Krisengewinner
Modelleisenbahn bleibt in der Spur
Seit mehr als 20 Jahren baut der Sänger Rod Stewart schon an einer riesigen Modelleisenbahn. Im vergangenen Jahr präsentierte er das Ergebnis stolz in einer Fachzeitschrift. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist seit langem bekennender Modelleisenbahn-Fan. Es gab Zeiten, da war das Hobby etwas aus der Mode gekommen. Doch in den vergangenen Jahren haben viele ihre alte Eisenbahn im Keller wiederentdeckt oder sind neu in die Modellbauwelt eingestiegen. Gerade in Corona-Zeiten erweist sich das Hobby als krisenfest.
Bis unter die Decke türmen sich bei Eisenbahn Dörfler in Nürnberg nostalgische Dampflokomotiven, moderne ICE-Züge, unzählige Häuser, Figürchen und winzige Tiere. 10 000 verschiedene Produkte hat das Traditionsgeschäft in der Innenstadt zu bieten, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert.
In der Zeit erlebte die Modelleisenbahn Höhen und Tiefen. Letztere vor allem in den 1990er und Nuller-Jahren, als die Spielkonsolen auf den Markt drängten, wie Geschäftsinhaber Rudolf Böhlein erläutert. In den vergangenen Jahren habe das Hobby aber wieder Fahrt aufgenommen. "Im Gegensatz zu früher ist die Modelleisenbahn günstiger geworden. Ich kann für kleines Geld ins Hobby einsteigen", sagt Böhlein.
Imagewandel und neue Zielgruppen
Seit ein paar Jahren gehe die Entwicklung stetig nach oben, bestätigt auch Ulrich Brobeil vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie. "Den Herstellern ist es gelungen, das Hobby stärker zu emotionalisieren, einen Imagewandel zu erreichen und neue Zielgruppen jenseits der klassischen Klientel anzusprechen." Zahlen zum Gesamtumsatz der Branche gibt es nach seinen Angaben nicht. Die meisten Hersteller seien zurzeit aber mit der Umsatzentwicklung sehr zufrieden, sagt er. Trotz Corona-Krise.
"Man kann sich seine eigenen heile Welt bauen, unabhängig von dem, was draußen passiert", beschreibt Böhlein, selbst passionierter Modelleisenbahner, den Charme des Hobbys. Im Gegensatz zu anderen Spielzeugen unterliegt es keinen Trends, es begleitet seine Anhänger oft ein Leben lang - und braucht vor allem Zeit, die viele Menschen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr wieder mehr haben.
Das bekommt Marktführer Märklin in seiner Service-Hotline deutlich zu spüren. "Es gibt extrem viele Leute, die sich neu mit dem Hobby beschäftigen und Aufbauhilfe brauchen", sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Florian Sieber. Der Bobby-Car-Produzent Simba Dickie im fränkischen Fürth hatte den insolventen Modellbahnhersteller aus Baden-Württemberg 2013 übernommen. Nach Jahren der Stagnation war der Umsatz zuletzt wieder gestiegen.
Anfang des Jahres hatte Sieber noch von einem Umsatzplus um 5 auf 117 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2019/2020 gesprochen. Doch dann kam die Corona-Krise, und die Märklin-Fabriken am deutschen Stammsitz Göppingen und in Ungarn standen über Wochen still. Mit 112 Millionen Euro Umsatz schloss das Geschäftsjahr deshalb auf Vorjahresniveau.
Positive Aussichten
Für dieses Jahr wagt Sieber keine genaue Prognose, hält aber ein leichtes Wachstum für möglich. "Wir haben ein ganz klares Auftragsplus, konnten das aber nicht bei den Umsätzen spiegeln, weil schlichtweg die Ware fehlt."
Etwas mehr Glück hatte der thüringische Hersteller Piko. Die Produktion in Sonneberg und China sei wegen der Krise nur etwas nach hinten verschoben worden, sagte Vertriebschef Jens Beyer. "Wir versuchen, das bis Jahresende aufzuholen." Die Monate Oktober bis Januar sind aus seiner Sicht die wichtigsten für die Branche - wegen des Weihnachtsgeschäfts und weil die Menschen in der kalten Jahreszeit mehr Zeit drinnen verbringen und dann in ihre Modelleisenbahnen investieren.
Umsatzzahlen nennt der Hersteller generell nicht. "Wir liegen aktuell aber deutlich über dem Vorjahr", verrät Beyer. Im Oktober habe der Umsatz bereits um 16 Prozent höher gelegen. Diesen Zuwachs führt Beyer eindeutig auf die Corona-Krise zurück: "Man hat das Hobby wieder neu entdeckt." Vor allem bei den Gleisen sei die Nachfrage gestiegen, weil nun viele ihre Anlage ausbauten. "Krisenzeiten sind für die Modelleisenbahn nicht die schlechtesten Zeiten", meint er. (dpa/ad)