Die Anker-Strategie

Wissen professionell vermitteln

13.10.2015
Von Sabine Prohaska
Menschen Wissen und Können vermitteln – vor dieser Aufgabe stehen nicht nur Trainer und Lehrer. Auch Führungskräfte und Ausbilder müssen im Betriebsalltag oft Know-how weitergeben. Mit der Anker-Strategie gelingt ihnen das ganz leicht.
  • Dass sich ein Mitarbeiter oder Kollege etwas nicht merken kann, liegt meist an der Wissensvermittlung
  • Mit der Anker-Strategie hat das mehrfache Erklären ein Ende

"Hoffentlich merkt sich der Müller das endlich." Das denken FührungskräfteFührungskräfte und Ausbilder zuweilen, wenn sie einem Mitarbeiter oder Kollegen einen Sachverhalt schon mehrfach erklärt haben. Und zuweilen beschleicht sie sogar das Gefühl: "Der ist etwas schwer von Begriff." Das mag im Einzelfall so sein. Doch meist liegt es an der Wissensvermittlung, wenn sich ein Mitarbeiter oder Kollege etwas nicht merkt. Alles zu Personalführung auf CIO.de

Um als Führungskraft Wissen effektiv zu übermitteln, merken Sie sich das Wort Anker - jeder Buchstabe steht hier für eine Regel.
Um als Führungskraft Wissen effektiv zu übermitteln, merken Sie sich das Wort Anker - jeder Buchstabe steht hier für eine Regel.
Foto: Jaroslav Moravcik - shutterstock.com

Wollen Sie es sich künftig ersparen, Dinge mehrfach zu erklären? Dann merken Sie sich das Wort "Anker". Jeder seiner fünf Buchstaben steht für eine Regel, die es beim Vermitteln von Wissen zu beachten gilt. Sie lauten:

  • Anfang und Ende der "Unterweisung" mit den wichtigsten Informationen bestücken. Denn: Was zu Beginn und am Schluss gesagt wird, bleibt am ehesten im Gedächtnis haften.

  • "Nein" und "nicht"vermeiden. Denn: Diese Begriffe ignoriert unser Gehirn.

  • Kurz fassen. Denn: Das Kurzzeitgedächtnis hat eine begrenzte Speicherkapazität.

  • Emotionen hervorrufen und Bilder verwenden. Denn: Gefühle regen das Gehirn an.

  • Relationen zum Wissen des Vis-à-vis herstellen. Denn: Infos, die ein Mensch in Beziehung zu bereits vorhandenem Wissen setzen kann, verankern sich leichter.

A: Wichtige Infos an den Anfang und das Ende

Die Informationen, die wir zuerst oder zuletzt hören, merken wir uns am ehesten. Diese Erkenntnis der Lernpsychologie nennt sich "Primacy-Recency-Effekt". Stellen Sie also zum Beispiel bei Gesprächen mit Mitarbeitern die wichtigsten Botschaften konsequent an den Anfang und Schluss. Leiten Sie das Gespräch beispielsweise mit einer Übersicht ein: "Ich möchte mit Ihnen darüber reden, wie Sie ..." Und schließen Sie mit einem Fazit, das die Kernbotschaften zusammenfasst: "Besonders wichtig ist, erstens: ... Zweitens: ... Drittens: ..."

Diesen Effekt können Sie auch zum Beeinflussen von Entscheidungen nutzen. Untersuchungen zeigen: Die am Anfang und Schluss genannten Argumente haben auf Entscheidungen den größten Einfluss. Überlegen Sie sich also genau, in welcher Reihenfolge Sie Ihre Argumente vortragen.

N: Die Worte "nein" und "nicht" vermeiden

Stellen Sie sich einmal vor, ein Ausbilder rät Ihnen: "Denken Sie nicht an die Klausur." Was geschieht? Kaum hat er dies gesagt, entsteht vor Ihrem geistigen Auge zum Beispiel folgendes Bild: Sie sitzen in einem Raum. Vor Ihnen liegt ein Blatt Papier. Und um Sie herum die Kollegen an den anderen Tischen? Sie schreiben wie wild. Nur Ihr Blatt ist leer. Panik macht sich in Ihnen breit.

Warum erfolgt diese Reaktion? Das menschliche Gehirn assoziiert Wörter mit Gegenständen und Tätigkeiten. Die Worte "Baum" und "hüpfen" zum Beispiel rufen konkrete Bilder in uns hervor. Das Wort "nicht" hingegen lässt kein Bild entstehen. Also wird es von unserem Gehirn auch nicht unmittelbar verarbeitet. Häufig fällt es sogar unter den Tisch. Dann tun wir genau das Gegenteil von dem Gesagten.

Daraus folgt: Vermeiden Sie Nicht-Botschaften, wenn Sie bei einer Person eine bestimmte Reaktion auslösen möchten. Überlegen Sie sich stattdessen, welche positiven Bilder Sie im Kopf des Zuhörers aktivieren möchten.

K: Sich kurz fassen

Wenn Sie einer Person Infos geben, dann werden diese zunächst im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Und erst von dort gelangen sie ins Langzeitgedächtnis. Jedoch nur unter folgender Bedingung: Das Kurzzeitgedächtnis wird zwischenzeitlich nicht überlastet.

Als Faustregel können Sie sich merken: Das Kurzzeitgedächtnis kann nur sieben Informationen speichern. Dann ist seine Kapazität erschöpft. Das können sieben Namen, Zahlen oder Bedeutungszusammenhänge sein. Packen Sie also nicht alles Wissenswerte in eine "Lerneinheit". Beschränken Sie sich auf die wichtigsten Punkte.

E: Emotionen wecken und Bilder nutzen

Untersuchungen zeigen: Positive Gefühle regen das Gehirn zum Lernen an. Und wie wohl sich eine Person beim Lernen fühlt, hängt vor allem von der Lernatmosphäre ab.

Für eine positive Lernumgebung sind zwei Punkte entscheidend.

  1. das Zugehörigkeitsgefühl. Menschen lernen besser und leichter mit anderen. Besonders wichtig ist diese Erkenntnis, wenn es um Verhaltensänderungen geht. Denn hierfür ist auch ein Sammeln von Erfahrung wichtig - zum Beispiel in Rollenspielen. Damit Menschen in solchen Spielen über ihren Schatten springen, müssen sie das Gefühl haben, akzeptiert zu werden. Niemand lacht über mich, wenn ich etwas falsch mache. Niemand denkt: Was für ein Versager. Dieses Gefühl "Ich werde akzeptiert" müssen Sie - und die anderen Gruppenteilnehmer - den Lernenden vermitteln.

  2. das Gefühl von Wachstum. Also das Gefühl "Ich kann es, wenn ..." Eine Voraussetzung hierfür sind Aufgaben, welche die Lernenden fordern, aber nicht überfordern. Denn jede gelöste (Teil-)Aufgabe ist ein Erfolgserlebnis. Und Erfolgserlebnisse lösen in uns Glückshormone aus. Und diese motivieren uns wiederum dazu, den nächsten Schritt zu wagen.

Wenn Sie die Aufgaben entsprechend gestalten, können Sie bei Ihren Mitarbeitern oder Kollegen eine Kettenreaktion auslösen. Es entsteht sozusagen ein Motivationskreislauf aus "Lernen, Erfolg haben, Glück empfinden und wieder lernen", der im Idealfall süchtig macht.

R: Relationen herstellen

Ein guter "Gärtner" ist, wer aus dem Vorhandenen das Bestmögliche schafft. Um die schönsten Blumen zu züchten, muss ein Gärtner aber wissen, wie der Boden beschaffen ist. Entsprechendes gilt für das Vermitteln von Wissen. Bringen Sie also vorab in Erfahrung, was Ihr Gegenüber bereits weiß und welche Themen ihn interessieren. Dann können Sie auf das vorhandene Know-how aufbauen und ein Über- und Unterfordern vermeiden. Sie können zudem Verbindungen herstellen zu Themen, die die Lernenden interessieren - zum Beispiel Mode, Autos, Fußball. Dann können Sie zum Beispiel sagen: "Ein Arbeitsteam funktioniert wie eine Fußballmannschaft. Wenn nur ein Spieler rennt und zehn gelangweilt herumstehen, kann man kein Spiel gewinnen." So verpackt, verankern sich Botschaften leichter.

Lernprozesse lassen sich mit einer Busroute mit mehreren Stationen vergleichen. Sie sind als Führungskraft oder Ausbilder der Busfahrer. Also sollten Sie wissen, an welcher Haltestelle die Lerner stehen. Dann können Sie diese dort abholen und mit dem Bus zum Ziel bringen. Denn Menschen haben nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern auch verschiedene Interessen, Kenntnisse und Erfahrungen. Also müssen sie an verschiedenen Haltestellen abgeholt werden.

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