LinkedIn-Gründer im Interview
"Open BC hat den Weg für uns bereitet"
Herr Guericke, Sie sind zehn Jahre älter als Lars Hinrichs, der Gründer von Open BC. Im Gegensatz zu Ihnen hat er es jedoch bereits geschafft, sein Unternehmen an die Börse zu bringen. Sind Sie neidisch?
Nein. An der Börse gehandelt zu werden, hat Vor- und Nachteile. Es ist jedenfalls wesentlich schwieriger, strategisch zu denken und zu handeln, wenn man eine Menge Kleinanleger an Bord hat. Wir haben bei LinkedInLinkedIn zwei Investoren, die sehr langfristig denken - darunter der Wagniskapitalgeber Sequoia Capital, der auch Unternehmen wie GoogleGoogle , AppleApple und Yahoo finanziert hat. Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de Alles zu LinkedIn auf CIO.de
Mein Ziel ist es, eine neue und große Internet-Firma aufzubauen. Momentan wäre ein Börsengang verfrüht, weil man sich dann zu kurzfristig am Aktienmarkt orientieren müsste.
Durch den Börsengang kann sich Open BC mit frischem Kapital die Kriegskasse auffüllen. Ist das nicht ein großer Wettbewerbsvorteil Ihnen gegenüber?
Netzwerke im Internet sind schon immer organisch gewachsen. Das gilt nicht nur für Business-Portale, sondern für alle sozialen NetzwerkeNetzwerke - ob Sie sich nun MySpace, FacebookFacebook oder LinkedIn anschauen. 97 Prozent unserer Mitglieder sind zu LinkedIn gekommen, weil ein existierendes Mitglied sie geworben hat. Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Netzwerke auf CIO.de
Insofern glaube ich nicht, dass es dem Wachstum hilft, wenn man viel Geld ausgibt, beispielsweise für Werbeanzeigen. Wir sind weltweit der klare Marktführer, auch in Asien und Europa. Deshalb brauchen wir einfach nicht so viel Kapital. Wenn wir welches bräuchten, würden wir uns sicher eher an Risikofinanzierer wenden, als an die Börse zu gehen.
Wie viel Risikokapital haben Sie bereits bezogen? Wer sind - neben Sequoia Capital - die Geldgeber?
In einer ersten Finanzierungsrunde haben wir 4,7 Millionen US-Dollar erhalten, vier Millionen davon hat Sequoia Capital getragen. Die restlichen 700.000 Dollar haben Business Angels beigesteuert - also prominente Branchenvertreter, die in ein aufstrebendes Unternehmen investieren wollen. Dazu gehören in unserem Fall beispielsweise Marc Andreessen, der Mitbegründer von Netscape, oder Peter Thiel, einer der Gründer von PayPal.
Dann gab es vor zwei Jahren noch eine zweite Finanzierungsrunde mit zehn Millionen Dollar, die der Venture Capitalist Greylock Partner investiert hat. Das Kapital hat letztlich ausgereicht, um LinkedIn profitabel zu machen.
Sie werden bestimmt eine stattliche Summe brauchen, um das Europa-Geschäft auszuweiten und auch in Deutschland Fuß zu fassen.
Nein. Ich denke nicht, dass unsere Expansion viel Geld kosten wird. Wir planen ja keine große Anzeigenkampagne. In Europa - außerhalb von Deutschland - haben wir bereits drei Millionen Mitglieder. Im Vergleich zu Xing, wie Open BC inzwischen heißt, ist das mehr als das Zehnfache. In Deutschland ist Xing uns noch deutlich voraus. Doch auch hier werden wir organisch wachsen, indem wir stärkere Anreize für die Mitgliederwerbung schaffen und eine deutsche Version auf den Markt bringen.
Wie beurteilen Sie die Umbenennung von Open BC in Xing?
Das ist für mich schwer zu beurteilen. Jedenfalls ist ein Markenwechsel immer ein Risiko, weil man die bestehenden Mitglieder irritiert. Coca-Cola oder Siemens würden kaum auf die Idee kommen, sich umzubenennen. Denn man weiß vorher nie genau, ob sich Neukunden dadurch wirklich besser gewinnen lassen. Aber bei Open BC hat man sich diesen Schritt sicher gut überlegt.
Warum ist Open BC beziehungsweise Xing denn viel populärer in Deutschland als LinkedIn? Sind Sie zu spät dran mit Ihrer Expansion?
Open BC hat einen guten Job gemacht. Man hat sich von Anfang an auf Deutschland konzentriert und war im Markt und in der Presse präsent. Viele Leute in Deutschland wissen gar nicht, dass es eine Alternative zu diesem Angebot gibt. Doch der Rummel um den Open-BC-Börsengang war sehr vorteilhaft für LinkedIn - wir haben seither wesentlich mehr Anmeldungen aus Deutschland. Denn in Medienberichten werden wir häufig als größter Konkurrent genannt. Viele Xing-Nutzer möchten deshalb auch unser Angebot kennenlernen.
Insofern war der Börsengang eine positive Marketing-Aktion für uns. Zudem hat Open BC beziehungsweise Xing schon viele Leute in Deutschland für uns trainiert - und damit den Weg für LinkedIn bereitet. Xing-Mitglieder wissen bereits, wie Business-Portale funktionieren und vernetzen sich deshalb schneller als Nutzer aus anderen europäischen Ländern oder aus Amerika. Insofern hat Xing schon eine gute Vorleistung für unsere Expansion erbracht.
Das heißt, Sie brauchen selbst kaum noch Marketing zu betreiben?
Es gibt natürlich viele Leute, die sich nicht auch noch bei einem zweiten Netzwerk anmelden möchten. Viele mögen sich nun aber auch denken: Warum soll ich 5,95 Euro für eine Premium-Mitgliedschaft bezahlen? Bei LinkedIn kann ich alle Suchfunktionen kostenlos benutzen und kann Leute innerhalb meines Netzwerks kostenlos kontaktieren.
Dafür muss sich der User bei LinkedIn mit Anzeigen und Werbebannern herumärgern.
Wir haben ein anderes Geschäftsmodell. Bei Xing ist alles auf die Premium-Mitgliedschaften ausgelegt. Wer sich ohne Premium-Mitgliedschaft anmeldet, merkt sehr schnell, dass er für viele wichtige Funktionen bezahlen muss. Bei LinkedIn ist das anders. Zwar gibt es auch bei uns eine Premium-Version, doch auch Werbung ist eine wichtige Einnahmequelle. Dadurch ist es uns möglich, die freie Version reichhaltiger auszustatten.
Freie Mitglieder sind bei uns keine Trittbrettfahrer, die wir als zukünftige Premium-Mitglieder ansehen. Für uns sind das Leute, die eine Menge Wert schaffen. Zum einen klicken sie auf Werbung, zum anderen machen sie das Netzwerk durch ihre persönlichen Einträge wertvoller. So gesehen, erledigen die User für uns die Produktentwicklung.
Ähnlich wie LinkedIn verfolgt nun auch die neu geschaffene Open Business Club AG, das Unternehmen hinter Xing, eine globale Strategie. Zunächst sollen vor allem die USA anvisiert werden. Haben Sie die Sorge, dass Sie bald nicht mehr Weltmarktführer sind?
Außerhalb von Deutschland haben wir 16-mal so viele Mitglieder wie Xing. Wenn es bei einem Fußballspiel 16:1 steht, ist das Aufholen für den Gegner nicht einfach. Große Sorge habe ich bei diesem Vorsprung also nicht. Ich denke, dass es für Xing schwierig wird, über Akquisitionen zu wachsen. Denn es gibt keine anderen, größeren Business-Netzwerke zu kaufen. Auf dem Markt sind nur noch ein paar kleinere Konkurrenten in Frankreich oder der Türkei. Selbst wenn Xing sich mit den 20 nächstgrößten Netzwerken vereinigt, ist das Portal danach noch immer wesentlich kleiner als LinkedIn.
Hätte sich Xing also lieber auf den deutschen Heimatmarkt konzentrieren sollen statt eine globale Strategie einzuschlagen?
Nein, ich denke, dass eine Expansion notwendig ist. Wenn Xing ein rein deutsches Netzwerk aufbaut, dann wird es langfristig scheitern. Lars Hinrichs hat selbst in Interviews gesagt: Auf die lange Sicht wird eine einzige Plattform in diesem Markt dominant sein. Jeder beteiligt sich an dem Netzwerk, das die meisten und die besten Kontakte hat.
Dazu ist eine globale Strategie notwendig, denn Business ist heutzutage international. Viele Deutsche arbeiten für ausländische Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind - oder für deutsche Firmen, die Dependancen, Kunden oder Partner im Ausland haben. Insofern wird sich ein rein deutsches Netzwerk langfristig nicht halten können.
Sie haben den Netzwerkeffekt beschrieben - Nutzer schließen sich langfristig der größeren Community an. Wäre es daher nicht viel effizienter, wenn LinkedIn und Xing sich von vornherein vereinigten?
Es kommt darauf an, ob die Notwendigkeit bestehen wird. Bislang haben Netzwerke sich nicht gegenseitig aufgekauft. Ich denke, dass es für uns wesentlich effizienter ist, in Deutschland organisch zu wachsen, als Zukäufe zu machen. Wenn man jedoch sehr schnell in einen Markt eindringen will, macht es Sinn, über eine Akquisition nachzudenken. Es hängt letztlich davon ab, wie sich der Preis der Open Business Club AG an der Börse entwickelt.
Bei welchem Preis würden Sie zuschlagen?
Bei 30 Millionen Euro würde sich ein Kauf auf jeden Fall lohnen.
In der Vergangenheit zeigten Sie bereits Interesse an Open BC. Es gab Gespräche zwischen Lars Hinrichs und Ihnen.
Es gab Gespräche, es ging aber nicht speziell um eine Übernahme. Wir haben uns zunächst einmal gegenseitig kennengelernt.
Eine Kooperation - in welcher Form auch immer - schließen Sie jedenfalls nicht aus?
Ausschließen würde ich grundsätzlich nie etwas. Wir haben schließlich eine Marktsituation, in der der Gewinner letztlich die breite Masse der Nutzer auf sich vereinigen wird - einen "Winner-takes-it-all"-Markt.
Das heißt, nur einer kann überleben?
Ganz so einfach ist es nicht. Langfristig wird sicherlich nur ein großer Anbieter existieren, der kleinere kann dann aber zumindest eine Nische besetzen - etwa als Business-Portal für einen bestimmten Industriezweig. Es wird nie einen Markt geben, in dem ein einzelner Anbieter 100 Prozent besitzt.
Das gilt auch für andere Branchen. Neben MicrosoftMicrosoft existiert auch Apple, neben Ebay gibt es auch Auktionen bei AmazonAmazon oder bei Yahoo . Deshalb wird es außer uns auch immer noch andere Business-Netzwerke geben. Der Größenunterschied zum nächstgrößten Wettbewerber, gemessen in Mitgliedern, wird jedoch im Bereich 10:1 liegen. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de
LinkedIn ist also ohnehin der größte Anbieter. Welches Ziel verfolgen Sie dann mit Ihrer Expansion nach Deutschland? Wollen Sie Xing verdrängen?
Wir wollen unsere Marktführerschaft ausbauen und in Ländern wie Frankreich oder Deutschland, wo es lokale Konkurrenten gibt, stärker werden. Unser Wachstum wird teilweise sicherlich auf Kosten anderer Netzwerke geschehen. Ein User, der zu uns kommt, wird jedoch nicht unbedingt sein Profil bei Xing löschen. Vielleicht wird er aber künftig auf die Premium-Mitgliedschaft dort verzichten. Ein Großteil des Wachstums wird auch aus anderen Bereichen kommen. Beispielsweise ist LinkedIn bei Frauen wesentlich beliebter. 45 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen.
Woran liegt das?
Frauen fühlen sich bei LinkedIn wohler, weil es hier ausschließlich um rein berufliche Dinge geht. Da wir auf Fotos gänzlich verzichten, gibt es keinerlei Versuche der Anbändelung. LinkedIn versteht sich nicht als Community, sondern als Utility - also als rein nutzwertiges Programm.
LinkedIn schreibt seit März schwarze Zahlen. Können Sie Ihren Gewinn beziffern?
Da wir ein privates Unternehmen sind, das noch nicht an der Börse ist, brauchen wir darüber keine Auskunft zu geben. Die Zahlen werden wir dann später einmal verkünden, wie das im Vorfeld eines Börsengangs üblich ist.
Wie bitte? Sie wollen also doch an die Börse?
Unsere Risikokapitalgeber wollen natürlich irgendwann ihre Investitionen wieder zurückbekommen. Bis zu einem Börsengang werden aber sicherlich ein bis zwei Jahre vergehen. Unser vorrangiges Unternehmensziel ist es, einen Umsatz von 100 Millionen Dollar zu erreichen. Das werden wir voraussichtlich 2008 schaffen. Erst danach werden wir über einen Börsengang nachdenken.
Wie finanziert sich LinkedIn?
Wir haben ein Geschäftsmodell, das aus vier Säulen besteht: Werbung, Premium-Mitgliedschaften, transaktionsbasierter Umsatz - dazu gehören Marktplätze für Dienstleister und Stellenanzeigen - sowie Firmenkunden.
Den größten Umsatzanteil machen die Erträge aus Premium-Mitgliedschaften aus. Wir erhalten von einem Premium-Mitglied im Jahr durchschnittlich 300 Dollar - mehr als vier Mal so viel wie Xing. Das liegt an der Größe unseres Netzwerks.
Doch auch Firmenkunden bringen uns jedes Jahr sechsstellige Beträge ein. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Geschäftskunden von 50 auf 300 gestiegen. Unternehmen wie Sony, Wal-Mart , Microsoft oder Ebay nutzen LinkedIn für ihre Personalrekrutierung. Um dieses Geschäft auch in Deutschland auszubauen, brauchen wir hier lokale Vertriebspersonen.
Sie sind vor 20 Jahren in die USA gezogen. Haben Sie überhaupt noch ein Gefühl für den deutschen Markt?
Ich bin häufig in Deutschland, weil meine Eltern dort leben. Aber wir sind dabei, einen Managing Director vor Ort einzustellen, der unser deutsches Büro aufbauen soll. Deshalb werde ich mich im Zweifel lieber auf die Person verlassen, die auch in den letzten 20 Jahren in Deutschland war.
Wo soll sich das deutsche Büro befinden?
Unser bevorzugter Standort wäre Berlin oder Hamburg. Ich könnte mir aber auch München vorstellen. Das Allerwichtigste ist erst einmal, die geeignete Person zu finden. Wenn der künftige Managing Director aus München kommt, dann wird das Büro eben in München eröffnet.
Sie selbst bleiben in den USA. In welcher Funktion sehen Sie sich persönlich in zehn Jahren?
Ich sehe mich weiterhin im Silicon Valley. Ich will an den neuen Möglichkeiten, die Technik und Internet bieten, mitarbeiten. Hätte ich mich vor 500 Jahren für einen Beruf entscheiden müssen, wäre ich wohl in die Regierung gegangen. Damals waren es Könige und Regierungsmitglieder, die die Gesellschaft beeinflusst haben. 1000 Jahre zuvor war es die Religion, die den Haupteinfluss ausgeübt hat.
Heute ist die Technik die treibende Kraft. Sie verändert die Gesellschaft in allen Aspekten - vom Gesundheitswesen über die Erziehung bis hin zur Lösung von Umweltproblemen. Ich will mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Technik möglichst hilfreich für die Menschheit eingesetzt wird.
Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de