Gartner Magic Quadrant Industrial IoT-Plattformen

IIoT-Plattformen - ein unreifer Nischenmarkt?



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Ein interessantes Bild zeichnet Gartner in seinem allerersten Magic Quadrant für industrielle IoT-Plattformen (IIoT): Weil viele Anbieter die Auswahlkriterien des Marktforschungsinstituts nicht erfüllten, gibt es weder Leader noch Challenger.
Aus Sicht von Gartner erfüllen nur wenige Anbieter im überfüllten Markt für IIoT-Plattformen die notwendigen Anforderungen.
Aus Sicht von Gartner erfüllen nur wenige Anbieter im überfüllten Markt für IIoT-Plattformen die notwendigen Anforderungen.
Foto: a-image - shutterstock.com

Die Marktforscher von Gartner gehen davon aus, dass bis 2020 lokal installierte IoT-Plattformen in Verbindung mit Edge Computing bis zu 60 Prozent der industriellen IoT (IIoT)-Analytik ausmachen werden - verglichen mit weniger als zehn Prozent Stand heute. Gleichzeitig sagen die Auguren voraus, dass der Mangel an überzeugenden Lösungen auf dem Markt dazu beiträgt, dass bis Ende 2022 15 Prozent der Hersteller IoT-Plattformen selbst entwickeln oder erwerben.

In diesen Kontext muss man das durchaus bescheidene Ranking der 11 (!) Anbieter sehen, das Gartner nun in seinem allerersten Magic Quadrant für industrielle IoT-Plattformen präsentierte: Die beiden vorderen Bereiche "Leaders Quadrant" und "Challengers Quadrant" sind komplett leer, als Visionäre sieht Gartner lediglich die Anbieter PTC, SAPSAP und Hitachi, während sich im Segment der "Nischenanbieter" mit Accenture, IBMIBM, Software AG, OracleOracle, Altizon, AtosAtos, QiO und Flutura die restlichen acht Player tummeln. Top-500-Firmenprofil für Atos Alles zu IBM auf CIO.de Alles zu Oracle auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de

Gähnende Leere auf den vorderen Rängen des Gartner Magic Quadrant IIoT-Plattformen 2018
Gähnende Leere auf den vorderen Rängen des Gartner Magic Quadrant IIoT-Plattformen 2018
Foto: Gartner (Februar 2018)

Ein Grund für das magere Angebot sind sicherlich die strengen Auswahlkriterien, die Gartner für die Zulassung anlegte: Unter anderem musste die IIoT-Plattform spätestens zum 6.Oktober 2017 (!!) sowohl als On-Premise- als auch Cloud-Angebot verfügbar sein, damit ein Hersteller für die Marktübersicht überhaupt in Betracht gezogen wurde. Außerdem musste sie als eigenständige Lösung angeboten werden, ohne dass

  • zusätzliche Investitionen in IT- und OT-Assets,

  • ein existierender Bestand an IT- und OT-Assets, oder

  • eine bestimmte Bündelung an IT- und OT-Anwendungen, Soft- und Hardware (z.B. MRO, PLM, APM, EAM, MES, ICS, SCADA oder Historian)

benötigt werden.

Die Marktforscher sind sich bewusst, dass dieses Kriterium eine Reihe sehr großer und wichtiger Hersteller von der Evaluierung ausschließt. Aus Sicht von Gartner ist der Hauptgrund für das steigende Interesse an IoT jedoch die damit geschaffene Möglichkeit, sich vom Vendor-Lock-in zu befreien und auch mit Lösungen von Drittanbietern neue Wertschöpfung zu betreiben, also etwa die Kosten zu senken, Produktionsleistung und -qualität zu steigern sowie neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Alternativen außerhalb des Magic Quadrant

Was den Wegfall von etlichen großen Playern betrifft, hielt sich Gartner in seiner Marktübersicht sicherheitshalber ein Hintertürchen offen: Man habe beim Evaluierungsprozess mehr als 40 Anbieter identifiziert, die nicht in den Magic Quadrant aufgenommen wurden, aber einen zukunftsweisenden oder speziellen Wert für Industrieunternehmen aufweisen, so das Analystenhaus.

Als Anbieter, die bei jeder Due Diligence für IIoT-Lösungen berücksichtigt werden sollten, stellte Gartner explizit BoschBosch SI, Davra Networks, Eurotech, GE Digital, MicrosoftMicrosoft, Schneider Electric und SiemensSiemens vor. Als Grund nannte das Analystenhaus die besonderen Fähigkeiten ihrer Plattformen, die Erfahrungen der Anbieter mit Industrieunternehmen und ihre Fähigkeit, in diesem Kontext Wertschöpfung zu schaffen. Top-500-Firmenprofil für Bosch Top-500-Firmenprofil für Siemens Alles zu Microsoft auf CIO.de

Stärken und Schwächen der "Top"-Anbieter

PTC

Aus Sicht von Gartner liegt die Stärke von PTC in der Erfahrung im Fertigungsbereich - basierend auf den Kernanwendungen für PLM-, CAD-, SLM- oder ALM-Kunden. Aufbauend auf diesen Erfahrungen konzentriere sich PTC auf Asset-Monitoring, Predictive Maintenance und Lösungen, um die betriebliche Effizienz zu steigern (Operational Excellence). Um diese Lösungen und Branchenkenntnisse zu entwickeln, baue PTC ThingWorx weiter aus und unterhalte ein globales Ökosystem von Technologiepartnern, Lösungsanbietern und globalen Systemintegratoren.

Gartner warnt jedoch davor, dass die Integration in Unternehmenssysteme nicht nativ in der IIoT-Plattform ThingWorx enthalten sei, sie könne jedoch durch Drittanbieter oder Customizing ermöglicht werden. Außerdem sei der digitale Zwilling von PTC für Hersteller von vernetzten Produkte konzipiert und biete Betreibern wenig Unterstützung bei der Nutzung von Digital Twins in Umgebungen, die auf komplexen, heterogenen Industrieanlagen und IoT-Geräten basieren. Zudem seien die Analysefunktionen von PTC nicht einfach zu bedienen oder zu integrieren und brächten mitunter weniger Ergebnissen als geplant.

SAP

Wenngleich SAP Leonardo IoT eine branchenunabhängige IoT-Plattform ist, eignet es sich aus Sicht von Gartner am besten für Unternehmen mit einer signifikanten Basis an SAP-Installationen, die nach einer integrierten Lösung für IT/OT-Integration, die IoT-Anwendungen von SAP, das Asset Intelligence-Network und Legacy-Anwendungen aus dem Industrieumfeld suchen.

Leonardo IoT ließe sich gut für das Monitoring von Industrieanlagen und damit zusammenhängende Analysen in den Bereichen Produktion, Versorgung, Transport und Logistik einsetzen. Zu den beobachteten und überprüfbaren industriellen Anwendungsfällen gehörten die Anlagenüberwachung und die vorausschauende Wartung von verschiedenen Produktionsstilen und Industrieanlagen im Feld, wie z. B. der Schwerindustrie und der Erneuerbare Energien.

Als besondere Stärke von SAP im IIoT-Umfeld sieht Gartner insbesondere die Erfahrung der Walldorfer mit Unternehmenssoftware und Middleware für Fertigung, Transport und Logistik. Außerdem dokumentiere SAP mit IoT-spezifischen Zukäufen, Investitionen und dem Aufbau eines Partner-Ökosystems sein Engagement für den IIoT-Markt und die langfristige Bedeutung von IoT im SAP-Leonardo-Produktportfolio. Das Analystenhaus verweist zudem auf die Möglichkeit, SAP Leonardo IoT auf verschiedenen Cloud-Diensten sowie on-Premise einzusetzen, dies erweitere die Flexibilität und Attraktivität der SAP IIoT-Angebote.

Der Umstand, dass SAP für die On-Cloud- und On-Premise-IIoT-Plattformen unterschiedliche Technologien (und Entwicklungszyklen) einsetze, erfordere jedoch bei Anwenderunternehmen einen deutlich höheren Aufwand für die Integration und Verwaltung hybrider IIoT-Plattformen. Außerdem warnt Gartner davor, dass SAP ein Single Point of Ownership und effiziente Prozesse fehlten, um Kunden zeitnah bei Problemen mit der Integration oder dem Betrieb der Plattform zu unterstützen.

Hitachi

Die hierzulande noch relativ wenig bekannte IIoT-Plattform Lumada eignet sich aus Sicht von Gartner am besten für industrielle Umgebungen, in denen Hitachi-Equipment genutzt wird. In solchen Szenarien könnten Kunden von der vorkonfigurierten Lumada-Funktionalität für die Interaktion mit Edge-Devices sowie Standardlösungen profitieren.

Außerdem verfüge der Anbieter durch den Verkauf und Support von Hitachi-Equipment an Endkunden über Erfahrung in wichtigen Industriebereichen. Gartner verweist weiterhin darauf, dass das neue Asset-Avatar-Konzept von Hitachi Digital-Twin-Funktionen für die Modellierung und Analyse erfülle und zudem die Versionskontrolle und das Release-Management ermögliche.

Zusätzlich biete Hitachi solide Edge-Funktionalitäten, die speziell für Assets im Bereich Produktion, Versorgung und Transportwesen entwickelt wurden. Ferner verfüge das Unternehmen über eine weltweite Präsenz mit Ressourcen von über 100 Hitachi-Betriebsgesellschaften und den weltweiten Kundenstamm der ehemaligen Hitachi-Data-Systems und Pentaho-Geschäftsbereiche.

Gartmer warnt jedoch, dass es keinen allgemein zugänglichen IoT-Marktplatz für Kunden gebe, um auf Anwendungen, Erweiterungen und Konnektoren zuzugreifen, die von Hitachi und Drittanbietern entwickelt wurden. Zudem fehle ein verlässlicher Katalog von unterstützten SDKs und Tools für die sichere Verwaltung von Software und Edge Agents. Außerdem gebe es nur wenig Hinweise darauf, dass Lumada einen Mehrwert für Nicht-Hitachi-Devices bietet, da die IIoT-Plattform primär von den internen Business-Units von Hitachi genutzt würde.

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