Marktanalyse
Jeder dritte Broker setzt auf Female Finance
Die Branche arbeitet damit auf das Ziel hin, den Finanzsektor nachhaltiger zu gestalten. Das geht aus der Marktanalyse "Digital investieren" der Management- und Technologieberatung Sopra Steria hervor. Vor allem den klassischen Banken und Sparkassen fehlen für die gezielte Ansprache und die Entwicklung von Produkten für weibliche Kunden allerdings oftmals noch die passenden Werkzeuge.
Digitales Investieren liegt bei Privatanlegern im Trend. Neobroker und Robo-Advisor haben die Eintrittshürden für Privatkunden in den vergangenen Jahren massiv gesenkt. Die Fan- und Nutzergemeinde der Trading-Plattformen ist bislang überwiegend männlich, sowohl bei den neuen als auch bei den traditionellen Dienstleistern. Nur gut ein Drittel der Anleger ist weiblich. Das soll sich nun ändern: Mit sogenannten Female-Finance-Angeboten wollen viele Finanzdienstleister gezielt neue Investorinnen gewinnen.
Female Finance orientiert sich bei Ansprache und Produktgestaltung stärker an weiblichen Interessen und Biografien. Dazu gehören beispielsweise Lebensläufe, die von Care-Arbeit geprägt sind. Auch Elternzeiten werden von Frauen statistisch deutlich häufiger in Anspruch genommen als von Männern. All das sorgt für eine größere Volatilität beim Einkommen. Kundinnen sind daher unter anderem auf flexiblere Produkte für die Altersvorsorge angewiesen. Daneben erwarten Frauen Features, die ihnen Prognosen für ihre Geldanlagen und Planungen für das verfügbare Einkommen liefern. Sie wünschen sich Lösungen, die einen positiven Einfluss auf Klima und Umwelt haben, und sie setzen im Durchschnitt eher auf Sicherheit als Männer.
Anbieter punkten mit gendergerechten Lösungen
"Nachhaltigkeit ist der Megatrend schlechthin - und dabei geht es auch um Fragen der Geschlechtergleichheit", sagt Robert Bölke, CIO Advisory bei Sopra Steria Next. "Ein besserer Zugang von Frauen zum Finanzsystem gehört zu jeder Nachhaltigkeitsstrategie. In einem scharfen Wettbewerbsumfeld ist es für die Finanzdienstleister wichtig, sich mit gendergerechten Investmentmöglichkeiten am Markt zu positionieren und zu differenzieren."
Vorreiter unter den Banken und Brokern passen ihre Angebotspalette entsprechend an und investieren in ein gezieltes Marketing. Zudem nutzen sie die Möglichkeit, über Kooperationen mit Influencerinnen Frauen für sich zu gewinnen und den Gender-Investment-Gap zu schließen. Daneben arbeiten sie daran, Funktionen und das Design von Apps und Online-Portalen so zu gestalten, dass sie der User-Journey und den Informationsbedürfnissen von Investorinnen entsprechen. Eine wichtige Bedeutung haben zudem der Aufbau von Netzwerken und der Austausch mit anderen Investorinnen. Fintechs wie Heyfina, finmarie und Vitamin setzen als Trading-, Finanz- und Coaching-Plattformen für Frauen sogar vollumfänglich auf die weibliche Finanzkraft.
Klassische Kundensegmentierung hat ausgedient
Female-Finance-Angebote gehen einher mit der Notwendigkeit besserer Kundenprofile. Die klassische Kundensegmentierung der Banken und Sparkassen ist für die heterogenen Zielgruppen nicht mehr zeitgemäß. Die statische Einteilung in Gruppen weicht immer stärker dynamischen und individuellen Kundenprofilen, die eine Vielzahl von Informationen vereinen. Die Marktanalyse zeigt, gerade Kundinnen von heute möchten keine Angebote über isolierte Einzelprodukte, sondern die perfekte Lösung für ihre jeweiligen Zielsetzungen oder aktuellen Lebenssituationen. "Der Markt für digitales Investieren wächst, gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb", sagt Banking-Experte Robert Bölke. "Wer in diesem lukrativen Markt Anteile gewinnen und den Preiskampf umgehen will, braucht eine individuellere Produkt- und Marketingstrategie - und die Institute sollten lernen, Daten ihrer Kundinnen und Kunden besser zu nutzen", so Bölke.
Technologien wie Künstliche Intelligenz sind mittlerweile ausgereift und helfen, individuelle Kundenprofile durch frei verfügbare Informationen zu ergänzen. Knackpunkt für viele Banken ist immer noch ein Datenmanagement, das alle Kontaktpunkte erfasst - von der Newsletter-Ansprache über Eingaben in Trading-Apps bis zu Auswertungen von Hotline-Anfragen. Auf diese Weise erhalten die Finanzdienstleister einen viel umfassenderen Blick auf die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden als bisher. Durch Data-Mining wiederum lassen sich sehr spezifische Cluster identifizieren und auf deren Basis Lösungen für Kundinnen und Kunden entwickeln. Die aktuelle Lebenssituation und die individuellen Erfordernisse behalten sie damit jederzeit im Blick.
Über die Marktanalyse "Digital investieren"
Für die Marktanalyse "Digital investieren" hat Sopra Steria die Depotangebote von 40 Anbietern aus Deutschland und Österreich untersucht. Mit 15 Anbietern wurden zudem ausführliche Interviews geführt (zehn aus Deutschland, fünf aus Österreich). (dpa/ad)