Wie Wirtschaftsstrafverteidiger arbeiten
Führungskräfte vor dem Knast bewahren
Was leugnen, wo schweigen, wo mit den Ermittlern kooperieren - das sind Fragen, die nur mithilfe des Insiderwissens der Mandanten zu beantworten sind. Wenn Anwalt und Mandant etwa nachweisen können, dass der Vorstand bei einem sogenannten Risikogeschäft alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, um das Geschäft ohne Verluste abzuwickeln, fällt der Untreuevorwurf der Staatsanwaltschaft schnell in sich zusammen.
Eines eint alle Wirtschaftsstrafverteidiger: In aller Regel arbeiten sie darauf hin, ihrem Mandanten einen öffentlichen Prozess zu ersparen. Hauptsache, heraus aus der Schusslinie, lautet die Devise. Das klassische Mittel steht in Paragraf 153a der Strafprozessordnung: Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen Erteilung von Auflagen und Weisungen an den Beschuldigten ein. Der hat die Sache hinter sich und kann weiterarbeiten. Und die chronisch überlasteten Ermittler gewinnen Zeit für den nächsten Fall.
"Wir sind keine Wunderheiler"
Doch es gibt auch Verteidiger, die die inflationäre Anwendung des Paragrafen 153a StPO für heikel halten. Eberhard Kempf (65) gehört dazu, ebenfalls ein erstklassiger Wirtschaftsstrafverteidiger, allerdings einer mit ungewöhnlichen Wurzeln.
Der hochgewachsene ältere Herr, der zum Gespräch in der Bibliothek seiner Kanzlei gegenüber dem Frankfurter Palmengarten empfängt, begann als Anwalt der linken Szene, vertrat Frankfurter Startbahngegner, Hausbesetzer und mitunter Terroristen. Dass von dieser Vergangenheit eine direkte Linie zur Beratung mächtiger Wirtschaftsmanager führe - Kempf stand im Mannesmann-Verfahren an der Seite von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann -, fällt ihm leicht zu begründen: Immer sei es ihm um den "Einsatz für rechtsstaatliches Strafrechtsverständnis" gegangen.
Dazu gehöre auch, für den Mandanten einen unter Umständen nur mühsam zu erkämpfenden Freispruch zu erwirken, anstatt sich mit einer Verfahrenseinstellung aus der Affäre zu stehlen. So vertrat Kempf den einstigen West-LB-Chef Jürgen Sengera, der sich 2008 wegen schwerer Untreue im Zusammenhang mit riskanten Kreditgeschäften vor Gericht zu verantworten hatte. Fünf Monate dauerte der Prozess, die Anklage hatte zwei Jahre Haft auf Bewährung gefordert. Am Ende erhielt Sengera die Rehabilitation: Er wurde freigesprochen.