Die wöchentliche CIO-Kolumne

Vom Hype zur Ernüchterung und zurück

10.06.2002
Von Patrick Goltzsch
Die Gartner Group hat ihre jährliche Übersicht veröffentlicht, an welcher Stelle sie die jungen Technologien in ihrem Modell des Hype-Zyklus verortet. Vom Nanocomputing bis zu Wireless Lans, platzieren die Analysten fast alles, was die IT-Welt derzeit an aussichtsreichen Technologien bewegt, in ihrem Koordinatensystem aus öffentlichem Interesse und Reife der Technik. Es gehört zum Hype, dass die unfertigen Technologien die meiste Aufmerksamkeit erregen; aber warum?

Den Begriff des Hype-Zyklus etablierte ein Analyst vonGartner 1995. Er beschrieb die mit der Veröffentlichung vonWindows 95 einher gehenden Erwartungen undEnttäuschungen. Seitdem ist der Zyklus in fünf zeitlichaufeinander folgende Stufen zerlegt worden:

Laut Gartners Übersicht wächst derzeit das öffentlicheInteresse an Nanocomputing, während es für Web Servicesbereits wieder abflaut. Das Peer-to-Peer-Computing taucht inder allgemeinen Wahrnehmung kaum mehr auf, und die Technikder Wireless Lans bewegt sich auf das Level derProduktivität.

Die Auswahl der Themen für den Hype-Zyklus dürfte Gartnernicht schwer fallen. Ein Blick auf die Themen der eigenenAnalysen verbunden mit dem Vergleich der gängigen Themen aufKonferenzen und in Magazinen liefert zuverlässigeAnhaltspunkte. So gehören beispielsweise die biometrischenZugangssicherungen zu den Trends, die Gartner für 2002 aufdem Höhepunkt notiert. Nach den letzten Schlagzeilen (etwain der Art: "Fingerabdruckkontrolle mit Gummibärchenausgehebelt") ist es unschwer, vorauszusagen, dass sich hierder Realitätsabgleich anschließen wird.

Im Fall der Dotcoms sorgten finanzielle Spekulationen fürausreichend Sex-Appeal, um mehr Interesse zu generieren, alsden meisten von ihnen gut tat. Doch warum erregenschemenhaft skizzierte Technologien wie Web Services so vielAufmerksamkeit? Weil Gartner versprach, durch dieAutomatisierung von Dienstleistungen werde dieGeschäftstätgkeit vieler Unternehmen revolutioniert? Nichtnur Journalisten lassen sich durch solche Einschätzungenaufstacheln - denn wer verpasst schon gerne eine Revolution?

Andererseits finden bestimmte Techniken wie das neueInternetprotokoll, IPv6, kaum Beachtung. Abseits jeden Hypesschritt die Entwicklung fast ausschließlich in technischenZirkeln voran. Standards wurden veröffentlicht,Beispielimplementationen vorgenommen und Anwendungenangepasst. Trotzdem halten sich PR-Abteilungen, Analystenund Journalisten zurück.

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