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Logistik beim Pharmagroßhändler ANZAG

In zwei Stunden am Ziel

Die Gewinnmargen der Pharmagroßhändler schrumpfen. Rationalisierungspotenziale gibt es fast keine mehr, und mit Aspirin oder Viagra lassen sich kaum noch Geschäfte machen. Nur eine perfekte, IT-gestützte Logistik hilft der Branche aus der Krise.

Elf Uhr morgens: Im Lager von Andreae-Noris Zahn (Anzag) purzeln im Sekundentakt Päckchen aus den Kommissioniermaschinen. Die besonders oft von Apothekern aus der Region Frankfurt georderten „schnell drehenden“ Produkte, rund 2400 Stück, sind in den etwa 25 Meter langen Fächern der zehn Jahre alten Zuteilautomaten deponiert, die anderen ziehen Lagerarbeiter per Hand aus den Regalen.

"In einer Stunde geht es hier richtig los“, sagt Hans- Bernhard Müller, Betriebsleiter im Frankfurter Lager von Anzag, einem von bundesweit 23. Dann nämlich kommen die Mittagsbestellungen aus den Apotheken rein; die Medikamente prasseln auf das Förderband und wenig später in ein gelbes oder orangefarbenes Körbchen hinein. Eine knappe halbe Stunde nach Eingang der elektronischen Order durch eine Apotheke ist das Paket geschnürt; die Lieferwagen der Anzag-Logistiktochter AC Logistik stehen zur Abfahrt bereit. In zwei Stunden, so verspricht Müller, lägen die Medikamente am gewünschten Ort – egal wo in Deutschland. 160 Jahre nach der Gründung des Unternehmens hat Anzag das Fulfillment perfektioniert.

Vor zehn Jahren hat Informatikchef Rolf Magold das Warenwirtschaftssystem „Wapha“ eingeführt und damit die Voraussetzung geschaffen für das kürzlich mit dem Deutschen und Europäischen Logistikpreis ausgezeichnete „Integrierte Mikrologistiksystem“. In den folgenden zwei Jahren schloss er alle 23 Niederlassungen sowie sämtliche Apotheken in einem Verbundsystem zusammen. Seit drei Jahren können Bestellungen über das Portal www. anzag.de auch online aufgegeben werden; bereits jede vierte Apotheke nutzt diesen geschlossenen Bereich des Internets auf den Anzag-Seiten. Und sollte in Frankfurt mal etwas nicht mehr vorrätig sein, leitet das System die Order automatisch an das nächste Lager weiter.

Ein Praktiker treibt die IT voran

"Apotheker, die jetzt ihre Bestellung in den Computer tippen, setzen damit Sekundenbruchteile später die ganze Abwicklung in Gang“, sagt Magold, der sich vom Industriekaufmann beim Anlagenbau- und Verfahrenstechnikspezialisten Lurgi bis zum CIO bei Anzag heraufgearbeitet hat. Heute sind 60 IT-Spezialisten in seinem Team tätig – mit einem Budget von 13 Millionen Euro. Das möchte die Geschäftsführung in diesem Jahr gern um 20 Prozent kürzen. „Wenn ich aber Geld für wichtige ProjekteProjekte brauche, bekomme ich das auch“, gibt sich Magold zuversichtlich. Alles zu Projekte auf CIO.de

Um den eigenen Häusern genauso wie allen Apotheken im Bundesgebiet Zugang zum Lager zu verschaffen, bastelten Magolds Programmierer von 1994 bis 1996 an einer Integrationslösung. Die Internet-Anbindung des Systems entstand 1997 "innerhalb von drei Monaten".

"Das Tüfteln ist nicht meine Sache“, räumt Magold ein, der sich weniger als Bastler denn als Systemmensch sieht und vor allem ein Ziel verfolgt: EDV bedarfsgerecht einzusetzen. Anglizismen verabscheut er: „Warum soll ich denn ERP-System sagen, wenn ich Warenwirtschaftssystem meine?“ Die Mitarbeiterproduktivität von Anzag stieg in den letzten fünf Jahren von rund 700000 auf 1,2 Millionen Euro, die durchschnittliche Lagerdurchlaufzeit sank von 45 auf 25 Minuten. Und das mit einem ITBudget, das gerade 0,4 Prozent des Umsatzes ausmacht.

Aussetzer am Rosenmontag

IT-Perfektion ist für Branchenanalyst André Leue von der Bank Sal. Oppenheim eine unverzichtbare Voraussetzung, um sich auf dem durch staatliche Eingriffe gebeutelten Markt halten zu können. „Bei der Deutschen Nummer zwei, der Gehe AG, sank die Rendite in den letzten zwei Jahren auf die Hälfte – auf magere 1,1 Prozent“, sagt Leue. „Ist die Technik unzuverlässig, fließt das Geld direkt in die Kassen der Konkurrenz.“

Bislang hakte das System in der Frankfurter Niederlassung von Anzag erst einmal – am Rosenmontag 1998. Damals stand der Betrieb still. „Ein Scherz“, so dachte Betriebsleiter Müller. Doch tatsächlich war das Warenwirtschaftssystem für zirka neun Stunden ausgefallen. Die Kommissioniermaschinen bewegten sich nicht, und selbst der Administrator fand keinen Zugang zum System. Zirka zehn Prozent der bundesweiten Vorratsmenge lagen somit brach. Dennoch schätzt Magold die Verfügbarkeit der laufenden Systeme derzeit auf 99,8 Prozent. Auch wenn er nur 70 Prozent für exakt kalkulierbar hält, seien Störungen die absolute Ausnahme.

Sexualstimulanz-Mittel laufen bei Anzag trotz enormer Nachfrage nicht über Kommissionierautomaten; die Pillen sind in einem Stahlschrank verschlossen. Nachfrage herrschte offenbar nicht nur bei den Apotheken in ganz Deutschland, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern, die schon mal das eine oder andere Päckchen am Warenwirtschaftssystem vorbeischleusten.

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