Sozialpsychologie
Wie aus Feinden Freunde werden können
Ein Video aus Dänemark begeistert die sozialen MedienMedien. Es zeigt, wie aus Feinden Freunde werden können - einfach, in dem man Gruppen anders einteilt. Es marschieren auf: die Fußballfans, die Anzugträger, die Einheimischen, die Zuwanderer - streng getrennt durch weiße Linien. Dann gruppiert ein Moderator die homogenen Massen um: Wer war Klassenclown? Wer wurde gemobbt? Welche sind Stiefeltern? Wer ist bisexuell? Immer neue Gruppen fügen sich so zusammen, am Ende liegen sich alle in den Armen. Top-Firmen der Branche Medien
Das Video heißt "Stop putting people into boxes" und verbreitet sich vermutlich deshalb so rasant, weil es perfekt in unsere Zeit passt. US-Präsident Donald Trump sieht "America first" und will Muslime aussperren. In Europa hetzen Rechtspopulisten Alteingesessene gegen Zuwanderer auf. Ressentiment und Vorurteil wohin man blickt: Und immer ist es ein "Wir" und ein "die anderen".
"Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" nennt das der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner. Für ihn kommen da zwei Dinge zusammen: eine psychologische Anlage im Menschen und eine Politik, die diese ausnutzt.
Unser "Ich" bauen wir aus individuellen Eigenschaften und sozialen Mitgliedschaften, erklärt sein Frankfurter Kollege Rolf van Dick. Sich als Teil einer Gruppe zu sehen, habe sich in der Entwicklung der Menschheit als nützlich erwiesen: Schnell entscheiden zu können, wem man vertrauen kann und wer gefährlich sein könnte, war überlebenswichtig.
"Wir" und "die" zu unterscheiden ist menschlich und erstmal unproblematisch. "Das Problem ist, dass wir dazu neigen, andere abzuwerten, um uns aufzuwerten", sagt Wagner. Unsere Leistungsgesellschaft verstärke das: Wir lernen, dass wir als Einzelne besser sein sollen als andere. Und wir wollen auch, dass unsere Gruppe besser ist andere Gruppen - siehe Sport. "Dieser Mechanismus kann politisch wunderbar ausgenutzt werden", sagt Wagner.
Wie aus (normaler) Abgrenzung (gefährliche) Aggression wird, dazu gibt es viele Studien. Was eine Rolle spielt, erklärt van Dick, ist die - gefühlte oder reale - Begrenzung von Ressourcen, die man sich mit der anderen Gruppe teilen muss, seien es Nahrungsmittel, Arbeitsplätze oder gesellschaftliche Stellung oder Geld. Ob die Sache eskaliert, liegt zum einen dran, wie stark die Gruppen sich gegenseitig provozieren - und wie stark sie bewaffnet sind.
Und was hilft, um Vorurteile abzubauen? "Je mehr Kontakt, desto geringer sind die Vorurteile", sagt van Dick. Wagner hat das in vielen Studien nachgewiesen: In Ostdeutschland, wo es weniger Ausländer gibt, ist die Ausländerfeindlichkeit höher als im Westen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Flüchtlingsheimen ist die Ablehnung geringer als ein paar Straßen weiter.
Im Umkehrschluss: Wer ausländische Kollegen, Schulfreunde oder Sportkumpel hat, bei dem fallen politisch geschürte Vorurteile nicht so leicht auf fruchtbaren Boden. "Man kennt immer wen aus dieser Gruppe und weiß, da gibt es solche und solche", sagt Wagner. Eine verantwortungsvolle Politik würde sich das zunutze machen und zum Beispiel im Städtebau auf Durchmischung achten: "Ghettos sind Mist."
Im Alltag gebe es eine ganze Reihe von Gelegenheiten, Gruppen umzugruppieren wie in dem dänischen Video, sagt Wagner: Im Sportverein beispielsweise werden aus Deutschen und Migranten "meine Mannschaft" und "die gegnerische Mannschaft". In dem dänischen Video sind die Linien zwischen den Gruppen nur auf den Boden gemalt. An der Grenze zu Mexiko will Trump eine Mauer bauen. (dpa/rs)