Healthcare IT


Digital zur Apotheke

Pilotprojekt mit Rezept-Sammelstellen startet

25.01.2018
Wer keine Apotheke in seiner Nähe hat, kann Rezepte in vielen Orten in einer Art Briefkasten hinterlassen und bekommt seine Medikamente dann nach Hause geliefert. Das dauert allerdings ein bisschen. Neue Technik soll künftig viel Zeit sparen.
Dringend benötigte Medikamente sollen den Empfänger schneller erreichen.
Dringend benötigte Medikamente sollen den Empfänger schneller erreichen.
Foto: i viewfinder - shutterstock.com

Der direkte Draht zur Apotheke sieht aus wie ein Geldautomat. Die Sparkasse ist zufällig auch gleich ums Eck, denn die gibt es im schwäbischen Neidlingen. Es gibt auch einen Arzt und einiges mehr. Aber eine Apotheke hat der 1.800-Einwohner-Ort südöstlich von Stuttgart nicht, und auch in der näheren Umgebung gibt es keine. Dieses Manko soll die "Digitale Rezeptsammelstelle" beheben und vor allem jenen Neidlingern, die nicht so mobil sind, weite Wege ersparen. Sie können ihre Rezepte künftig dort einscannen und digital an eine Apotheke senden, die ihnen die Medikamente nach Hause bringt.

Mit Infrastruktur-Sorgen plagen sich tausende kleine Kommunen in ganz Deutschland: Mal fehlt der Arzt, mal der Bäcker, mal der Supermarkt, mal die Bank. Stellvertretend für alle, denen die Apotheke fehlt, soll Neidlingen die neue Technik nun zwei Jahre lang testen, wie der Präsident des Deutschen und des baden-württembergischen Apothekerverbandes, Fritz Becker, erklärt.

Ein zweites Pilotprojekt beginnt zeitgleich in Heusweiler-Kutzhof im Saarland, wo ebenfalls ein digitaler Rezeptsammler getestet wird - dort ist es die wetterfeste Outdoor-Variante, die eher einem Parkscheinautomaten ähnelt und draußen neben einer Arztpraxis steht. Beide Projekte hätten bundesweit schon großes Interesse geweckt, heißt es.

Herkömmliche RezeptsammelstellenRezeptsammelstellen in Form eines Briefkastens gibt es schon lange, auch in Neidlingen und in Heusweiler-Kutzhof. Sie können überall dort aufgestellt werden, wo die Entfernung zur nächsten Apotheke eine bestimmte Grenze überschreitet. Die Rezepte werden dort abgeholt, bearbeitet und die Medikamente dann ausgeliefert, meist am nächsten Tag. Im Schnitt etwa fünf Stück pro Tag seien es bisher, sagt Hansjörg Egerer von der Adler-Apotheke in Weilheim/Teck, die bisher für den Kasten und künftig für den Automaten in Neidlingen zuständig ist. Digital soll nun alles schneller gehen. Alles zu Healthcare IT auf CIO.de

Medikamente schneller liefern

"Wir kriegen das Rezept jetzt praktisch auf den Schirm, wenn es eingeworfen wird", erklärt der Inhaber der Allee-Apotheke in Heusweiler-Holz, Manfred Saar, der den Automaten im Saarland bedient und bisher pro Tag zwischen 15 und 40 Rezepte aus dem Kasten geholt hat. Heißt: Falls ein Artikel nicht vorrätig ist, kann Saar sofort bestellen und noch am selben Tag liefern. "Wir können so bis zu einem ganzen Werktag sparen. Das ist ein gewaltiger Zeitgewinn."

Außerdem spare sich der Apotheker eine Fahrt, sagt Egerer. Zwar könnten seine Kunden ihn auch bisher schon einfach anrufen und ein Medikament bestellen, das er dann im Tausch gegen das Rezept ausliefert. Es gibt auch spezielle Handy-Apps, mit denen das geht. Aber bei den vielen Vorschriften und Regelungen, die es zu beachten gelte, sei das oft schwierig. "Da brauchen wir einfach sämtliche Angaben vom Rezept", sagt Egerer. Ein zusätzliches Geschäft, mit dem sich mehr Geld verdienen lässt, sei die Sache für seine Apotheke aber nicht. "Es ist ein zusätzlicher Service."

Einen niedrigen vierstelligen Betrag koste der Automat in Heusweiler-Kutzhof, erklärt die Apothekerkammer des Saarlands. Zu den Kosten des Neidlinger Automaten, der von einem anderen Hersteller kommt, macht der Apothekerverband Baden-Württemberg keine Angaben. Man wolle erst einmal testen, welche Funktionen gebraucht werden und ob alles rund läuft. "Wir sind im digitalen Zeitalter, aber wir sehen ja auch, wie oft wir Ausfälle haben", sagt Verbandspräsident Becker.

Einiges teurer als die Saarland-Variante dürfte das Modell in Neidlingen schon sein, denn es kann mehr als Rezepte scannen. So gibt es die Möglichkeit, einen direkten Kontakt zur Apotheke aufzubauen und ewta rezeptfreie Medikamente liefern zu lassen.

Gleich aus dem Automaten purzeln dürfen Arzneimittel nicht, selbst wenn man sie ohne Rezept bekommen kann. Der Versandhändler DocMorris würde ein solches Gerät gerne im Örtchen Hüffenhardt, rund eineinhalb Autostunden nördlich von Neidlingen, betreiben. Mitarbeiter in den Niederlanden sollen dort per Videochat beraten und Arznei per Knopfdruck freigeben. Der Apothekerverband hält das aber für einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, ging dagegen vor und bekam bislang Recht. Endgültig abgeschlossen ist der Fall aber nicht.

Zentraler Unterschied zum Konzept der digitalen Rezeptsammelstelle, betont Becker, sei der persönliche Kontakt zwischen Patient und Personal bei der Übergabe des Medikaments - wie in der Apotheke eben. Einfach irgendwen vorbeischicken darf die Apotheke nämlich nicht. Und auch das Rezept auf Papier hat nicht ausgedient. Das Original muss der Apotheker aus dem Automaten holen und prüfen, bevor er das Medikament übergibt - damit niemand eine Fälschung einscannen kann. (dpa/rs)

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