hatte Microsoft massive Lobbymaßnahmen auf allen Ebenen unternommen; sogar Microsoft-Deutschland-Chef Kurt Sibold war mit einem offenen Brief aktiv geworden. Unterdessen bezog besonders die SPD-Fraktion Stellung für Open SourceOpen Source, also für Linux im Bundestag. In einem extra eingerichteten Forum rief die Partei das Wahlvolk auf, eigene Erfahrungen mit Open-Source-Software zu schildern und so zur Entscheidungsfindung beizutragen. Alles zu Open Source auf CIO.de

Die ist jetzt gefallen, aber so ganz konsequent ist sie nicht. Küster zufolge werden die Kosten den Ausschlag geben, nicht vollständig auf Linux umzusteigen. 9,5 Millionen Euro veranschlagt die IT-Kommission dafür, Schulung und Support eingerechnet. Für Linux auf den Servern dagegen führt Tauss Sicherheitsüberlegungen an und verweist auf den unsicheren Status von Windows XP. Beide Politiker sehen die Entscheidung für Linux als einen Einstieg, mit dem sich der Bundestag in Richtung offener IT-Standards orientiert.

Wenn sich ab 2003 der Webserver des Bundestages nicht mehr als "Microsoft-IIS/5.0", sondern als "Apache" meldet, setzt der Bundestag damit ein Signal. Zwar probieren bereits andere öffentliche Einrichtungen vermehrt freie Software aus, aber über den Status eines Experiments geht es selten hinaus, wie die Mahnung des Bayerischen Rechnungshofs zeigt. Der schätzte die Dominanz von Microsoft bei staatlichen Stellen auf 90% und empfahl in seinem Jahresbericht 2001 dem Freistaat, die Abhängigkeit von dem Beinahe-Monopolisten zu verringern, dadurch Lizenzkosten zu sparen und verstärkt auf die IT-Sicherheit zu achten.

Offen bleibt unterdessen, wie stabil die Bundestagsentscheidung für Open Source ist, sollte im Herbst die Regierung wechseln.

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