Zeuge Herbert Diess

War sicher, dass das in guten Händen ist

16.01.2024
Im neunten Jahr nach dem Dieselskandal bei Volkswagen kommt Ex-Konzernchef Diess als Zeuge vor Gericht. Wer sich neue Erkenntnisse oder überraschende Details zur Affäre erhofft hatte, wurde aber enttäuscht.
Die Annahme vieler Beobachter, dass die Befragung von Herbert Diess keine großen Überraschungen bringen dürfte, bestätigte sich schnell.
Die Annahme vieler Beobachter, dass die Befragung von Herbert Diess keine großen Überraschungen bringen dürfte, bestätigte sich schnell.
Foto: Infineon Technologies AG

Ganz entspannt betritt Ex-VW-Chef Herbert Diess den Gerichtssaal, sagt freundlich guten Morgen und nickt bekannten Gesichtern knapp zu. Er wirkt nicht so, als bereite ihm die Vorladung als Zeuge zur Dieselaffäre große Sorgen. Im milliardenschweren Investorenprozess am Oberlandesgericht Braunschweig weist der 65-Jährige am Dienstag jede Verantwortung in dem Skandal von sich. Neue Erkenntnisse bringt seine Befragung nicht.

Über zweieinhalb Stunden befragte ihn der Richter zu seinem Wissen über die Manipulationen. Immer wieder verwies Diess darauf, dass er gerade erst neu im Wolfsburger Riesenkonzern gewesen sei und das Ausmaß des Skandals nicht erkannt habe, auch nicht, als die Rede von einer "Diesel-Thematik" aufgekommen sei. "Ich hatte den Eindruck, dass das Thema solide abgearbeitet wird", sagte er. Die handelnden Personen rund um den damaligen Konzernboss Martin Winterkorn hätten sehr kompetent gewirkt.

Wer wusste etwas?

Aufgeflogen war der Skandal im September 2015, als die US-Umweltbehörde EPA über Manipulationen bei Abgastests von DieselautosDieselautos informierte. Vorstandschef Winterkorn trat zurück und die Industriekrise nahm ihren Lauf. Die Aufarbeitungskosten haben die Marke von 30 Milliarden Euro nach Konzernangaben längst überschritten. Wer wann was über die Machenschaften mit Dieselmotoren wusste, ist bei heute nicht geklärt. Top-Firmen der Branche Automobil

In dem Verfahren nach Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) ringen Anleger nun seit mittlerweile mehr als fünf Jahren um Schadenersatz. Sie hatten nach der Veröffentlichung Kursverluste in Milliardenhöhe erlitten. Nach langer Verfahrenszeit will das Gericht mehr als 80 Zeugen hören. Nach Diess sollen auch die früheren Konzernchefs Matthias Müller (7. Februar) und Martin Winterkorn (14. und 15. Februar) vernommen werden.

Die Annahme vieler Beobachter, dass die Diess-Befragung keine großen Überraschungen bringen dürfte, bestätigte sich am Dienstag schnell. Nach einigen Jahren als Top-Manager bei BMW war der promovierte Ingenieur erst kurz vor Bekanntwerden von "Dieselgate" als Chef der Kernmarke zu VolkswagenVolkswagen gewechselt und sollte als Nachfolger auf den mächtigen Konzernboss Winterkorn aufgebaut werden. Top-500-Firmenprofil für Volkswagen

Begriffe wie "Defeat Device" damals nicht gekannt

Vor Gericht berichtete Diess über die komplexe Einarbeitung in einen Konzern, den zu dieser Zeit mehrere Probleme plagten. Auch wenige Tage vor dem Knall sei es für ihn weiter ein Technikthema gewesen, aber kein drohender Riesenskandal, sagte Diess. Begriffe wie "Defeat Device" habe er damals nicht gekannt. Winterkorn sei damals nach seiner Erinnerung schon beim berühmten Schadenstisch vom 27. Juli 2015 klar in seinen Anweisungen gewesen. "Es waren von mir keine weiteren Maßnahmen nötig", sagte Diess. "Ich war sicher, dass das in guten Händen ist."

Von der sogenannten Notice of Violation, also der Bekanntmachung der Verstöße durch US-Behörden, am 18. September 2015, sei er auf einer Spanienreise kalt überrascht worden, berichtete Diess. Auf die Frage des Richters, ob er Anhaltspunkte für früheres Wissen bei Winterkorn oder dem gesamten Vorstand hatte, antwortete Diess: "Ich hatte nicht den Eindruck".

Nach einer Mittagspause beantwortete Diess auch die Fragen der Streitparteien. In entspannter Pose in Richtung der Anwälte gelehnt, brachten ihn die Fragen der Klägerseite nicht aus der Ruhe. Neue Erkenntnisse oder Überraschendes gab es auch nach insgesamt knapp fünf Stunden Befragung nicht. (dpa/rs)

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