Mitarbeiterüberwachung im Homeoffice

Tools gegen Chefs im Kontrollwahn



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Die Arbeit im Homeoffice belastet das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter. Als Resultat setzen manche Mikromanager zur Kontrolle auf Spionagesoftware – Mitarbeiter kontern mit technischen Lösungen wie dem Mouse Mover.
Eingeschlafen, betrunken oder gar abwesend: Das Misstrauen gegenüber Mitarbeitern im Homeoffice nimmt mitunter seltsame Züge an.
Eingeschlafen, betrunken oder gar abwesend: Das Misstrauen gegenüber Mitarbeitern im Homeoffice nimmt mitunter seltsame Züge an.
Foto: Pheelings media - shutterstock.com

Trotz zahlreichen Vorteilen für Mensch, Unternehmen und Umwelt, hadern viele Firmenchef mit der Arbeit im HomeofficeHomeoffice und wollen ihre Mitarbeiter wieder so oft wie möglich im Büro sehen. In einer Umfrage von KPMG gehen mehr als zwei Drittel der deutschen Top-Entscheider davon aus, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden. Alles zu Homeoffice auf CIO.de

Die von Managern angeführten Gründe für die Rückkehr ins Office sind mannigfaltig, zentrales Motiv, so vermutet nicht nur Cisco-Deutschland-Chef Uwe Peter in einem Gastbeitrag, ist jedoch das mangelnde Vertrauen in die Menschen. Dabei seien deutsche Führungskräfte im internationalen Vergleich besonders misstrauisch, wie eine weltweite Umfrage von MIT Sloan Management Review (SMR) zeige, so Peter.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Schaffen es Firmenchefs nicht, ihre Mitarbeiter komplett zurück ins Büro zu beordern, führt dies in harmloseren Fällen zu Kontrollanrufen, wenn die Präsenzanzeige in Teams oder einem anderen Messaging-Dienst längere Zeit auf Inaktiv (Gelb) steht.

In besonders schlimmen Fällen kommt dabei - soweit möglich und erlaubt - sogar sogenannte Bossware zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Software zur Überwachung der Tastatur oder der Maus. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Mitarbeiter auch im Homeoffice während ihrer gesamten Arbeitszeit arbeiten.

Die arbeitnehmernahe US-Organisation Coworker.org hat bereits 2021 in ihrer Bossware- und Employment-Tech-Datenbank mehr als 550 Produkte aufgeführt, die Techniken wie KI, Standortverfolgung und Biometrie nutzen, um Mitarbeiter zu verwalten und ihre Daten zu sammeln - oft ohne ihr Wissen.

Kontrolle der Mitarbeiterproduktivität nimmt zu

Überwachung von Mitarbeitern gibt es dabei nicht nur jenseits des großen Teichs oder anderne Ländern mit nur schwach ausgeprägten Arbeitnehmerrechten. Wie eine Studie von VMware vom Sommer 2021 ergab, haben 60 Prozent der deutschen Unternehmen seit der Umstellung auf hybride Arbeitsformen Maßnahmen zur Kontrolle der Mitarbeiterproduktivität entweder bereits eingeführt oder planen, diese einzuführen.

Zu diesen Maßnahmen gehören das Monitoring von E-Mails (41 Prozent), Collaboration Tools (41 Prozent) und Web-Browsing (30 Prozent), sowie Videoüberwachung (30 Prozent), Webcams (25 Prozent) und Keylogger-Software (25 Prozent). 34 Prozent der Unternehmen, die das Monitoring von Geräten bereits eingeführt haben und 45 Prozent derer, die dies gerade tun, stellen jedoch eine erhöhte oder sogar drastisch erhöhte Fluktuation ihrer Mitarbeiter fest.

Immer in Bewegung bleiben

In den USA, wo auch rigidere Kontrollmaßnahmen vollkommen legal sind, war die Überwachung von Firmencomputern schon lange vor 2020 und COVID-19 ein Problem. Erst Corona führte jedoch zu einem Boom bei Lösungen, um diesem Kontrollwahn Grenzen zu setzen, berichtet das Online-Magazin Vice. So seien die Suchanfragen nach sogenannten "mouse mover"- und "mouse jiggler"-Lösungen ab März 2020 sprunghaft angestiegen, als viele Schreibtischarbeiter zu Beginn der Pandemie vom Büro nach Hause wechselten, und blieben seitdem konstant hoch.

Der Suchbegriff Mouse Mover spuckt auf Amazon USA zahlreiche Ergebnisse aus.
Der Suchbegriff Mouse Mover spuckt auf Amazon USA zahlreiche Ergebnisse aus.

Auch die virtuellen Regale von Online-Händlern wie Amazon sind voll mit Plug-and-Play-Mouse-Mover, mit denen sich der Mauszeiger von unten drehen lässt, oder USB-Sticks, auf denen eine Software vorinstalliert ist, die Mausbewegungen nachahmt. Durch Einstecken des Sticks wird dem Computer vorgegaukelt, dass es sich um eine aktive Maus handelt.

In manchen Fällen muss man aber nicht einmal ein Gerät kaufen, um eine sich bewegende Maus zu imitieren. Im Internet werden zahlreiche Programme zum kostenlosen Download angeboten, die eine Maus nachahmen. Der Haken dabei: Ein Mitarbeiter, dem sein Unternehmen so stark misstraut, dass er eines dieser Geräte benötigt, hat wahrscheinlich auch keine Admin-Rechte, um neue Software auf seinem Firmen-PC zu installieren.

Es gibt auch spezielle Videos mit Linien und Mustern auf YouTube, die dem Mitarbeiter Zeit verschaffen, um eine Toilettenpause einzulegen oder ähnliches. Diese Videos mit meist sechsstelligen Abrufzahlen sind für die Wiedergabe auf einem Smartphone-Bildschirm gedacht. Auf diesen legt man die Maus und die Bewegung der Linien im Video sorgen dafür, dass sich der optische Mauszeiger bewegt. Kommentaren im Reddit-Forum r/antiwork zufolge soll eine analoge Uhr mit Sekundenzeiger ähnliche Effekte erzeugen.

"Die Pandemie hat sich als Katalysator erwiesen, um dem "9-to-5"-Schema eine Absage zu erteilen", zitiert Vice eine Vertreterin des Mouse-Mover-Anbieters Tech8 USA. Das Blatt habe sich zu Gunsten der Arbeitnehmer gewendet. Sie schätzen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und haben keine Angst, Arbeitgebern, die diese Werte nicht teilen, eine Absage zu erteilen. Der Mouse Mover sei ein neues Instrument in diesem Wandel.

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