Innovationsmanagement
Freies Denken organisieren
Konrad Krafft ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungs- und Softwarehauses doubleSlash Net-Business GmbH. Er hat Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz studiert und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Entwicklung digitaler Services, insbesondere im Bereich von Unternehmensprozessen und Softwareprodukten. Als Experte befasst er sich mit der Industrialisierung von Software-Entwicklung und neuen digitalen Geschäftsmodellen.
InnovationInnovation ist der entscheidende Faktor für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Heute mehr denn je. Was einige Großkonzerne schon seit Jahren praktizieren, kommt bislang jedoch eher zögerlich auch in anderen Unternehmen an: ein Innovationsmanagement, das sich nicht auf zufällige Ideen Einzelner stützt, sondern gezielt innovationsfördernde Rahmenbedingungen schafft. Damit gewinnt das ganze Unternehmen an Kreativität und Innovationskraft. Es ebnet den Weg für neue Lösungen und stärkt so seine Wettbewerbsfähigkeit. Alles zu Innovation auf CIO.de
Innovationsmanagement – Eine Definition
Wer ein professionelles Innovationsmanagement etablieren will, sollte zunächst klären, was darunter zu verstehen ist. "Innovation" leitet sich aus dem lateinischen "innovare" (erneuern) ab. In der Praxis sieht das so aus: Am Anfang steht eine Idee. Um daraus eine Innovation zu machen, müssen vor allem folgende Kriterien erfüllt sein:
die Idee muss neu für das Unternehmen sein;
ein Mehrwert sollte von Anfang an ersichtlich sein;
für die Umsetzung sollte eine Investition erforderlich sein.
Erfüllt ein Vorschlag diese Kriterien, wird er in das Innovationsmanagement aufgenommen. Umgesetzt wird die Innovation in der Regel zunächst als Prototyp, Labor- oder Beta-Phase. Dann folgt die Wertschöpfung: Die Innovation wird intern umgesetzt oder in ein marktfähiges, skalierbares Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung überführt.
Innovationen zu entwickeln und zu etablieren umfasst somit zwei wesentliche Bereiche: einen kreativen Teil, innerhalb dessen die Beteiligten im Wesentlichen Ideen generieren und auf ihre Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit abklopfen; und einen operativen Teil, in dem es darum geht, die Ideen zur Reife zu bringen, sie umzusetzen und die Innovation in den Markt einzuführen.
- So entstehen innovative Ideen
Die besten Ideengeber im Unternehmen sind nicht die Führungskräfte, sondern die Mitarbeiter und die Kunden, sagt Anne M. Schüller. - 1. Ist-Analyse:
Beleuchten Sie die zu optimierende Situation beziehungsweise das zu lösende Problem aus verschiedenen Perspektiven, vor allem aber aus der Sicht des Kunden. Machen Sie dazu Kunden- und Konkurrenzbeobachtungen sowie Interviews mit Mitarbeitern und Externen. Auch Branchenfremde können sinnvolle Beiträge liefern. - 2. Ziel-Definition:
Wo wollen Sie hin, was soll am Ende des Prozesses erreicht sein? Dies muss deutlich werden, damit die Ideen-Generierung eine Richtung bekommt. Gehen Sie dabei von kundenrelevanten, differenzierenden Merkmalen aus: Was können wir für unsere Kunden besser, schneller, einfacher, billiger machen. Formulieren Sie all das schriftlich. - 3. Zusammenstellung des Teams:
Dazu gehören insbesondere die Mitarbeiter, die von der späteren Umsetzung betroffen sind. Damit minimieren Sie von vorne herein aufkommende Widerstände. Sorgen Sie für Visionäre, Querdenker, Missionare, Macher, Kundenbotschafter und Bedenkenträger im Team ebenso wie für Experten und Laien. Mischen Sie alt und jung, Männer und Frauen. Briefen Sie das Team sorgfältig. Ein geschulter Moderator kann helfen, die Prozessschritte zielgerichtet zu steuern. - 4. Ideen-Generierung:
Begeben Sie sich an einen neutralen, störungsfreien, inspirierenden Ort und setzen Sie passende Kreativitätstechniken ein. Sorgen Sie am Anfang für gute Laune und ein Kreativ-Warm-up. Zeiteinheiten von 30 bis 60 Minuten sind optimal. Hören Sie nicht zu schnell auf, in dieser frühen Phase benötigen Sie ein Maximum an Ideen. Speichern Sie alle Ideen. Und beachten Sie die drei goldenen Regeln einer Kreativ-Sitzung: - Quantität vor Qualität, Inspiration ist erwünscht - alle Teilnehmer sind gleichberechtigt, keine Hierarchie - keinerlei Kritik, weder positiver noch negativer Art - 5. Ideen-Bewertung und -Selektion:
Benutzen Sie jeweils passende Bewertungs- und Selektionstechniken, um die gefundenen Ideen zu verdichten, zu kombinieren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Dies kann ein separates Bewertungsteam tun, dem auch Kunden angehören. Erstellen Sie eine Prioritäten-Liste, sortieren Sie nach Marktfähigkeit, Machbarkeit, Zeithorizont, Wirtschaftlichkeit und Nichtkopierbarkeit. Dabei kommt es erfahrungsgemäß zu weiteren Ideen. Am Ende dieses Prozesses verbleiben einige wenige aussichtsreiche Favoriten. Geben Sie diesen Namen und definieren Sie das weitere Vorgehen, beispielsweise in Form eines Projekts. - 6. Implementierung:
Sorgen Sie zunächst für interne Akzeptanz, vor allem bei den ‚betroffenen‘ Mitarbeitern. Dies erfolgt am besten durch Involvieren und frühzeitige, regelmäßige, offene Kommunikation. Stellen Sie die notwendigen Ressourcen bereit. Kommunizieren Sie aktiv mit dem Markt, insbesondere mit den anvisierten Zielgruppen und mit der Presse. Bringen Sie Ihre Idee beziehungsweise Innovation zügig in den Markt, und zwar zum richtigen Zeitpunkt. Experimentieren Sie und testen Sie Varianten. Lassen Sie die Kunden schließlich mitentscheiden. - 7. Kontrolle und Optimierung:
Vergleichen Sie die Ergebnisse mit Ihrer Zieldefinition. Holen Sie sich Feedback vom Kunden, hören Sie dabei auch auf die leisen Töne und die kritischen Hinweise. Optimieren Sie kontinuierlich, das heißt: Beginnen Sie diesen Prozess von vorn. Sorgen Sie für einen regelmäßigen Nachschub an unverbrauchten, außergewöhnlichen Ideen.
Stellenwert von Innovationsmanagement im Unternehmen
Unternehmen, die ein professionelles Innovationsmanagement etablieren möchten, sollten sich vorab einige grundsätzliche Fragen stellen und beantworten. Dazu gehört zu klären, welchen Stellenwert das Innovationsmanagement im Unternehmen einnehmen soll. Hierzu ist es sinnvoll, eine Stabsstelle einzurichten, denn es geht um eine Querschnittsfunktion, die alle Bereiche betrifft. Sie kann nur dann ihre optimale Wirkung entfalten, wenn sie nah an der Führungsebene angesiedelt ist.
Es gilt zu klären, mit welchen konkreten Maßnahmen und Prozessen sich eine innovative Kultur fördern und etablieren lässt. Welches Anreizsystem ist damit verbunden und wie soll der generische Innovationsprozess aussehen? Schließlich müssen die damit zusammenhängenden Prozesse möglichst reibungslos in die anderen unternehmerischen Abläufe integriert werden.
Offenheit und Transparenz sind entscheidend, damit ein Innovationsprozess die gewünschten Ergebnisse bringt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gleichgültig auf welcher Ebene und in welcher Funktion, müssen die Möglichkeit haben, eigene Ideen einzubringen.
Aufgabe eines Innovationsmanagers ist es also, innovationsfördernde Prozesse zu entwickeln, aufzusetzen und zu begleiten. Er muss, wenn man so will, das freie, kreative Denken organisieren. Denn das ist kein Selbstläufer, sondern erfordert zielgerichtetes Vorgehen.
Lesetipp: Herausforderungen für CIOs - 10 Hürden für Innovation Manager
Der Innovationsprozess im Detail
Zunächst muss der Innovationsmanager Strukturen und Prozesse aufbauen. Dabei ist es hilfreich, diese an die bereits im Unternehmen bestehenden Strukturen und Prozesse anzudocken. Das verringert Reibungsverluste und macht es einfacher, die Neuerungen in die täglichen Routinen einfließen zu lassen.
Sogenannte Stage/Gate-Phasen bilden das Rückgrat des Innovationsprozesses. Stage bezeichnet die Ausarbeitungsphasen, an deren Ende jeweils ein Gate steht. Dort bewertet das sogenannte Bid Board, ein Team, das je nach Aufgabe unterschiedlich besetzt ist, die Ergebnisse der vorangegangenen Stage-Phase.
Jedes Gate hat drei Ausgänge:
Pass – die Idee wird als aussichtsreich und gut genug empfunden, um sie in die nächste Stufe zu überführen.
Stop – die Idee wird verworfen.
Replay – die Idee wird an die Verantwortlichen zurückverwiesen, um bestimmte Aufgaben zu erledigen, ehe sie erneut dem Bid Board vorgestellt wird.
Beispielhaft kann man sich an vier Stage/Gate-Phasen orientieren:
Phase 1: Die Idee wird geboren. Die Ideengeber definieren, wer Nutznießer der potenziellen Innovation sein könnte und suchen einen unternehmensinternen Sponsor. Die Sponsorin oder der Sponsor stellt Ressourcen für die Weiterführung der Idee zur Verfügung (am Anfang meist Arbeitszeit, gegebenenfalls auch finanzielle Mittel), beziehungsweise stellt deren Freigabe in Aussicht, falls Phase 1 erfolgreich zum Abschluss kommt.
Phase 2: Zeit für eine STQB-Betrachtung, also Scope (worum geht es genau?), Time, Quality und Budget. Die Idee gewinnt an Qualität und Tiefe. Es entsteht eine detailliertere Beschreibung des potenziellen Projekts, wie es sich realisieren lässt, welchen Nutzen es bringen kann und mit welchem Ressourceneinsatz zu rechnen ist.
Phase 3: die Implementierungsphase. Aus der ursprünglichen Idee wird ein gesondertes Projekt. Je nach Umfang kann es jetzt auch schon mit relativ großem Zeit- und Finanzbudget ausgestattet werden.
Phase 4: Rollout. Die Innovation startet intern oder extern in den Markt.
In der Regel sind vier Funktionsträger oder Gremien an den Prozessen beteiligt: die Ideengebende Person oder ein Team. Die Sponsorenrolle fördert deren Entwicklung, treibt sie voran und verantwortet die Erfolgskontrolle in den verschiedenen Phasen des Stage/Gate-Prozesses. Die bearbeitende Person entwickelt die Idee federführend weiter. Und das Bid Board beurteilt die Ergebnisse der jeweiligen Phase.
Dem Bid Board gehören grundsätzlich Verantwortliche von Unternehmensbereichen und/oder Geschäftsfeldern und die Teamleitung an. Übersteigt das Projekt ein gewisses Level an Aufwand und Relevanz für das Unternehmen, kommt auch die oberste Führungsebene hinzu. Nach der Bewertung der Idee und deren Entwicklung benennt das Bid Board eine Person als Projektleitung, die für die weitere Entwicklung der Innovation verantwortlich ist.
Um das Ganze möglichst reibungsfrei in die gewohnte Arbeitsumgebung einzufügen, kann das Innovationsmanagement in ein internes Ticketsystem integriert werden, zu dem alle Mitarbeitenden Zugang haben. Ein neues Ticket zu eröffnen oder auf ein bestehendes zu reagieren, ist ausgesprochen einfach und fester Bestandteil von Arbeitsabläufen. Das Innovationsmanagement ist damit alle offen und jeder kann jedes darin befindliche Ticket kommentieren und beispielsweise dafür "voten". Das ist mitunter ein hilfreicher Indikator dafür, wie die Belegschaft eine Idee einordnet und bewertet.
Ideen von Anfang an belohnen
Ein entscheidender Motivations- und Erfolgsfaktor ist, dass neue Ideen und deren Entwicklung von Anfang an belohnt werden. Ideal ist ein Mix aus intrinsischen und extrinsischen Motivatoren. Intrinsische können sein:
Freude am Entwickeln und Teilen von Ideen;
die Möglichkeit, unabhängig von der hierarchischen Stellung im Unternehmen mitzugestalten und sich einzubringen;
Kommentare von Kolleginnen und Kollegen und die Anerkennung durch die Belegschaft.
Zu den extrinsischen Motivatoren zählen etwa Gutscheine, Boni oder sonstige Geldzuwendungen, die sich nach jedem erfolgreich abgeschlossenen Gate steigern sollten. Große Unternehmen und Konzerne beteiligen zum Beispiel Mitarbeitende, die Innovationen anstoßen, indem sie einen bestimmten Teil des ersten Jahresumsatzes bekommen, den das Unternehmen mit ihrer Innovation erzielt.
Innovation und Arbeitsalltag – funktioniert das?
Die Gretchenfrage: Funktioniert das im Arbeitsalltag? Die klare Antwort: Ja, sehr gut sogar. Oft steuern Mitarbeitende zunächst überwiegend Ideen zur Optimierung ihres eigenen Arbeitsplatzes und ihrer Arbeitsumgebung ein. Der Gewinn für ein Unternehmen ist klar: Wenn viele Ideen umgesetzt werden, fördert das den Zusammenhalt und das Wir-Gefühl. Die Mitarbeitenden merken: Ich kann etwas bewegen.
Innovationsmanagement hebt Motivationspotenzial
Ein strukturierter Innovationsprozess kann immenses Motivationspotenzial entfalten: Mitarbeitende, die ihre eigenen Ideen während ihrer Arbeitszeit entwickeln und vorantreiben – und dafür auch noch belohnt werden –, arbeiten damit an Dingen, für die sie sich besonders begeistern.
Übrigens: Die Parallelen zur digitalen Transformation und der vielzitierten neuen Unternehmenskultur sind offensichtlich. Denn auch für ein Innovationsmanagement gilt: Die Unternehmensleitung muss den Sinn sehen und die Neuerungen aktiv unterstützen.
Tipps für ein erfolgreiches Innovationsmanagement:
Gestalten Sie Ihren Innovationsprozess absolut frei von Hierarchien, sie behindern Kreativität.
Pflegen Sie maximale Transparenz. Jede Entscheidung muss anhand klarer Kriterien nachvollziehbar sein.
Etablieren Sie klar strukturierte, offene Prozesse.
Integrieren Sie ein Bonussystem, das sehr früh ansetzt.
Sorgen Sie für eine niedrige Einstiegshürde. Innovation lebt nicht zuletzt von der Schwarmintelligenz. Mitmachen muss deshalb einfach sein.
Wichtig: Innovationskraft ist primär eine Frage von richtiger und guter Unternehmensführung.
Heutzutage gibt es bereits zahlreiche Studiengänge mit Schwerpunkt Innovationsmanagement. Das zeigt, wie wichtig ein Innovationsmanagement für Unternehmen heute schon ist und es dürfte an Bedeutung noch gewinnen. Es kann auch sinnvoll sein, die Innovationsmanagement-Funktion intern zu besetzen und etwa über ein entsprechendes berufsbegleitendes Studium abzubilden. Das hat den Vorteil, dass die Prozesse und Abläufe im Unternehmen schon bekannt sind und es damit leichter fallen dürfte, die passenden Prozesse aufzusetzen.