Mit Feingefühl und Menschenkenntnis
Ein Projektmanager ist auch Krisenmanager
- Linien- und Projektmanager kämpfen um die gleichen Ressourcen
- Auftakt-Workshops vor Projekten sind eine gut Möglichkeit, alle Projektmitarbeiter im Vorfeld zu motivieren
- Ein guter Projektleiter hält Stress von seinen Mitarbeitern fern
Weshalb gibt es zwischen Linien- und Projektmanagern immer wieder Streit?
Gisela Bolbrügge: Beide kämpfen um die gleichen knappen Ressourcen, nämlich Personal und Budgets. Viele Projekte werden hinsichtlich Zeit und Kosten zu optimistisch geschätzt, manchmal auch bewusst, um das Projekt genehmigt zu bekommen.
Lassen sich Konflikte im Vorfeld entschärfen?
Gisela Bolbrügge: Oft fehlt das Verständnis füreinander. Linienmanager im operativen Geschäft haben zu wenig Zeit, sich mit den Details der Projekte zu beschäftigen. Außerdem sind sie selten mit der Gruppendynamik in Projektteams vertraut. Gleichzeitig sollen sie als Sponsoren diese Projekte begleiten und Mitarbeiter abstellen. Projektmanager jonglieren immer mit vielen Bällen, sie sollen Veränderungen voranbringen. Beide müssen miteinander sprechen, um die jeweils andere Seite besser zu verstehen.
Weshalb sind Zeitpläne oft unrealistisch?
Gisela Bolbrügge: Einem Computer gesteht man Zeit zum Hochfahren zu. Dass auch Menschen Zeit brauchen, um sich auf neue Aufgaben einzustellen, wird dagegen ignoriert. Unter Druck bleibt auch die zwischenmenschliche Kommunikation auf der Strecke. Dabei ist es wichtig, dass sich alle Projektmitarbeiter vorher persönlich kennenlernen und auf gemeinsame Ziele einigen.
Sind solche Treffen in Zeiten von Videokonferenzen nicht überflüssig?
Gisela Bolbrügge: Keineswegs. Alle neuen technischen Möglichkeiten sind wichtig, doch wer sich das Geld für einen Auftakt-Workshop spart, zahlt später drauf. Ich habe oft erlebt, dass Projektteams einige Monate vor sich hinarbeiten aber nichts klappt. Die Mitarbeiter sind frustriert. Wenn nach vielen Rückschlägen doch ein Treffen einberufen wird, ist es viel schwieriger, die Leute wieder zu motivieren und auf ein Ziel einzuschwören. Und teurer ist es außerdem.
- Macher-Typen sind nicht mehr gefragt
Der Projektmanager mit rein technischer Expertise ist out, findet Mary Gerush von Forrester Research. Sie beschreibt den Projektmanager der nächsten Generation als kommunikativ, kompetent und stark in Soft-Skills. - 1. Emotionale Intelligenz
Das meint die Fähigkeit, Augen und Ohren offen zu halten, um den Input von Projektmitarbeitern und Kunden in Zusammenhang mit dem Ziel in die Arbeit einfließen zu lassen. - 2. Anpassungsfähige Kommunikation
Die Fähigkeit, seine Ideen - mündlich oder schriftlich - einem weiten Kreis von Interessenten zu vermitteln, egal, aus welcher Abteilung, aus welchem Kulturkreis und mit welcher Vorbildung sie stammen. - 3. Fähigkeit, mit Leuten umzugehen
Die Begabung, schnell positive Beziehungen zu Team-Mitgliedern und Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen. - 4. Fähigkeit zu managen
Das Können, in einem Team zu arbeiten, es zu motivieren, auf das Ziel zu fokussieren und die Zusammenarbeit im Team zu fördern. - 5. Flexibilität
Der Wille und die Fähigkeit, seinen Denkansatz zu überarbeiten, wenn es der Projektgegenstand und das Business verlangen - 6. Business-Kenntnisse
Wissen über das Business des Kunden und seine Branche. Die Fertigkeit, seine Strategie zu verstehen und seine Projektarbeit an dieser Strategie auszurichten. - 7. Analyse-Fähigkeit
Die Eignung, Probleme analysieren zu können und seine Entscheidungen aufgrund solcher Analysen zu treffen. - 8. Blick für den Kunden
Das Vermögen, Kunden- und Anwenderbedürfnisse zu verstehen und den Drang, diese Kundenbedürfnisse im Projekt auch befriedigen zu wollen. - 9. Ausrichtung am Ergebnis
Die Fähigkeit, das Projekt effizient und wirksam abzuschließen. - 10. Charakter
Der Projektmanager der Zukunft sollte eine ansprechende Persönlichkeit sowie starke Wertvorstellungen und einen moralisch einwandfreien Charakter besitzen.
Gelingt der Wechsel von einer Linien- zu einer Projektaufgabe immer reibungslos?
Gisela Bolbrügge: Das wird zwar erwartet, doch von einer hierarchischen Struktur mit klaren Aufgaben und festgelegten Arbeitsprozessen in ein Projektteam zu wechseln, bedeutet einen großen Schritt auf unbekanntes, risikoreiches Terrain.
Was zeichnet einen guten Projektleiter aus?
Gisela Bolbrügge: Die wichtigste Aufgabe ist es, StressStress von seinen Mitarbeitern fern zu halten und ein oft bunt zusammengewürfeltes Team mit unterschiedlichen Charakteren zu leiten. Dafür braucht es eine gute Ausbildung, die neben Fachwissen auch psychologische und gruppendynamische Aspekte beinhaltet. Doch stattdessen lernen viele nur, wie sie Excel-Listen erstellen. Von einem Management per E-Mail halte ich nichts, denn die größte Herausforderung sind die Menschen im Team, die auch mal Widerstand zeigen und eigene Ziele verfolgen. Sie alle ins Boot zu holen, ist die Aufgabe eines guten Projektmanagers. Dafür braucht es Feingefühl und Menschenkenntnis. Alles zu Stress auf CIO.de