Wollust, Neid und Co. gefährden Projekte

Die 7 Todsünden in der IT-Welt

30.09.2024
Von Redaktion CIO
Die Hauptlaster aus der römisch-katholischen Lehre sind auch in der IT-Welt zuhause. Unersättlichkeit beim Sammeln von Daten behindert Abläufe in Unternehmen ebenso wie Faulheit und Jähzorn bei Verantwortlichen.
Mehr Probleme als Erfolge: Falsches Verhalten oder falsche Entscheidungen bei IT-Verantwortlichen halten viele Abläufe in Unternehmen auf.
Mehr Probleme als Erfolge: Falsches Verhalten oder falsche Entscheidungen bei IT-Verantwortlichen halten viele Abläufe in Unternehmen auf.
Foto: Dima Sidelnikov - shutterstock.com

Wollust, Unersättlichkeit, Habgier, Trägheit, Neid, Jähzorn und Eitelkeit – die sieben Todsünden gelten als besonders schwere Verfehlungen des menschlichen Daseins. Dan Tynan, Autor bei unserer amerikanischen Schwesterpublikation Infoworld, hat sich umgehört, wie sich diese Vergehen in der IT-Welt niederschlagen.

1. Wollust

Die Wollust kann sich Tynan zufolge in der Geschäftswelt ganz unterschiedlich äußern. Als Gier nach Macht oder bestimmten Positionen etwa. Am schlimmsten aber sei dieses Laster in der IT-Welt, wenn es auf neue Technologie ziele. So schreibt etwa der IT-Autor James J. De Luccia, dass viele IT-Manager der Sucht erlägen, neue Technologie als Selbstzweck einzuführen.

Die eingesetzte Hardware funktioniere noch bestens, dennoch statte der IT-Leiter die Firma mit neuen Rechnern aus, um auf der Höhe der Zeit zu sein. So geschehen bei einem Verbrauchsgüter-Hersteller im Nordosten der USA, den De Luccia nicht näher nennen möchte. Die Systeme liefen, SLAs wurden eingehalten, die Anwender waren zufrieden. Gleichwohl erlagen die IT-Manager ihrer Sucht nach neuer Technik: Sie kauften neue Prozessoren und stiegen auf eine neue Datenbank von Oracle um.

Die Software des Unternehmens unterstützte jedoch die neue Oracle-Datenbank nicht, außerdem verbrauchte die neue Hardware so viel Strom, dass es zu Ausfällen in der Energieversorgung für die Produktion kam. De Luccias Fazit: Neue Technologie muss immer notwendig und praxistauglich sein. Die schiere Technik-Lust dagegen verursacht hohe Kosten.

2. Unersättlichkeit nach Informationen

Nicht ganz so folgenschwer, aber weiter verbreitet ist Tynan zufolge das maßlose Sammeln von Daten, verbunden mit dem Unwillen, sie mit anderen zu teilen. Viele sähen darin ein Mittel, sich selbst einen Informationsvorsprung zu verschaffen und dadurch die eigene Stelle zu sichern.

"Ich habe einmal mit einem IT-Manager zusammengearbeitet, der niemandem Informationen über die Netzwerk-Infrastruktur geben wollte", erinnert sich Josh Stephens von Solarwinds, einem Hersteller von Programmen für die Netzwerksteuerung. "Vieles delegierte er, aber den Kern des Netzwerks wollte allein er kontrollieren. Dieser Mann mochte es, der einzige zu sein, den man bei Problemen anruft."

Als der Manager einmal übers Wochenende außer Landes war, fielen die Systeme der Firma aus. Sie wieder in Gang zu bringen hätte mit seinem Wissen eine Stunde gedauert, stattdessen nahm es eineinhalb Tage in Anspruch. Hätte der Abwesende sein Wissen mit Kollegen geteilt, hätte der Ausfall weniger schwere Folgen gehabt.

Eine andere Spielart der Unersättlichkeit beobachtet Marcelo Schnettler, der bei einer kleinen Beratungsfirma im US-Staat New Jersey arbeitet: Projekte an sich zu reißen. "Viele Manager wollen Projekte unbedingt annehmen, weil sie sich damit Aufmerksamkeit verschaffen", sagt Schnettler. Die Folge: Viele IT-Abteilungen laufen auf ständiger Überlast, die Mitarbeiter arbeiten 60 bis 80 Stunden jede Woche und trauen sich kaum noch, Urlaub einzureichen. Komme es in dieser Lage noch zu Zwischenfällen, gebe es kaum Luft, darauf schnell zu reagieren.

3. Habgier und Geiz

Überbordende Ansprüche können IT-Projekte zum Scheitern bringen. Michael Krigsman, CEO bei einer auf fehlgeschlagene IT-Projekte spezialisierten Beratungsfirma, will darin ein "teuflisches Dreieck" erkannt haben. Die Kunden stellen unrealistische Anforderungen, Berater versprechen etwas, von dem sie schon wissen, dass es unmöglich ist, und die Technologie-Anbieter sind zwischen beiden gefangen.

Gerade die Berater befänden sich in einer Art Zwickmühle: Sie könnten dem Kunden zwar sagen, dass seine Wünsche nicht erfüllbar seien. Dann liefen sie allerdings Gefahr, das Projekt zu verlieren. Gerate ein Projekt dann wegen der überhöhten Kundenansprüche in Schieflage, verdiene der Berater zudem mehr, weil er für die Behebung der Pannen zusätzliche Arbeitsstunden berechnen könne. Um das zu vermeiden, schlägt Krigsman vor, in Projektverträge strenge Erfolgs- und Strafklauseln aufzunehmen.

Vor allem bei kleineren Firmen führten Habgier und Geiz oft dazu, dass überall versucht werde zu sparen, beobachtet Craig Vickers, Partner bei IT Now, einem Dienstleister für Managed Services. "Einmal wollte ein Kunde ein Call Center für 50 bis 60 Mitarbeiter aufbauen", erzählt er. "Wir schlugen eine gebündelte T1-Leitung für die Telefone vor, stattdessen montierte der Kunde einfach sechs DSL-Modems an die Wand – das war für ihn auf den ersten Blick billiger."

Die Folge: Die Netzwerke waren nicht verbunden, die angeschlossenen Drucker funktionierten nicht. "Wir mussten das gesamte System neu bauen, das war letztlich viel teurer", resümiert Vickers.

4. Trägheit

IT-Mitarbeiter arbeiten in der Regel hart. Aber sie sind oft zu bequem, gewohntes Terrain zu verlassen. "Viele sind überzeugt davon, keine Fehler zu machen, dabei sitzen sie nur in ihrem Büro und haben überhaupt kein Verständnis für das Geschäft ihres Unternehmens", bemängelt Tony Fisher, CEO von Dataflux.

Anstatt Fachzeitschriften zu lesen, sollten IT-Verantwortliche sich öfter mit dem Geschäft ihres Unternehmens auseinandersetzen. "Die Hypothekenkrise nahm unter anderem deshalb so heftige Ausmaße an, weil viele Daten nicht korrekt waren", sagt Fisher. Die IT-Leiter hatten seiner Meinung nach nicht genügend auf die Datenqualität geachtet.

"Es hätte einfache technische Möglichkeiten gegeben, viele Daten zu überprüfen, aber das wurde nie getan", wettert Fisher. Man habe sämtliche Angaben für bare Münze genommen und aus den Hypotheken Pakete geschnürt. "Ob das allein der Fehler der IT oder des Business war, lässt sich schwer sagen, aber Technik hätte das Problem lösen können."

Welche Folgen Nichtstun haben kann, bekam einst auch ein Netzwerkbetreiber im Nordosten der USA zu spüren, wie Josh Stephens von Solarwinds berichtet. Das Unternehmen hatte ein teures Überwachungssystem für seine Netze installiert und wusste, dass es nicht funktioniert. "Dennoch unternahmen sie nichts." Als von einem größeren Systemausfall mehr als eine Million Kunden betroffen waren, merkte der Anbieter davon erst etwas, als die Betroffenen anriefen.

5. Neid

IT-Experte De Luccia musste einst bei einem international tätigen Baumaschinen-Hersteller mit einer Führungskraft zusammenarbeiten, die ständig Angst hatte, zu kurz zu kommen. Der Manager war verantwortlich für einen großen Teil des IT-Betriebs bei dem Unternehmen. Ständig beklagte er sich darüber, dass andere Abteilungen mehr Geld zur Verfügung hatten als seine.

Wegen seiner Beschwerden wurde ein unabhängiges Gutachten veranlasst. Heraus kam, dass der klagende Manager und sein Team wieder und wieder SLAs nicht einhielten und schlecht zusammenarbeiteten. Der Manager wurde entlassen. "Sein Neid war die Ursache dafür", sagt De Luccia. Anstatt seine eigene Abteilung in Schuss zu halten, habe er immer nur darauf geschaut, wie die Geschäfte der anderen liefen.

Josh Stephens beobachtet auch einen Neid wegen Zuständigkeiten. "Der für die Infrastruktur Zuständige will zusätzlich die Server verwalten, der Server-Manager will auch noch Datenbank-Administrator werden - alle wollen sie immer mehr Verantwortung."

6. Jähzorn

Als schlimmste der IT-Todsünden bezeichnet Marcelo Schnettler den Jähzorn. "Ein CIO eines Unternehmens, der in Wut ausbricht, demoralisiert seine Mitarbeiter und fördert eine Atmosphäre, in der jeder nur noch auf Nummer sicher geht", sagt er. "Das erschwert die Zusammenarbeit." Alle sechs IT-Leiter, unter denen Schnettler in seinem Berufsleben arbeitete, explodierten mindestens einmal in der Öffentlichkeit.

Der Computer-Berater Bill Horne macht dafür zum Teil mangelnde Erfahrung und fehlende persönliche Reife verantwortlich. Viele gerieten dann in Rage, wenn etwas nicht nach Plan laufe und sie sich eingestehen müssten, dass sie lieber auf einen erfahreneren Kollegen gehört hätten.

Einmal habe ein Manager von den Programmierern die Erledigung einer Aufgabe in Rekordzeit verlangt. "Er wollte nicht verstehen, dass dazu eine ganze Gruppe von Mitarbeitern nötig war, die Gewerkschaftsmitglieder waren und daher nur zu den üblichen Bürozeiten arbeiten", sagt Horne. Als die Mitarbeiter am Freitagabend nach Hause gingen, rastete der Chef aus. Die Deadline für die zu erledigende Programmierarbeit konnte dann auch tatsächlich nicht eingehalten werden. Den Hut nehmen mussten allerdings nicht die Mitarbeiter, sondern der Chef.

7. Eitelkeit

Eitelkeit und Überheblichkeit von IT-Managern können ein Unternehmen Millionen kosten. Michael Krigsman berichtet von einem großen Industrieunternehmen, dessen IT-Verantwortlicher ein eigenes ERP-System einrichten ließ, anstatt ein auf dem Markt erhältliches einzusetzen. Weil dieser nichts von Maßnahmen zur Qualitätssicherung hielt, verzichtete er auf jegliche Test - einfach deshalb, weil er Befugnis hatte, diese Entscheidung zu fällen.

Letztlich ging das Projekt schief und wurde eingestellt, viele Mitarbeiter wurden entlassen. Kein untypischer Fall, findet Craig Vickers von IT Now: Viele IT-Leiter täten Dinge, zu denen sie sich in der Lage sähen, obgleich sie es nicht seien. "Die IT-Leute müssen ihren Stolz ablegen und offene Fehler eingestehen." Ein wenig mehr Demut und Bescheidenheit täten vielen IT-Leitern gut.

Zur Startseite