Infrastruktur
Warum Nest sich von Google kaufen lässt
Google kauft sich ins Geschäft mit vernetzter Haustechnik ein. Der US-Internet-Konzern übernimmt für 3,2 Milliarden Dollar (2,34 Mrd Euro) die Firma Nest, einen Anbieter digitaler Thermostate und Rauchmelder. Nest solle weiterhin von Mitgründer Tony Fadell geführt werden, teilte Google am Montag im kalifornischen Mountain View mit. Fadell gilt als einer der Väter von Apples Musikplayer iPod. Vor einigen Wochen kündigte er eine beschleunigte Expansion nach Europa an.
Zu Google kommen damit auch die Daten von den installierten Geräten - Nest wertet sie aus, um die Technik zu verbessern. "Wir sehen, wenn Leuten ihr Toast verbrennt oder Kohlenstoffmonoxid austritt", hatte Fadell Anfang Dezember auf der Konferenz LeWeb in Paris (YouTube-Link) gesagt. Jetzt betonte Nest-Mitgründer und Technikchef Matt Rogers in einem Blogeintrag, die Daten würden auch künftig nur für Betrieb und Verbesserung seiner Geräte und Dienste eingesetzt.
Nest sei bewusst, dass Menschen Informationen aus ihrem Haushalt als eine sehr private Angelegenheit sähen, hatte Fadell in Paris gesagt. Die Firma habe deshalb ein eigenes Hacker-Team, um nach eventuellen Schwachstellen zu suchen. Behörden könnten unter Umständen Zugang zu den Informationen bekommen, aber nur in Einzelfällen. "Wenn jemand an Daten aus einem Haushalt heran will, muss er zu mir oder meinem Mitgründer kommen und das gut begründen."
Google biete als Mutterkonzern die Möglichkeit, schnell die nötige Infrastruktur auszubauen, sagte Fadell nach der Ankündigung dem Technologieblog "re/code". Googles Beteiligungsarm Ventures gehörte bereits zu den Nest-Investoren. Bei der Übernahme gehe es aber weniger um Geld, so Fadell: "Finanzielle Mittel hatten wir genug, aber Geld ist halt nur Geld und man muss trotzdem die Infrastruktur bauen." Die Übernahme sei seit Sommer im Gespräch gewesen. Nest solle unter dem Google-Dach unabhängig agieren können - aber es gebe auch einen größeren gemeinsamen Plan.
Fadell wird bei Nest bleiben und hofft, sich nun wieder stärker auf die Produktentwicklung konzentrieren zu können. "Wir wollen uns mit unsere Produkten differenzieren und nicht unsere Zeit damit verbringen, Dinge nachzubauen, die andere längst haben", sagt der CEO. "Google will langfristig in unser Geschäft investieren und bringt sehr viel mehr mit ins Spiel als bloß Bares." Er werde direkt an Google-Chef Larry Page berichten, Nest werde aber seine eigenen Büros haben.
"Es geht um die ganze Infrastruktur für eine Firma, die weltklasse sein und die Welt verändern soll", sagte Fadell dem "Wall Street Journal". "Dafür braucht man Kundendienst, Lokalisierung, HandelHandel, Distribution, Steuerexperten und eine Rechtsabteilung. Kleine Teile davon haben wir in den vergangenen Jahren schon selbst aufgebaut. Aber als wir gesehen haben, dass 80 Prozent unserer Zeit für die Infrastruktur draufgeht und nur noch 20 Prozent bleiben, um sich Gedanken um einzigartige Produkte zu machen, da haben wir uns gefragt wie das funktionieren soll." Top-Firmen der Branche Handel
Bislang hatte Nest sein Backend bei AmazonAmazon Web Services (AWS) laufen - und es wird durchaus interessant zu sehen, wie schnell Google das auf seine Public-Cloud-Plattform Compute Engine umsetzen kann, wie die "New York Times" anmerkt. In deren Bericht wird auch nochmals klargestellt, dass es Nest um weit mehr als Thermostate und Rauchmelder geht. Fadell hatte im Gespräch mit dem Blatt im vergangenen November erklärt, die Schlüsseltechnologien von Nest seinen "Kommunikation, Algorithmen [definitiv eine Google-Kernkompetenz, Anm. d. Red.], Sensoren und User Experience, die über ein Netz in die Cloud laufen". Nest wolle mithin wissen, wie sich Menschen zuhause verhalten; der Thermostat sei nur ein erster Schritt hin zu diesem Verständnis gewesen. "Uns geht es um die Benutzererfahrung", zitiert die "NYT" Fadell. Alles zu Amazon auf CIO.de
Natürlich hätte auch AppleApple - das sich eigentlich zwingend neue Geschäftsfelder erschließen muss, um weiter so wie zuletzt zu wachsen - Nest kaufen können. Ob man in Cupertino auch an Fadell und Rogers dran war, wollte der Nest-Chef gegenüber "The Verge" nicht sagen. Derweil spekuliert "Business Insider", mangelndes Interesse seitens Apple könne unter anderem daran liegen, dass Fadell sich erstens nicht mit Chefdesigner Jonathan Ive verstehe und zweitens Nest möglicherweise schon vor geraumer Zeit ein exklusives Vorkaufsrecht eingeräumt habe. Alles zu Apple auf CIO.de
Der 44-jährige Fadell ist einer der Erfinder des iPod-Musikplayers von Apple. 2010 gegründete er mit Rogers, ebenfalls ein Apple-Veteran, die Firma Nest. Sie sorgte in den USA mit ihren intelligenten Thermostaten für Aufsehen. Unter anderem passen sich an die Gewohnheiten der Bewohner an, senken die Temperatur, wenn keiner Zuhause ist, und lassen sich vom Smartphone aus steuern. Die Geräte setzen auch Bewegungssensoren ein. Wird zum Beispiel ein Rauchalarm beim Kochen ausgelöst, genügt es, vor dem Nest-Gerät zu winken, um ihn wieder abzustellen.
So ganz trivial ist das Innenleben der vernetzten Nest-Gadgets allerdings offensichtlich nicht. "TechCrunch" berichtet beispielsweise von Problemen mit der letzten Thermostat-Firmware (die teilweise allerdings auch Bedienungs- oder Installationsfehlern von Kunden sowie inkompatiblen Systemen geschuldet waren).
Zu den Gewinnern der angekündigten Übernahme gehören neben Fadell und Rogers auf jeden Fall die Altinvestoren von Nest - neben Google Ventures (das natürlich nicht wirklich profitiert) sind das laut "GigaOM" unter anderem Venrock, Kleiner Perkins, Generation Capital (Al Gore), Lightspeed Venture Partner und Shasta Ventures, die zusammen geschätzte 100 bis 130 Millionen Dollar in Nest gesteckt haben. Ob ein zuletzt kolportiertes Investment von DST aus Russland (Yuri Milner) über weitere rund 150 Millionen Dollar vor dem Google-Deal noch zustande kam, ist nicht bekannt. Als Verlierer sieht "GigaOM" neben Apple Firmen, die Next in der Vergangenheit verklagt hatten, traditionelle Thermostat-Hersteller, weniger agile Smart-Home-Gerätehersteller - und Kunden, die sich um ihre Daten sorgen.
Es ist nicht jedenfalls der erste Vorstoß von Google in den Bereich Haustechnik. Google hatte einst unter eigenem Dach ein Projekt für intelligente Stromzähler, machte es aber dicht im Zuge einer Konzentration auf das Kerngeschäft. (mit dpa-Material)