Berufe der Zukunft

Digitalisierung verändert die Ausbildung

18.09.2015
Der Einzug von digitalen Techniken verändert das Berufsleben. Die Ausbildungspläne müssen angepasst werden. Sterben alte Berufe aus?

Kann man im Bewerbungsgespräch eine Frage nicht beantworten, hat das in der Regel nichts Gutes zu bedeuten. Lukas Röhrich brachte es einen Ausbildungsplatz. Der heute 20-Jährige hatte sich nach seinem Abitur beim Werkzeugmaschinenbauer Trumpf für eine Ausbildung zum Mechatroniker beworben. Der Ausbildungsleiter fragte ihn, ob er wisse, was ein Produktionstechnologe ist. Als er verneinte, riet man ihm, sich zu informieren. Röhrich befolgte den Rat - und macht jetzt die Ausbildung bei dem Werkzeugmaschinenbauer.

Trumpf-Zentrale in Ditzingen
Trumpf-Zentrale in Ditzingen
Foto: Trumpf-Gruppe / David Franck

"Gereizt hat mich, dass man in der Ausbildung größere Zusammenhänge lernt als beim Mechatroniker", sagt Röhrich. Produktionstechnologen planen und betreuen industrielle Produktionsprozesse und richten Produktionsanlagen ein. Sein Lehrlingskollege Christian Schneider, der den Beruf bei Trumpf schon im zweiten Lehrjahr lernt, wusste dagegen, worauf er sich einlässt. Bei Ferienjobs hatte er die Arbeit an Maschinen kennengelernt - und sich mehr für die Prozesse interessiert. "Ich wusste genau, dass ich einen Beruf mit diesen Inhalten lernen wollte." Er hatte Glück: Denn den Beruf des Produktionstechnologen gibt es erst seit 2008.

IndustrieIndustrie und Verbände sahen damals die Notwendigkeit für den neuen Beruf. "Die Digitalisierung nahm zu, gleichzeitig spielte Prozessoptimierung eine immer größere Rolle" sagt Trumpfs Ausbildungsleiter Andreas Schneider, der an dem Berufsbild mitgearbeitet hat. "Dafür hatten wir keinen wirklichen Ausbildungsberuf." Top-Firmen der Branche Industrie

Die Nachfrage ist noch verhalten: 2014 wurden bundesweit erst 146 Produktionstechnologen ausgebildet. Zum Vergleich: Im selben Jahr waren es 26.161 Mechatroniker. "Der Produktionstechnologe war seiner Zeit voraus", sagt Michael Assenmacher, Ausbildungsreferent beim DIHK. Der Autozulieferer Bosch beispielsweise lässt erst von Herbst an die ersten Produktionstechnologen ausbilden.

"Mittelfristig werden sich alle Berufe verändern, weil die Digitalisierung Einzug hält", sagt Siegfried Czock, Leiter Aus- und Weiterbildung, bei Bosch. "Nicht zwangsläufig werden dadurch aber immer neue Berufe entstehen."

Denn die Ausbildungspläne, die mit Verbänden, Kammern und Ministerien erarbeitet werden, sind so weit gefasst, dass sie eine gewisse Anpassung zulassen. "Ausbildungsordnungen sind zukunftsoffen formuliert", sagt Friedrich Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn, das den Prozess der Anpassung und Neufassung von Berufsausbildungen koordiniert. So vermitteln die Betriebe in den Ausbildungen bereits die Qualifikationen, die für sie notwendig sind.

Erst wenn sich eine gewisse Relevanz für eine Branche ergebe, erklärt Esser, würden Ausbildungspläne erweitert oder werde über neue Berufe nachgedacht. Dass durch die Digitalisierung eine größere Anzahl der aktuell 328 staatlich anerkannten Ausbildungsberufe abgeschafft wird, glaubt er nicht.

Doch Veränderungen bleiben nicht aus: "Wir erwarten, dass vor allem bei den Berufsbildern Kfz-Mechatroniker und Kfz-Elektroniker weitere Inhalte verändert werden", sagt Oskar Heer, Leiter Arbeitspolitik bei Daimler. Der Informatikanteil werde weiter steigen - zunächst durch Elektronik, aber auch durch die Einbindung von Echtzeitinformationen aus dem Verkehr. Daimler passe deshalb die Ausbildungsinhalte ständig an. Dabei muss sich der Hersteller mit Kammern und Berufsschulen abstimmen. "Das klappt heute noch besser als vor ein paar Jahren", sagt Heer. Als Daimler 2008 das erste Hybrid-Fahrzeug baute, spielten Elektroantriebe in den Ausbildungsplänen noch keine Rolle.

In der Industrie sieht DIHK-Referent Assenmacher derzeit keinen weiteren Bedarf für komplett neue Berufe. "Im Einzelhandel diskutieren wir aber über einen Beruf, der das Thema E-Commerce aufgreift", sagt er. In den Bauberufen müsse künftig mehr das Haus als ganzes Gebäude gesehen werden. Denn unter dem Titel "Smart Home" werde mehr und mehr intelligente Technik eingebaut, die das gesamte Haus betreffe. Selbt bei IT-Berufen sei zuletzt überprüft worden, inwiefern neue Technologien wie Apps oder 3D-Anwendungen - zum Beispiel beim Mediengestalter - eingebracht werden.

Eine noch größere Herausforderung als die Anpassung der Ausbildung sieht Trumpf-Ausbildungsleiter Schneider in der Weiterbildung der übrigen Mitarbeiter - und Ausbilder. "Auch wenn die Ausbildung inhaltlich schon auf Industrie 4.0Industrie 4.0 umgestellt wurde, hilft es nichts, wenn der Ausbilder noch in Industrie 1.0 denkt." (dpa/tc) Alles zu Industrie 4.0 auf CIO.de

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