Reality Check

Diversity - in Deutschland ist noch Luft nach oben

02.12.2022
Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Viele deutsche Unternehmen brüsten sich mit Diversity-Maßnahmen. Die DSAG hat bei Frauen aus der IT-Branche nachgefragt, was in puncto Frauenförderung wirklich dran ist.

Die gute Nachricht zuerst: In Sachen Diversität tut sich was in deutschen Unternehmen. Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) wollte vor allem wissen, wie es Frauen im IT-Umfeld geht und hat eine Umfrage durchgeführt: die Hälfte der Teilnehmerinnen gab an, Diversity (in Bezug auf Gender, Herkunft, Alter etc.) werde bei deren Arbeitgebern "gut" (31 Prozent) bis "sehr gut" (19 Prozent) umgesetzt.

Die schlechte Nachricht: Die andere Hälfte berichtete vom Gegenteil. 42 Prozent der IT-Spezialistinnen erklärten, dass in puncto Diversity-Maßnahmen noch "Luft nach oben" sei, acht Prozent teilten mit, dass derartige Programme "überhaupt nicht" existierten.

Diversität ist kein Selbstläufer, wie die Umfrage der DSAG aus dem August 2022 ergab.
Diversität ist kein Selbstläufer, wie die Umfrage der DSAG aus dem August 2022 ergab.
Foto: DSAG e.V.

Die DSAG fragte zudem ab, welche speziellen Maßnahmen ergriffen wurden. Spitzenreiter bei den Antworten waren "Gendergerechte und diverse Kommunikation" mit 35 Prozent der Antworten, gefolgt von "Interkulturelle Angebote" mit 23 Prozent und "Spezielle Fördermaßnahmen für Frauen" mit 22 Prozent. Weniger verbreitet sind offenbar "Diversity-Schulungen" (13 Prozent) und "Job-Rotationen" (sieben Prozent). Ein Teil der Befragten gab keine Antworten ab.

In Sachen Kommunikation passiert am meisten: Gut ein Drittel der Unternehmen berücksichtigt dabei Gender- und Diversitätsaspekte.
In Sachen Kommunikation passiert am meisten: Gut ein Drittel der Unternehmen berücksichtigt dabei Gender- und Diversitätsaspekte.
Foto: DSAG e.V.

Offene Worte zu Diversität

Die ausführliche Umfrage der Interessensvertretung "Women@DSAG", an der 124 Frauen teilnahmen, bot viel Raum für Freitextantworten etwa zu Fragen wie "Was genau ist Diversität für Sie?", "Was Sie schon immer zu Diversität sagen wollten" oder "Ist Diversität ein hauptsächlich von Frauen getriebenes Thema - oder wie erleben Sie es?". Die Antworten seien so vielfältig wie das Thema selbst, so die DSAG. Ein Auszug:

  • "Diversity ist für mich, dass jeder so akzeptiert wird, wie er/sie/es sich selbst definiert und niemand durch sein Geschlecht diskriminiert wird, weder im beruflichen noch im privaten Umfeld."

  • "Diversity ist für mich nicht dieser Quatsch mit der gendergerechten Sprache, ehrlich gesagt fühle ich mich als Frau dadurch eher diskriminiert, da es von den eigentlichen Schwachstellen bei der Gleichbehandlung vor allem im beruflichen Umfeld der Geschlechter vortrefflich ablenkt."

  • "Da, wo Diversität gelebt wird, sind keine besonderen Fördermaßnahmen für Frauen notwendig.

  • "Es muss aber darauf geachtet werden, dass die Frauen daraus kein eigenes Thema machen, sondern alle mitabholen, damit es zum gemeinsamen Thema wird."

  • "Fühle mich nicht benachteiligt und finde diese ganzen Diskussionen einfach nur nervig und anstrengend."

Mode-Erscheinung und Corporate Branding

Franziska Niebauer, Women@DSAG, beobachtet, dass viele Unternehmen Diversität nach außen feiern, aber intern noch zu wenig umsetzen.
Franziska Niebauer, Women@DSAG, beobachtet, dass viele Unternehmen Diversität nach außen feiern, aber intern noch zu wenig umsetzen.
Foto: DSAG e.V.

Diese Aussagen zeigten, so Franziska Niebauer, Mitglied des Women@DSAG-Kern-Teams, wie vielfältig das Thema sei. Sie beobachtet: "Es gibt Unternehmen, die Diversität extern als Botschaft und Wert feiern, in der eigenen Unternehmensstruktur aber leider ziemlich homogen aufgestellt sind."

Hier bestehe die Gefahr, dass Diversität zu einer Modeerscheinung werde und lediglich dem Corporate Branding diene, das nur noch den Weg zu neuen Kundinnen und Kunden beziehungsweise neuen Mitarbeitenden (Stichwort: RecruitingRecruiting) ebnen soll, anstatt in den Köpfen und den Unternehmensstrukturen umgesetzt zu werden. Niebauer wünscht sich einen Konsens für Diversität und Gleichberechtigung unter Einbezug aller Stakeholder. Alles zu Recruiting auf CIO.de

Diversität ist nicht nur ein Frauenthema

Anna Hartmann, Women@DSAG, findet, dass Diversity nicht nur Frauen betriff.
Anna Hartmann, Women@DSAG, findet, dass Diversity nicht nur Frauen betriff.
Foto: DSAG e.V.

Bezüglich des Arbeitsmarktes beobachtet Kernmitglied Anna Hartmann: "Es ist selbst 2022 sehr schwer, weibliche Nachwuchskräfte für die IT-Berufe zu finden." Genauso schwer sei es aber auch für Männer, Positionen in traditionell eher frauendominierten Berufen zu finden, beispielsweise im Finanz-, Office- oder Personalbereich. "Das sollte sich definitiv ändern, und zwar in beide Richtungen. Diversität ist daher nicht nur ein Frauenthema!"

Mehr zum Thema Diversity in der IT im COMPUTERWOCHE-Sonderheft (kostenloser PDF-Download).

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