Wissenschaftliches Praktikum

In Indien lernen Informatiker Gelassenheit

Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Absolvieren junge Informatiker in Indien ein wissenschaftliches Praktikum, lernen sie vor allem andere Arbeitsweisen kennen. Einige hat der Aufenthalt in Bangalore dazu angeregt, nach dem Studium für einen indischen IT-Dienstleister zu arbeiten.

Hakan Eroglu studierte schon zwei Jahre Informatik an der TU Darmstadt, als er sich für einen Auslandsaufenthalt interessierte. Etwas Ausgefallenes sollte es sein. Ein Professor machte ihn auf das Programm „Instep“ von Infosys aufmerksam, über das seit 1999 schon 2000 Studenten aus aller Welt Praktika auf dem Campus des indischen IT-Konzerns in Bangalore, Mysore, Pune und Hyderabad absolvierten.

Zehn Wochen in Bangalore

Hakan Eroglu absolvierte als Informatikstudent ein Praktikum in Indien.
Hakan Eroglu absolvierte als Informatikstudent ein Praktikum in Indien.
Foto: Infosys

Zehn Wochen verbrachte Eroglu im SETLabs Institut in Bangalore und entwickelte ein Java-Programm zur Visualisierung von Software mit. Mit seinem indischen Tutor funktionierte der Austausch gut, wissenschaftlich und inhaltlich fand sich schnell ein gemeinsamer Nenner. Algorithmen sind auch in Indien Algorithmen. Die Herausforderung, in einem fremden Land zu arbeiten, erlebte der junge Informatiker erst im Alltag. Als sich sein Auge entzündet hatte und er um ein Taxi bat, um zum Augenarzt gefahren zu werden, fuhr zu seiner Überraschung ein Krankenwagen mit Blaulicht vor, um den vermeintlichen Notfallpatienten in die nächste Klinik zu bringen. „In Indien muss man sich immer sehr detailliert und klar ausdrücken, sonst führt das schnell zu Missverständissen“, wusste Eroglu danach. Auch sollte man sich peinlich genau an Vorgaben halten. So brauchte Eroglu einen Arbeitsnachweis, um eine indische SIM-Karte für sein Handy beantragen zu können. Weil im Arbeitsnachweis aber eine Zeile fehlte, wurde die SIM-Karte sofort gesperrt.

Radek Nowak lernte schnell, was indische Gelassenheit bedeutet.
Radek Nowak lernte schnell, was indische Gelassenheit bedeutet.
Foto: Infosys

Dass in Indien viele Uhren anders ticken, erfuhr Radek Nowak schon vor Beginn des „Instep“-Programms. Nowak, der an der Universität zu Köln Wirtschaftsinformatik studierte und parallel dazu eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolvierte, erfuhr über einen Kommilitonen vom Instep-Programm. Nach zwei Telefoninterviews hatte er die Zusage für das zehnwöchige Praktikum in Bangalore in der Tasche, doch sein Visum kam in letzter Minute, noch zwei Tage vor Abflug war unklar, ob er würde fliegen können. Auch während seines Projektes, einer Marktanalyse für Mobile Banking, merkte Nowak schnell, dass indische Kollegen vieles ruhiger und gelassener und oft auch in letzter Minute angehen. „Man muss diese andere Arbeitsweise, diese innere Gelassenheit, einfach einkalkulieren“, weiß der heute 26-jährige Nowak, der wie Hakan Eroglu seit Abschluss des Studiums für Infosys arbeitet.

Eroglu, heute Management-Berater für Finanzdienstleister und VersicherungenVersicherungen, arbeitet in den meisten Projekten eng mit den Infosys-Kollegen in Indien zusammen und fragt zur Sicherheit öfters mal genau nach, ob seine Ausführungen richtig angekommen sind. Eroglu versteht es auch als seine Aufgabe, kulturelle Unterschiede auszugleichen: „Auch die deutsche Arbeitsweise schockiert Inder, sie kennen es nicht, wenn Anweisungen des Managements hinterfragt werden. Das führt auch dazu, dass man seine eigene Denkweise hinterfragt.“ Darum versucht Infosys die Berufseinsteiger auch in einem „Cultural-Awarness-Programm“ darauf vorzubereiten, wie indische Kollegen bestimmte Situationen wahrnehmen und warum man Frauen nicht länger als wenige Sekunden anschauen darf. Top-Firmen der Branche Versicherungen

Tourismus-Attraktionen wie das Taj Mahal stehen auch für die Praktikanten auf dem Programm.
Tourismus-Attraktionen wie das Taj Mahal stehen auch für die Praktikanten auf dem Programm.
Foto: Infosys

In Indien selbst erlebten Eroglu und Nowak zwei getrennten Welten: Die eine des Infosys-Campus mit seinen Cafeterias, Restaurants, Pools und Fitnessstudios und die andere, in der sie sich nur mit Händen und Füßen verständigen konnten und in der sie mit Armut und Elend konfrontiert wurden. Diese Situation müsse man akzeptieren und dürfe sie nicht verurteilen, meint Eroglu.

Instep-Programm

1999 bot der Infosys-Konzern zum ersten Mal 13 jungen Amerikanern, in Indien ein wisschenschaftliches Praktikum zu absolvieren. Interkulturelle Zusammenarbeit galt es zu fördern ebenso wie Talente auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen, so die Ziele von Infosys-Gründer N.R. Narayana Murthy. Mittlerweile haben 2000 Studenten aus über 30 Ländern das acht- bis zwölfwöchige Programm durchlaufen, über 1200 von ihnen sind Mitglied des Alumni-Netzwerkes und 175 von ihnen arbeiten heute für Infosys. Für dieses Programm kooperiert Infosys mit 138 Hochschulen, in Deutschland sind dies die Universitäten in München, Aachen, Berlin, Karlsruhe, Mannheim, Köln und der WHU. Empfehlungsschreiben von Professoren sind eine der Voraussetzungen, um an dem Programm teilnehmen zu können. Unter www.infosys.com/Instep können sich Studenten dieser Partneruniversitäten für das Programm bewerben.

(Computerwoche)

Zur Startseite