Strategien


IT-Manager wetten

Hierhin wandern die Märkte

04.02.2014
Von Bernd Kuntz

Indien

hat sich seit den grundlegenden Reformen 1991 in die Weltliga katapultiert. Viele namhafte IT-Firmen sind durch den Outsourcing- Boom entstanden (und manche auch wieder gegangen). Es gibt dort Unternehmen in der IT-Branche mit Hunderttausenden von Mitarbeitern, die die meisten von uns nicht einmal kennen. Die Bevölkerung Indiens ist im Schnitt extrem jung und hat die besten Arbeitsjahre noch vor sich.

2011 kam der Wirtschaftsmotor Indiens etwas ins Stottern, da die Regierung die Investitionen zurücknahm und das Vertrauen der Investoren nachließ. Vor Kurzem hat die Regierung weitere Reformen angekündigt, zum Beispiel die erweiterte Partizipation ausländischer Unternehmen.

Man muss sich aber bewusst sein, dass Indiens Bundesstaaten ziemlich unterschiedliche Verwaltung und Rechtsnormen haben. Maharashtra allein wäre als eigener Staat das zwölftgrößte Land der Erde (112 Millionen Einwohner). Durch diese Unterschiede in der Verwaltung mangelt es an politischer Durchschlagskraft. Mittelfristig hat Indien eine Prognose von knapp sieben Prozent Wachstum pro Jahr und somit den höchsten Wert der BRIC-Staaten.

Die Eliteuniversitäten nehmen etwa einen von 2500 Bewerbern auf. Die drei Standorte des Indian Institute of Management zählen zur Weltklasse. Das Qualitätsgefälle zwischen diesen Eliteuniversitäten und den anderen ist in Indien besonders hoch. Von den 4,3 Millionen Absolventen pro Jahr aller Universitäten sind ungefähr 900 000 Techniker im weitesten Sinne.

Ein großes Kapital ist die überdurchschnittlich gute Ausprägung von Englisch, wenn auch mit gewöhnungsbedürftigem Akzent. Inder der gebildeten Schichten lernen schon sehr früh Englisch - ein gutes Asset in der heutigen Zeit.

Es ist in Indien sehr wichtig, besonders High Potentials permanent eine Perspektive zu geben. Ansonsten wechseln sie sehr schnell die Firma. Das ist eine große Herausforderung, denn wie viele Jobs gibt es, wo jemand permanent neue Herausforderungen und Abwechslung geboten bekommt?

Bewältigung der Infrastruktur in Indien

Indien hat viele Hausaufgaben in der Infrastruktur zu bewältigen, beginnend bei der schlechten Energieversorgung, Straßen, Kommunikation am Land. Kurz gesagt, die "last mile" fehlt meistens. Daher sind Firmen wie AmazonAmazon in Indien noch nicht präsent, da die Logistik einfach nicht vorhanden ist. Alles zu Amazon auf CIO.de

Die Riesendimensionen dieses Landes kann man sich anhand des geplanten Registrierungsprojektes für die Bevölkerung vorstellen. 1,2 Milliarden Menschen sollen mit Foto und Fingerabdrücken erfasst werden. Dazu werden im ganzen Land eine Million Registrierungsstellen mit der erforderlichen Technologie installiert.

Europäer müssen lernen, mit der "no frills"-Kultur umzugehen. Inder bezahlen nur für das, was Geld spart. Deswegen sind dort der Secondhand- und sogar der Thirdhand-Markt so stark ausgeprägt. Weggeworfen wird etwas erst, wenn es irreparabel kaputt ist. Multinationale Unternehmen müssen danach trachten, die Kosten um 60 bis 80 Prozent zu senken und dabei nur maximal 30 Prozent an Features zu entfernen.

Die Kultur, aus dem Vorhandenen möglichst viel zu machen, führte auch zur Entwicklung von "frugaler Innovation". Damit möchte man Produkte entwickeln, die zwar sehr gute Technologie liefern, aber in den Anschaffungs - und Betriebskosten niedrig liegen. Oftmals finden diese Produkte auch den Weg in andere aufstrebende Länder, sodass manche Firmen (zum Beispiel Bosch) große Entwicklungszentren in Indien plaziert haben.

Als Beispiel für die kreative Herangehensweise an den indischen Markt seien Produkte von LG erwähnt wie Kühlschränke mit ganz kleinen Gefrierfächern, Waschmaschinen speziell für Großfamilien und Einknopf-"indische"-Fernbedienungen. Das Innovation-Center von LG in Bengaluru ist das größte außerhalb Koreas. Die Firma Haier aus China stellt spezielle Waschmaschinen her, mit denen man auch Gemüse waschen kann, und ihre Kühlschränke haben Metallplatten und Spezialkabel gegen Tierbiß.

Ein Negativum ist die gelernte Kultur, dass Wissen Allgemeingut ist. Das bedeutet auch, dass IP nicht ernst genug genommen wird. Indien ist auch in Bezug auf DatenschutzDatenschutz bei Weitem nicht auf europäischem Level und wird daher nicht als "Safe Harbor" akzeptiert. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

IT-Industrie in Indien

Die IT-Industrie in Indien erwirtschaftet acht Prozent des gesamten BNP und 24 Prozent des Exports. Der Sektor wächst noch immer mit rund zehn Prozent pro Jahr, drei Millionen Spezialisten arbeiten hier. Es gibt elf Firmen mit einem Umsatz über einer Milliarde Dollar. Die IT-Industrie bewegt sich weg vom vertikalen Geschäft hin zu "end to end"-Delivery.

Bei IT-Projekten mit Indien muss man allerdings bedenken, dass

  • die Attrition Rate deutlich höher ist als in Europa (die besten Firmen berichten von neun bis zwölf Prozent, aber alles unter 25 Prozent ist sehr gut);

  • ein Overhead durch Remote-Management besteht;

  • das indische Zeitverständnis Verspätungen noch stärker toleriert als Südeuropa;

  • Inder gewöhnt sind, Arbeit (und damit auch Projekte) sehr genau definiert zu bekommen. Eigeninitiative ist oft nicht ausgeprägt;

  • man IMMER einen "Plan B" braucht.

Indien könnte die erste wirklich mobile digitale Gesellschaft werden und damit die Welt wieder überraschen. Alle Voraussetzungen dafür sind vorhanden: Die Kosten des Netzwerkes und der Telefone gehen runter, drahtlose Netzwerke werden immer mehr, und die Konsumenten in Indien haben einen unstillbaren Appetit nach digitalen Services. Lokaler Content ist angesichts der 23 Amtssprachen in Indien auch dringend nötig. Allerdings sind nur wenige der 900 Millionen Mobiltelefonen in Indien SmartphonesSmartphones. Alles zu Smartphones auf CIO.de

McKinsey glaubt, dass die Gesamtanzahl von Internet-Usern bis 2015 von 137 auf 450 Millionen explodieren wird. Zusammen mit den Zugangsgebühren könnten sich dann die Einnahmen aus der digitalen Konsumation auf 20 Milliarden Dollar vervierfachen - damit wäre das Wachstum doppelt so stark wie in China. Schon heute verbringen Inder rund vier Stunden am Tag mit Online- und Offline-Content.

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