Telekom-Vorstand Claudia Nemat

"Wir brauchen keine Pavian-Felsen"

16.09.2015
Von Carina Kontio

Entspannen beim Power-Yoga: Kein Widerspruch?

Kollegen bezeichnen Sie als energiegeladenes Kraftpferd, das durch hohes Tempo, Temperament und überdurchschnittliche Intelligenz auffällt. Wo entspannen und tanken Sie neue Kraft?

Claudia Nemat: Zunächst: Das ist mein Wesen. Ich verliere die Energie nicht. Aber ich bin natürlich außerhalb meiner beruflichen Tätigkeiten sehr gerne mit meiner Familie und Freunden zusammen und wenn ich mich mal richtig entspannen will, mache ich Power-Yoga.

Power-Yoga und Entspannen, das ist aber auch ein Widerspruch in sich, oder?

Claudia Nemat: Ach nein, man kann ja auch etwas Kraftvolles machen, um darin damit Kraft zu tanken.

Als kleines Mädchen wollten Sie wissen, was die Welt zusammen hält und haben Physik studiert. Gibt es inzwischen eine Antwort auf Ihre Frage?

Claudia Nemat: Wissen Sie, je älter man wird, umso größer wird das Gefühl für die Grenzen menschlicher Erkenntnis. Sie bekommen unterschiedliche Perspektiven auf die Dinge, wenn Sie wissen, was man auf dieser Welt verstehen kann und was nicht. Aber sich die Sehnsucht zu bewahren, den Dingen immer wieder auf den Grund zu gehen, das halte ich für sehr wichtig.

Ihr Vater war Atomphysiker bei Siemens, Sie sind zunächst in seine Fußstapfen getreten. Welche Rolle spielen Eltern, wenn es darum geht, Kinder und insbesondere Mädchen für technische Berufe zu begeistern?

Claudia Nemat: Eine große. Jedes Kind ist ja intrinsisch neugierig und Eltern, aber auch Erzieher und Lehrer müssen aufpassen, dass diese natürliche Neugierde nicht abgewürgt wird, indem sie gelangweilt oder desinteressiert reagieren. Kinder haben ja alle möglichen Arten von Fragen. Diese Neugierde muss man fördern. Mein Vater hat mir damals jede noch so blöde Frage mit großer Freude beantwortet, mit mir die Sterne angeschaut oder am Baukasten rumhantiert. Das Gras wächst nicht schneller, nur weil man daran zieht, aber es wächst gar nicht, wenn man drauf rumtrampelt.

Was war die wichtigste Lektion, die Ihnen Ihr Vater beigebracht hat?

Claudia Nemat: Dass man sich niemals mit dem zufrieden gibt, was einem als vorherrschende Meinung der Masse vorgesetzt wird. Mein Vater hat immer gesagt: Du musst letzten Endes selbst den Dingen nachforschen, möglichst vielen Menschen zuhören, der Sache auf den Grund gehen und dazu eine eigene Haltung entwickeln. Und er hat auch mal gesagt: Wenn man eine Trillionen Mal gegen die Wand läuft, kommt man irgendwann durch.

Was genau wollte er Ihnen denn damit sagen?

Claudia Nemat: Das war keine Einladung dazu, sich eine blutige Nase zu holen und die unsinnigsten Dinge zu versuchen, sondern als Aufforderung zu verstehen, darüber nachzudenken, was sich hinter den Dingen verbirgt und wie man am intelligentesten durch die Wand kommt. Letzten Endes war das eine Aussage aus der Quantenphysik, wo ganz kleine Teilchen durch Energiebarrieren oder Wände durchkommen können, was in der klassischen Physik so nicht geht. Diese Dinge zu hinterfragen und einer Sache wirklich auf den Grund gehen zu wollen, hat mich sehr stark geprägt und ich würde sogar sagen, sie prägt mich immer noch. Manchmal fragen meine Mitarbeiter: Warum erklärst du alles? Dann sage ich: Ich möchte eine Erklärung haben und ich will, dass ihr auch eine habt.

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