Individuelle Mobilität
Wer dem Auto zum Durchbruch verhalf
Als sich Bertha Benz am Morgen des 5. August 1888 in aller Herrgottsfrühe ans Steuer ihres Wagens setzt und zu ihrer Schwester aufmacht, bricht sie gleich mehrere Tabus. Die damals 39-Jährige steuert nicht nur ohne Fahrerlaubnis einen Wagen, der obendrein überhaupt keine Zulassung besitzt. Sie setzt sich auch über den Willen ihres Mannes hinweg, der ihr die Fahrt niemals erlaubt hätte. Vor 125 Jahren ein wagemutiger Schritt für eine Frau - und rückblickend ein Meilenstein in der Geschichte des Autos.
"Wahrscheinlich würde es dann auch nicht das AutomobilAutomobil gegeben haben", sagt ihre Urenkelin Jutta Benz heute. Tatsächlich war die Technologie damals bereits mehr als reif. Der Wagen, mit dem Bertha Benz ins 106 Kilometer entfernte Pforzheim fährt, ist schon die dritte Variante von Benz' 1886 zum Patent angemeldeten Dreiradwagen. Die damaligen Konkurrenten Daimler und Maybach feilten zur gleichen Zeit an eigenen motorbetriebenen Wagen. Doch die Skepsis war groß, die Behörden erteilten Benz sogar ein Fahrverbot, weil die knatternden Wagen die Pferde scheu machten. "Man hatte Angst vor so etwas. Das war Neuland", sagt Jürgen Wittmann, Leiter der Archive bei Daimler. Top-Firmen der Branche Automobil
"Die Fahrt hat den Durchbruch gebracht", sagt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. "Die Fahrt hat metapherhaft gezeigt, dass Autos gesellschaftsfähig sind", sagt Bratzel. Ähnliche Wirkung habe in der Geschichte zum Beispiel die Erfindung des Ford Model-T gehabt, das durch Fließbandarbeit für die Massen erschwinglich und zum Verkaufsschlager wurde. Der kalifornische Elektro-Pionier Tesla habe mit seinen strombetriebenen Sportwagen gezeigt, dass E-Autos auch Spaß machen können, so Bratzel.
Ob Bertha Benz tatsächlich auch Einfluss auf die Technologie nahm, sei kaum überliefert, sagt Jutta Benz. Zündspulen habe sie aufgewickelt und sicher ein gewisses technisches Verständnis gehabt. Auf der Fahrt nach Pforzheim säuberte sie eine verstopfte Benzinleitung mit ihrer Hutnadel und isolierte die Zündung mit ihrem Strumpfband. Ihr Handeln hatte aber auf jeden Fall Einfluss auf die Weiterentwicklung von Benz' Erfindung. Nach der Fahrt durch den Nordschwarzwald war zum Beispiel klar, dass für Steigungen auch eine dritte Übersetzung - ein dritter Gang - notwendig sein würde.
Die zwölfstündige Fahrt auf dem nur 2,5 PS starken Wagen war, so Jutta Benz, eine große Marketingkampagne - wenn auch ungewollt. Sie habe ihrem Mann Mut machen wollen - und auf Drängen ihrer beiden Söhne den Wagen ohne das Wissen ihres Mannes genommen. Die beiden seien ganz heiß aufs Autofahren gewesen.
Bertha Benz war zwar eine durchsetzungsstarke Frau. Sie heiratete den Mann, den sie liebte, und ließ sich von ihrem Vater einen Teil ihres Erbes auszahlen, um Carl Benz zu finanzieren. "Bertha Benz war die Triebfeder", sagt Jutta Benz. Als emanzipiert im heutigen Sinne würde ihre Urenkelin sie allerdings nicht beschreiben. "Sie war zwar eine energische Frau, aber ihr Mann hatte das Sagen."
Tatsächlich dauerte es noch einige Monate, bis Benz auf der Weltausstellung in Paris Zuspruch für sein Automobil bekam und dieses mit Hilfe des Franzosen Emile Roger erfolgreich vermarktete. Den endgültigen Durchbruch schaffte Benz 1894 mit dem preiswerteren Motorvelociped, das Benz in einer ersten Großserie 1200 Mal baute.
Kein seltenes Phänomen, sagt Bratzel. "Es waren fast nie die Ersten, die eine InnovationInnovation herbeigeführt haben, sondern die, die irgendwann eine gute Kombination hatten." Bestes Beispiel sei Apples iPhoneiPhone, das längst nicht das erste internetfähige Handy gewesen sei. Die nächste Fahrzeugtechnologie, die einen solchen Durchbruch schaffen könnte, sei das vernetzte Auto, erwartet Bratzel. Die Branche feilt derzeit an Systemen und Technik, die Autofahrern das Lenken ihrer Fahrzeuge immer mehr abnehmen. "Dafür müsste eine entsprechende Story aber noch geschrieben werden." (dpa/rs) Alles zu Innovation auf CIO.de Alles zu iPhone auf CIO.de