Wintersportourismus
Mit Ski und Schneeschuh gegen den Corona-Frust
Skigebiete, Hersteller, Hotels und Sportgeschäfte im gesamten deutschsprachigen Alpenraum von Bayern bis Südtirol eint der Wunsch, dass der derzeitige Boom sommerlicher Freizeitsportarten an der frischen Luft sich auf den Winter übertragen könnte.
Die Pandemie hat Händler und Hersteller hart getroffen. Die Sportgeschäfte mussten mit entsprechenden Umsatzverlusten wochenlang schließen, der Verlauf der Pandemie erschwert die Zukunftsplanung. Das wiederum hat naturgemäß Auswirkungen auf die Hersteller: "Im Vergleich zum Vorjahr haben wir in diesem Jahr einen circa 20 bis 25 Prozent niedrigeren Orderstand", sagt Wolfgang Mayrhofer, Sprecher der österreichischen Skiindustrie.
Außergewöhnliche Situation
"Es variiert auch zwischen den einzelnen Kategorien, bei Produkten für den Skitourensport und bei Helmen, Brillen, gab es weniger Rückgang", berichtet der Chef des Skiherstellers Atomic, der in der kleinen Gemeinde Altenmarkt im Bundesland Salzburg seinen Sitz hat.
In der Skiindustrie ist Österreich eine Weltmacht mit einem globalen Marktanteil von etwa 50 Prozent. In der Saison vor Corona wurden nach Mayrhofers Worten weltweit etwa 3,4 bis 3,5 Millionen Paar Ski verkauft. Davon stammten etwa 1,7 Millionen Paar von österreichischen Marken - Atomic, Blizzard, Fischer und Head sind international bekannt.
"Wir haben derzeit eine außergewöhnliche Situation, die Lage ist aber nicht so schlecht", sagt Mayrhofer. "Der Urlaub in den Bergen boomt gewaltig. Die Leute wollen hinaus in die Natur, und ich denke, dass das auch im Winter anhalten wird." Das Virus könnte nach Mayrhofers Einschätzung den Effekt haben, dass sich eine seit Jahren zu beobachtende Tendenz noch verstärkt: "Ich glaube, dass der Trend zu Skitouren im freiem Gelände und Touren neben der Piste, den wir schon vor Corona hatten, jetzt noch zunehmen wird."
Wintersporttourismus multioptionaler als früher
Unter den deutschen Unternehmen dominieren die Hersteller von Bekleidung und sonstiger Wintersport-Ausrüstung. Peter Schöffel, Chef des gleichnamigen Bekleidungsherstellers im bayerischen Schwabmünchen, sieht die Lage ganz ähnlich: "Bei aller Unsicherheit sind wir verhalten optimistisch, was den Winter und den Wintersport betrifft. Draußen sein ist im Trend." Der Wintersporttourismus sei "multioptionaler" als früher. "Die Leute machen Schneeschuhtouren, Winterwandern, Skitouren, Langlauf und sogar Radfahren."
Die Berge würden seit Monaten stark frequentiert, sagt Schöffel. "Der Bereich Fahrrad ist dieses Jahr durch die Decke gegangen, Running läuft ebenfalls gut."
Ein zusätzlicher Faktor, der die Branche hoffen lässt: Anders als im Sommer spielen Touristen aus China, den USA oder Japan im Winter ohnehin eine viel kleinere Rolle - dementsprechend weniger schmerzhaft wäre deren Abwesenheit im Winter. Und den Europäern wiederum wird voraussichtlich nach wie vor die Gelegenheit zum Winterurlaub in überseeischen Gefilden fehlen, zumindest im bisher gewohnten Umfang.
Betrieb startet kurz vor Weihnachten
"Weil Fernreisen derzeit eher kein Thema sind, werden die Alpen vielleicht eine noch gewichtigere Alternative für den Urlaub als vor Corona", sagt Schöffel. Und davon abgesehen: "Wintersportorte, die auf Familien, naturnahen Tourismus und sportliche Aktivitäten setzen, haben sicher bessere Aussichten als solche mit Schwerpunkt Après-Ski und Partymeile."
Abgesehen von den wenigen Gletscherskigebieten in hochalpinen Regionen wird der Betrieb erst kurz vor Weihnachten starten - in tiefer gelegenen Orten möglicherweise sogar erst danach, wenn die kalte Jahreszeit wieder einmal verspätet beginnen und zu warm ausfallen sollte. Doch das bedeutet nicht, dass sich derzeit in den Skigebieten nichts täte.
"Wir hoffen auf eine gute Saison", sagt Karin Pasterer, Sprecherin des Tourismusverbands Saalbach Hinterglemm, dessen Skigebiet mit 270 Pistenkilometern in Salzburg und Tirol zu den größten Österreichs gehört. Zu den Vorbereitungen gehört unter anderem die Einstellung von 1700 Saisonkräften, die die Anlagen bedienen und pflegen. Doch die Ungewissheit, die alle in der Branche plagt, betrifft naturgemäß auch die Skigebiete. So ist noch unklar, unter welchen behördlichen Auflagen und mit welchen Hygiene-Vorschriften der Skibetrieb laufen wird, wie Pasterer sagt. (dpa/rs)