Industrie 4.0 in der Praxis
Intelligenter Bestückungsautomat erhöht Termintreue auf 95 Prozent
Hydrotechnik entwickelt, produziert und vertreibt industrielle Messtechnik für die Diagnose und Zustandsüberwachung von Maschinen und Anlagen der Hydraulik und zählt zu den führenden Anbietern im Segment. Gleichzeitig ist das Unternehmen, so Christoph Bendel, Leiter Produktmanagement & Dienstleistungen bei der Hydrotechnik GmbH in Limburg, "ein Stück gelebte Industrie 4.0Industrie 4.0, die so sicherlich noch nicht allzu oft im Mittelstand vorkommt." Konkret ist hier die automatische Kommunikation zwischen Bestückungsautomat und ERP-System gemeint. Alles zu Industrie 4.0 auf CIO.de
Die Fertigungstiefe ist bei dem Limburger Unternehmen mit 140 Mitarbeitern insbesondere in der Elektronik ist sehr ausgeprägt und ermöglicht eine hohe Flexibilität für die Kunden. Die mechanischen und elektronischen Sensoren und Messinstrumente unterstützen beispielsweise bei Baumaschinenherstellern Messingenieure und Wartungstechniker bei der täglichen Arbeit. Zu den Produkten der Limburger, die weitere Standorte in Frankreich, Italien, China und den USA unterhalten, gehören unter anderem Schraub- und Steck-Kupplungen der Minimess-Familie. Durch die hauseigene Erfindung lassen sich Druck, Temperatur und Durchfluss von Hydraulik-Kreisläufen, etwa mobilhydraulischer Maschinen der Agrar- und Baumaschinentechnik, messen - während diese in Betrieb sind.
Die Produkte - ob mechanisch, wie die jährlich zu mehreren Millionen hergestellten Minimess-Kupplungen, oder elektronisch, wie die unterschiedlichen Sensoren - stellt Hydrotechnik ausschließlich in Deutschland her: Kleinserien in effizienter Handmontage, was darüber hinausgeht bis auf wenige Ausnahmen in halb- und vollautomatisierten Fertigungsabläufen. Insbesondere bei der Kleinserienfertigung der elektronischen Teile ist es für Hydrotechnik wichtig, den Materialfluss durchgängig im Blick zu haben. Seit 2005 arbeitet das Limburger Unternehmen dabei mit dem ERP-System Proalpha. Seit 2013 setzt das Unternehmen zudem auf eine besondere Verbindung zwischen der Maschinenebene und der ERP-Lösung.
Automatischer Abgleich sorgt für richtige Bestände
"Seit unser Bestückungsautomat in der Elektronikfertigung mit dem ERP-System kommuniziert, haben wir keine Fehlbestände und folglich keine darauf zurückzuführenden Produktionsverzögerungen mehr", erklärt Bendel. Der Bestückungsautomat ist hierzu mit einer Software namens eMIS (elektronisches Materialinformations-System) ausgestattet, die über eine Schnittstelle an das ERP-System angebunden ist. Dadurch kann das ERP-System wichtige Maschinendaten abrufen.
Durch einen automatischen und in der Regel einmal täglich durchgeführten Bestandsabgleich wissen die Disponenten bei Hydrotechnik genau, wie viele Teile der Bestückungsautomat erfolgreich verbaut hat, ob und wie viel Ausschuss entstand und wie hoch folglich die (Rest-)Bestände der einzelnen Bauteile sind. Müssen Teile nachbestellt werden, kann dies frühzeitig geschehen. Die Fertigung kann planmäßig weiterlaufen.
Als der automatische Bestandsabgleich noch nicht möglich war, mussten Mitarbeiter die Ausschussteile zählen oder schätzen und den Bestand manuell im ERP-System korrigieren. Das System selbst veranschlagte nämlich die in der Stückliste eines Produktionsauftrags ausgewiesene Anzahl an Bauteilen als erfolgreich verbaut. Waren in der Stückliste 1.000 elektronische Bauteile aufgeführt, die auf Leiterplatten zu montieren waren, reduzierte das ERP-System nach dem Fertigungsvorgang den Bestand um genau diese 1.000 Stück.
"Wenn der Bestückungsautomat allerdings Ausschuss produzierte, war dieser nicht im ERPERP hinterlegt. Wie auch? Es bestand ja keine Verbindung zwischen Maschine und ERP-System", schildert Bendel die Ausgangssituation. Die abgebildeten Bestände stimmten also erst nach einer manuellen Korrektur mit den tatsächlichen Beständen im Lager überein. Dies kostete wiederum Zeit. Alles zu ERP auf CIO.de
Liefertermintreue auf über 95 Prozent erhöht
Der jetzt mögliche, automatische Bestandsabgleich verhindert nicht nur Fehlbestände, er führte gleichzeitig zu einem Anstieg der Liefertermintreue auf über 95 Prozent. Dank der durchgängigen Abbildung des Bestandes ist nun immer genug Material vorhanden. Verzögerungen oder gar Produktionstopps sind damit sehr selten geworden. "Es müssen schon außergewöhnliche Umstände auftreten, etwa Lieferschwierigkeiten eines Lieferanten, damit es dazu kommt", ergänzt Bendel. Früher kam es bisweilen zu solchen Verzögerungen, weil die nicht erfassten Ausschussanteile zu hohe Bestände im System implizierten. Das führte dazu, dass Fertigungsaufträge bereits gestartet wurden, obwohl im Lager die Materialien oder Bauteile fehlten.
Dies führte zu ungeplanten Abrüstungen von Maschinen, eiligen Nachbestellungen und Lieferverzug. Durch den automatischen Abgleich zwischen dem nach wie vor führenden ERP-System und dem Bestückungsautomaten kann dies nicht mehr vorkommen. Dabei steht dem Fertigungsleiter frei, ob er nach jedem Produktionsauftrag abgleicht oder einmal täglich. Das hängt davon ab, ob Hydrotechnik gemeinsam gerüstete Produkte mit hohem Anteil an Gleichteilen oder unterschiedliche Produkte fertigt.
Kleiner Ansatz - große Wirkung
Durch den automatischen Bestandsabgleich hat Hydrotechnik einen vertikalen Informationsfluss zwischen ERP und Maschinenebene etabliert. Für die Kunden bringt diese Veränderungen eine verbesserte Liefertreue. Angesichts der positiven Ergebnisse plant das Unternehmen bereits, weitere Bereiche wie etwa die mechanische Fertigung stärker mit dem ERP-System von Proalpha zu verbinden. Des Weiteren will will Hydrotechnik den Industrie-4.0-Gedanken für seine Kunden weiter entwickeln, um zusätzliche Produkte und Serviceleistungen anzubieten. Eine Idee ist, dass künftig die Sensoren und Systeme des Messtechnik-Unternehmens Zustandsdaten wie Temperaturen, Drücke oder Drehzahlen für den Kunden messen und diese Anwendungsdaten weiterübermitteln können.