Zwei Wochen Ukraine-Krieg
Folgen für Wirtschaft und Verbraucher
Seit gut zwei Wochen herrscht Krieg in Europa. Mit harten Sanktionen hat die westliche Staatengemeinschaft auf den Angriff Russlands auf die Ukraine reagiert. Alle Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der Europäischen Union, Großbritannien, den USA und Kanada sind eingefroren. Die EU hat sieben russische Banken aus dem Finanz-Kommunikationssystem Swift ausgeschlossen. Der Luftraum über den EU-Staaten ist für russische Flugzeuge gesperrt. Die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 liegt auf Eis. Erste wirtschaftliche Folgen des Krieges und der Sanktionen zeigen sich.
Verbraucher: Die Menschen in Deutschland bekommen derzeit vor allem die rasant steigenden Energiepreise zu spüren. In dieser Woche übersprangen die Spritpreise erstmals die Marke von zwei Euro und steigen weiter. "Kurzfristig sollte die Bundesregierung eine befristete Mehrwertsteuersenkung auf Kraftstoffe und Heizöl prüfen", fordert ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine waren Sprit- und Heizkosten wegen der starken Nachfrage nach Öl und Gas im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung gestiegen und hatten die Inflation angeheizt. Im Februar lag die Jahresinflationsrate in Europas größter Volkswirtschaft bei 5,1 Prozent. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, sie können sich für einen Euro dann weniger kaufen als zuvor.
Autoindustrie: Die Bänder laufen teilweise nur eingeschränkt oder stehen still, weil wichtige Zuliefererteile wie Kabelbäume aus der Ukraine fehlen. "Die Branche wird sich erneut auf ein sehr schwieriges Jahr einstellen müssen", sagte der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller voraus. Dennoch gehen Hersteller wie Volkswagen oder Mercedes-Benz über die Sanktionen hinaus und stellen ihre Exporte nach Russland sowie die Fertigung in dem Land ein. Auch andere internationale Konzerne legen ihr Russland-Geschäft auf Eis. "Einerseits haben Unternehmen ihr Image im Blick und müssen das Geschäft mit Russland neu bewerten", meint die Außenwirtschaftsexpertin des Ifo-Instituts, Lisandra Flach. Andererseits gingen viele Unternehmen davon aus, "dass Russland in Zukunft kein attraktiver Markt sein wird".
Finanzwirtschaft: Russland droht trotz voller Staatskasse die Zahlungsunfähigkeit. Das Land hat Milliarden an Staatsanleihen in Dollar und Euro offen. Aufgrund der westlichen Sanktionen bestehe ein hohes Risiko, dass Russland seine Schulden bei internationalen Gläubigern nicht bediene, befürchtet der Präsident des Berliner DIW-Instituts, Marcel Fratzscher. Unter einem Zahlungsausfall würden auch einige deutsche Investoren leiden. Nach jüngsten Daten der Deutschen Bundesbank beliefen sich die Forderungen deutscher Banken gegenüber Russland im November 2021 auf rund 6 Milliarden Euro, einschließlich der Forderungen ihrer Auslandsfilialen und -töchter waren es etwa 7,5 Milliarden. Das waren gerade einmal knapp 0,4 Prozent der gesamten Auslandsforderungen deutscher Institute. In Wertpapieren öffentlicher Haushalte in Russland, zu denen auch Staatsanleihen zählen, steckten lediglich 119 Millionen Euro. Der Wert der Forderungen dürfte seit November gesunken sein. Die meisten Geldhäuser haben sich dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) zufolge aufgrund der bereits seit 2014 bestehenden Sanktionen nach der Krim-Annexion "mit ihrem Russland-Engagement in den letzten Jahren zurückgehalten".
Luftverkehr: Die Europäische Union und Russland haben ihre Lufträume für Fluggesellschaften der jeweils anderen Seite gesperrt. Für Airlines wie Lufthansa bedeutet das, dass Fernost-Maschinen nach China, Japan und Korea langwierige Ersatzrouten im Süden nehmen müssen. Das verbraucht zusätzliches Kerosin. "Letztendlich haben die Fluggesellschaften jedoch wenig Spielraum für steigende Kosten, da sie aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin mit geringeren Einnahmen konfrontiert sind", sagt Christiane von Berg, Volkswirtin beim Kreditversicherer Coface.
Groß- und Außenhandel: Laut einer Umfrage sieht sich bislang knapp ein Drittel der Groß- und Außenhändler von Sanktionen gegen Russland und den Gegensanktionen betroffen. Zwar machen die Beziehungen zu Russland nur drei Prozent des deutschen Außenhandels aus. "Doch in einer vernetzten Wirtschaft reichen die Auswirkungen oft weiter", erläutert Dirk Jandura, Präsident des Branchenverbandes BGA. Unternehmen berichteten beispielsweise vom eingeschränkten Handel mit Aluminium oder fehlenden Getreidelieferungen, von unterbrochenen Lieferketten oder fehlenden Lkw-Fahrern, die häufig aus der Ukraine stammten.
Chemieindustrie: Die energieintensive Industrie leidet seit längerem unter hohen Energiepreisen. Sie verarbeitet als Rohstoff nicht direkt Erdöl, sondern Rohbenzin, das von den Raffinerien aus Öl destilliert wird. Viele Branchenfirmen könnten den massiven Preisanstieg bei Öl und Gas nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie nicht oder nur teilweise an Kunden weitergeben. Rohöl steckt in vielen Gütern wie Kunststoffen, Arzneien, Waschmitteln, Spielwaren und Textilien.
Rüstungsindustrie: Deutsche Rüstungskonzerne wollen ihre Produktion ausweiten nachdem die Bundesregierung der Bundeswehr ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen will und dauerhaft mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken will. Das Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall hat dem Bund bereits eine Projektliste angeboten, die einen Umfang von 42 Milliarden Euro hat und Panzer, Munition, Militär-Lkw und andere Güter enthält. Auch der Kleinwaffen-Hersteller Heckler & Koch, der Rüstungselektronik-Konzern Hensoldt oder der Flugkörper-Fabrikant Diehl stellen sich auf mehr Geschäft ein.
Konjunktur: Der Krieg und die Sanktionen werden nach Einschätzung von Ökonomen die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland in diesem Jahr belasten. "Wir gehen derzeit davon aus, dass das Wachstum zumindest bis zur Jahresmitte einen empfindlichen Dämpfer verkraften muss", erwarten Volkswirte der DZ Bank. Im Gesamtjahr gehen sie von einem Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent aus nach zunächst vorhergesagten 3,0 Prozent. Ähnlich sieht es das Hamburger Forschungsinstitut HWWI: "Die Unsicherheit ist merklich gestiegen und der dadurch bedingte weitere kräftige Anstieg der Energiepreise erhöht die Inflation und senkt die reale Kaufkraft." (dpa/ad)