Interview mit Reinhard K. Sprenger

Ein Unternehmen, das eine Suchanzeige aufgeben muss, hat schon verloren

10.02.2014
Von Christian Thunig
Wer Employer Branding missversteht und nur die Außenwirkung seines Unternehmens verbessert, hat gar nichts gewonnen. Entscheidend ist, aktiv auf die eigene Unternehmenskultur einzuwirken. Und wer kann diesen Wandel stärker beeinflussen als Führungskräfte? Im Interview erklärt Reinhard Sprenger - Führungsexperte - wie man Mitarbeiter motivieren und das eigene Firmenimage dadurch verbessern kann.
Management-Berater Reinhard Sprenger
Management-Berater Reinhard Sprenger
Foto: Sabine Felber - Campus Verlag

Führung ist in diesen Tagen ein heiß diskutiertes Thema. Das hat drei Gründe: Die Ansprüche der Geführten sind spürbar gestiegen, gute Mitarbeiter werden gefühlt immer knapper und die Führungskräfte haben kaum mehr Zeit, sich wirklich um ihre Mitarbeiter zu kümmern. Das erfordert von Unternehmen ein dramatisches Umdenken, wie Reinhard K. Sprenger in seinem Buch "Radikal führen" postuliert. Er muss es wissen: Der promovierte Philosoph ist einer der bekanntesten Führungsexperten Deutschlands.

Herr Dr. Sprenger, Sie haben mit "Radikal führen" im Grunde ein Marketingbuch geschrieben, denn Sie stellen die Problemlösung des Kunden als Zweck des Unternehmens wieder ins Zentrum. Warum ist bei vielen Unternehmen, dieses Ursprüngliche und Natürliche - den Kunden im Blick unternehmerischen Tuns zu behalten - verlorengegangen?

Je grösser und erfolgreicher ein Unternehmen wird, desto mehr entwickelt es eine Eigenlogik. Es verliert seine Außensensibilität. Vor allem das Kontrollbedürfnis vieler Manager führt dazu, dass das Unternehmen sich mehr mit sich selbst als mit dem Kunden beschäftigt. Hinzu kommen die Unternehmensberatungen, die gerne unternehmensinterne Märkte aufmachen, die viel Zeit und Energie fressen, das Unternehmen aber beim Kunden keinen Meter weiter bringen. Historisch gesehen hatte das Unternehmen einst Kundenprobleme, für das es Lösungen suchte; dann wird es zu einer Lösung, die nach Problemen sucht. Irgendwann hat dann diese strukturelle Kundenfeindlichkeit Konsequenzen.

Beim Prozess der Mitarbeiterauswahl plädieren Sie für einen "offenen Dialog" und keine verklausulierten Bewerbungsgespräche, wie es in Unternehmen gerne stattfindet, um Bewerber eingehend zu prüfen. Laufen Unternehmen dann nicht Gefahr, auch mal Blendern aufzusitzen?

Diese Gefahr laufen Sie immer. Die strukturierten Bewerbungsgespräche vermitteln hingegen eine Scheinsicherheit, die das notwendige Bauchgefühl rationalisiert. Ich bin da skeptisch. Das einzig realistische Auswahlinstrument ist die Probezeit - wenn sie seriös vorbereitet, begleitet und ausgewertet wird. Und wenn klar ist: Die Entscheidung fällt am Ende der Probezeit. Nicht vorher. Aber es gibt kaum einen Manager, der die Probezeit ernsthaft nutzt. Für mich ist das ein massiver Loyalitätsbruch mit den Überlebensinteressen des Unternehmens.

Gerade aufgrund von Fachkräftemangel ist das Angebot an Bewerbern in einigen Bereichen eher mau. In diesem Zusammenhang wird derzeit gerne das Thema Employer Branding bemüht. Hat das Thema Substanz?

Nein, hat es nicht. Wir wissen seit langem: Menschen kommen zu Unternehmen - aber sie verlassen Vorgesetzte. Man darf also nicht die Makroebene mit der Mikroebene verwechseln. Sie können aber noch so viel Geld in das Employer Branding investieren - wenn Sie nicht gleichzeitig die Bereitschaft und die Fähigkeit der Führungskräfte entwickeln, warme sozial-emotionale Beziehungen aufzubauen, dann können Sie das Geld direkt verbrennen. Was ist gewonnen, wenn Sie gute Leute anziehen, die aber schon bald nur noch da sind, aber nicht mehr dabei? Das Employer Branding erhöht also im schlechten Fall lediglich die Transaktionskosten.

Was können Unternehmen tun, wenn Bewerber einfach ausbleiben?

Die Qualität des Bewerberpools ist entscheidend. Die wiederum ist abhängig vom Image des Unternehmens im umgebenden Meinungsklima. Dem können Sie aber nicht von außen etwas Rouge auflegen. Nein, es kommt darauf an, dass Ihre Mitarbeiter gut über Ihr Unternehmen reden. Das ist verbindlich und glaubwürdig. Ein Unternehmen, das eine Suchanzeige aufgeben muss, hat jedenfalls den Wettlauf um die Richtigen schon verloren.

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